Herne. Die Volkshochschule in Herne wird 100 Jahre alt. Sie hat eine wechselvolle Geschichte hinter sich. Eine große Zäsur war der Zweite Weltkrieg.

Wenn in diesem Jahr viele Volkshochschulen im Land ihren 100. Geburtstag feiern, ist das kein Zufall. Die Gründungen fallen in die Zeit der Weimarer Republik, die als Wiege der Demokratie gilt. So verlief die Gründung der Volkshochschulen in Herne und Wanne-Eickel.

„Erwachsenenbildung entwickelte sich einerseits als emanzipatorische Arbeiterbildung und andererseits als bürgerlich ausgeprägte Volksbildung“, schreibt VHS-Leiterin Heike Bandholz in ihrem geschichtlichen Abriss im neuen VHS-Programmheft. Denn auch die Herner Volkshochschule feiert mit: Sie gehört zu den 26 Volkshochschulen in NRW, deren Wurzeln bis ins Jahr 1919 zurückreichen.

Wanne, Eickel und Röhlinghausen gründeten als erste eine Volkshochschule

Und das gilt für die Volkshochschule Wanne wie die Volkshochschule Herne, die ursprünglich nichts mit einander zu tun hatten. Die Gemeinden Wanne, Eickel und Röhlinghausen machten den Anfang. Am 10. Oktober 1919 gründeten sie ihre gemeinsame Volkshochschule. Der erste Arbeitsplan umfasste sieben Vorkurse, 16 Hauptkurse und neun volkstümliche Vorträge. Er wurde öffentlich ausgelegt und die Bürger wurden zur „Einzeichnung in die Hörerliste“ aufgefordert.

Das stattliche Ergebnis von 600 Hörern war allerdings auch einem gut besuchten Konzert zu verdanken. Im zweiten Tertial 1920 wurden dann bereits Sonderkurse für Beamte und Arbeiter der Eisenbahnverwaltung angeboten. „Unterrichtskurse“ in den Bereichen Sprachlehre, Rechtschreiben, den Grundrechenarten, Verkehrsgeografie und Physik mit 359 Hörern sprachen für eine zunehmend berufsorientierte Ausrichtung.

VHS Herne hat nach zehn Jahren 1200 Teilnehmer

Schach konnte man schon immer bei der VHS lernen.
Schach konnte man schon immer bei der VHS lernen. © Stadt Herne

Die Volkshochschule Herne empfing wenig später ihre ersten Teilnehmer, nämlich am 23. Oktober 1919. Sie wolle „eine Brücke schlagen zwischen Kopf- und Handarbeitern, sich in erster Linie an Arbeiter wenden und an alle, die den Drang zur geistigen Tätigkeit, Aufklärung und höheren Bildung in sich spüren“, hieß es in der Eröffnungsrede. Zehn Jahre später bot die VHS Herne neben Volkswirtschaft, Bürgerkunde und Volksgesang Vorträge zur Gesundheit, Siedlungskunde, Bildung der Kohle und Luftschifffahrt an. 1929 zählte sie 44 Kurse mit 1200 Teilnehmenden.

War damals parteipolitische und religiöse Neutralität wesensbestimmend für die Volkshochschulen, änderte sich das 1933. Die Nationalsozialisten gliederten die VHS der NS-Gemeinschaft „Kraft durch Freude“ der Deutschen Arbeitsfront (DAF) ein. Ziel war es, „das gesamte Volk umzuformen … und zu den Wahrheiten der nationalsozialistischen Weltanschauung und zur völkischen Gemeinschaft zu erziehen“, wie die Herner Zeitung 1936 den zuständigen Kreisbeauftragten zitiert.

Neuaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg

Nach dem Zweiten Weltkrieg begann man sowohl in Herne als auch in Wanne-Eickel rasch mit dem Neuaufbau der Volkshochschularbeit. Die Werte der Weiterbildung zählten wieder. Bereits im Herbst 1946 wurde - auf Anregung der Militär-Regierung und der heutigen Bezirksregierung Arnsberg - das „Volksbildungswerk“ der Stadt Herne gegründet. Nicht von ungefähr lautete der Vortrag zur (Wieder-)Eröffnung: „Der Staatsgedanke der Demokratie“.

Auch interessant

Die Resonanz auf das VHS-Programm war mit 1620 Anmeldungen groß. Besonders gefragt waren Kurse in Englisch, Buchführung, Mathematik, Deutsch und Kurzschrift. In Wanne-Eickel nahm die VHS ihre Arbeit im Frühjahr 1947 wieder auf. Die Volkshochschule wolle, so heißt es im Vorwort des ersten Programms der Nachkriegszeit, „am geistigen Neubau unseres Volkes mitwirken“. Eine zentrale Aufgabe in den Nachkriegsjahren war die politisch-staatsbürgerliche Bildung. Dabei wollte sich die VHS bereits als Begegnungsstätte für alle Kreise der Bevölkerung verstanden wissen. 1947 wurden in der VHS Wanne-Eickel rund 1500 Teilnehmende bei 46 Veranstaltungen gezählt.

Haus in Wanne war 1965 Vorreiter

Ab 1958 begann in Wanne-Eickel die Planung für den Bau eines eigenen VHS-Hauses. 1965 (nach 18 Jahren der Provisorien) wurde daraus Realität - bei einem Kostenaufwand in Höhe von 2,8 Millionen DM. Damit zählte die VHS Wanne-Eickel zu den fünf Weiterbildungseinrichtungen in ganz NRW, die über ein eigenes Haus verfügten.

Das Haus am Grünen Ring sah sogar Fachräume für Gesundheit und Bewegung, EDV und kreative Gestaltungsmöglichkeiten vor, dazu einen Saal für Filmvorführungen, die Einrichtung eines Tonstudios und Flächen für Kunstausstellungen. Hier zeigte sich, welch hohen Stellenwert man der Weiterbildung beimaß.

In Herne war die Entwicklung vergleichbar, allerdings erst nach dem Einzug der VHS in das neu erbaute Kulturzentrum im Jahre 1976. Mit der Verfügbarkeit von (Fach-)Räumen auf drei Ebenen und der Möglichkeit zur Flexibilisierung von Kurszeiten wurden - wie in Wanne-Eickel schon geschehen - Maßstäbe für die Entwicklung der Volkshochschularbeit gesetzt.

Städte-Ehe machte aus zwei Volkshochschulen eine

Am 1. Januar 1975, im Zuge der Kommunalen Neugliederung, wurde aus beiden Volkshochschulen eine. Schon im ersten Jahr der Zusammenführung lag die „neue“ Volkshochschule mit ihren Kursen und Veranstaltungen deutlich über der vorgegebenen Erfüllung der Pflichtstundenzahl. Nicht 14.400 Unterrichtsstunden wurden 1975 durchgeführt, sondern über 21.000. Heute sind es rund 25.000 Unterrichtsstunden mit durchschnittlich 9.000 Teilnehmern - allerdings pro Semester.

Quelle: Heike Bandholz, „VHS-Geschichte(n)“ im Programmheft II/2019 der Volkshochschule Herne