Herne. Der Markt für die Benzin-Alternative Autogas schrumpft. Der Herner Holger Becker will dem Autogas mit seiner Erfindung neues Tempo verleihen.
Die Krise der Automobilwirtschaft, die Fragen rund um die Elektromobilität, der angekündigte Rücktritt von VDA-Präsident Bernhard Mattes - die Internationale Automobilausstellung bot eine Reihe von Schlagzeilen. Da war es kaum mehr als eine Fußnote in der öffentlichen Wahrnehmung, dass in Frankfurt eine Neuentwicklung vorgestellt wurde, die der Antriebsart Autogas neues Tempo verleihen könnte. Protagonist ist ein Herner.
Denn es war Holger Becker, Inhaber der gleichnamigen Kfz-Werkstatt in Börnig, der die neue Technik erfunden hat.
2008 wurden bundesweit rund 100.000 Fahrzeuge auf Autogas umgerüstet
Der Reihe nach: Becker rüstet seit 2001 Fahrzeuge mit Autogasanlagen nach. Mit dem Ansteigen des Benzinpreises, der ja teilweise bis auf 1,60 Euro pro Liter stieg, kam das Autogasgeschäft auf die Überholspur. Denn ein Liter Autogas ist deutlich günstiger, da rechnet sich eine Umrüstung in einem sehr überschaubaren Zeitraum. Allein im Jahr 2008 seien in Deutschland rund 100.000 Fahrzeuge umgerüstet worden, so Becker. Doch genauso wie der Boom gekommen war, ebbte er wieder ab, und in den vergangenen Jahren schrumpfte der Markt für Autogas immer stärker. Die Ursache: die fortgeschrittene Technik bei den Fahrzeugen.
Heutzutage seien rund 90 Prozent aller neu zugelassenen Pkw-BenzinerDirekteinspritzer, so Becker. Doch für diese gab es bislang kein verlässliches Autogassystem. Auf Grund der Störanfälligkeit habe man Autogasanlagen nicht mehr mit gutem Gewissen in ein Fahrzeug mit Direkteinspritzung einbauen können, so der 51-Jährige im Gespräch mit der WAZ-Redaktion.
Becker bezeichnet seine Erfindung als „simpel“
Um diese technische Hürde doch zu überwinden, habe er 2015 eine Idee aufgegriffen, die ihm schon vier Jahre zuvor gekommen sei, die er aber damals nicht weiterverfolgt habe, weil keine Notwendigkeit bestanden habe. „Die Idee ist eigentlich so simpel, dass man sich fragt, warum noch niemand drauf gekommen ist“, so Becker. Die Idee lässt sich ganz grob so skizzieren: Hinter die Benzin-Hochdruckpumpe, die in den heutigen Motoren das Benzin direkt in die Brennräume fördert, setzt Becker einen sogenannten Medienwandler, der angetrieben durch den Benzin-Hochdruck dafür sorgt, dass nun auch Autogas auf direktem Wege in die Brennräume gelangen kann. Das Benzin, welches hier nur noch als Hydraulikflüssigkeit dient, wird ohne Verlust wieder zurück in den Benzintank geführt. Dieses Prinzip gab es noch nie und wurde von Holger Becker zum Patent angemeldet.
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Niedrigerer Preis, höherer Verbrauch
Weil Autogas wesentlich billiger ist als Benzin (derzeit kostet in Deutschland der Liter im Schnitt 65 Cent), kann sich die Umrüstung rechnen. Wirtschaftliche Vorteile ergeben sich vor allem bei Vielfahrern und bei Fahrzeugen mit einem hohen Benzinverbrauch.
Da der volumetrische Heizwert von Autogas jedoch deutlich niedriger liege (etwa 25 Prozent) als der von Benzin, so der ADAC, steige der Verbrauch beim Betrieb mit Autogas. Je nach Motor, Autogasanlage, Gaszusammensetzung und Fahrweise könnten dies 10 bis 30 Prozent sein.
Partner gründeten ein neues Unternehmen
Becker stellte seine Erfindung Prof. Thomas Heinze vor, der sich an der Saarbrücker Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) mit der technischen Weiterentwicklung von Verbrennungsmotoren beschäftigt. Becker kannte ihn, weil Heinze auch als ausgewiesener Autogasexperte gilt. Heinze sei sofort von dem Konzept überzeugt gewesen. Nach Tests in den HTW-Laboren wurde der Wandler in Testfahrzeuge eingebaut - und habe ohne Probleme funktioniert. Weil Becker als kleiner Mittelständler alleine nicht in der Lage wäre, eine Produktion aufzubauen, um den Markt zu bedienen, holte er sich Partner: den Hydraulikkomponenten-Hersteller MHA Zentgraf sowie einen Unternehmensberater. Gemeinsam haben die Beteiligten das Unternehmen Direct Gas Tec gegründet.
Gemeinsam stellten sie die Neuentwicklung bei der IAAvor. Die Resonanz sei positiv gewesen, bereits im Vorfeld habe es Gespräche mit einigen der großen Autokonzerne gegeben. Diese hätten sich interessiert gezeigt. Becker hat Hoffnung, dass der Anteil der Fahrzeuge, die mit Autogas fahren, wieder wachsen wird.
Becker: Autogas bei Umweltbelastungen im Vorteil gegenüber Benzin
Doch passt eine Technik für einen Verbrennungsmotor noch in die heutige Zeit? Davon ist Becker fest überzeugt. Er habe als Kfz-Meister alle Weiterbildungen für Elektrofahrzeuge absolviert und hat deshalb eine sehr deutliche Vorhersage: „Der Anteil der Elektromobilität am Straßenverkehr wird deutlich unter dem politisch gewollten Ziel bleiben.“ Autogas betriebene Fahrzeuge seien mit Blick auf Umweltbelastungen gegenüber herkömmlichen Benzinern im Vorteil. Die Tests mit seinem Wandler hätten ergeben, dass der Feinstaub fast auf Null reduziert werde, die CO2-Belastung sich um etwa 15 Prozent verringere und der Stickstoff-Ausstoß deutlich geringer als bei einem Benzin-Motor sei.