Herne. Wer als Schausteller auf die Cranger Kirmes möchte, muss sich ins Zeug legen. Platzmeister Tibo Zywietz erzählt von den kuriosesten Bewerbungen.
Das Schwarz-weiß-Anschreiben in grauer Bewerbungsmappe hat keinen Chance. Um einen der knapp 400 begehrten Plätze auf der Cranger Kirmes zu ergattern, müssen sich die Schausteller schon meh
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ins Zeug legen. Platzmeister Tibo Zywietz (34) spricht im Interview über die kuriosesten Versuche und über die für ihn stressigste Zeit im Jahr.
Auf dem Tisch liegt ein dicker, bunter Packen mit Bewerbungen. Etwa 1600 Schausteller versuchen es jedes Jahr. Zum Beispiel so: Aus einer Mappe entfaltet sich ein hoher pendelnder Turm, eine andere spricht über einen kleinen Tablet-Computer mit dem Beobachter.
Beeindrucken Sie solche Anschreiben, Herr Zywietz?
Tibo Zywietz Schausteller sind auf hochwertige Bewerbungen angewiesen. Sie müssen sich schließlich jedes Jahr neu bei uns bewerben. Das geht bis zum November des Vorjahres. Dann entscheidet eine Vergabekommission über die Attraktivität.
Wer sitzt denn in der Vergabekommission?
Das ist geheim.
Warum?
Wir machen das ganz bewusst so. Die Menschen die da sitzen, sollen nicht beeinflusst werden. Weder positiv noch negativ. Es sind Mitarbeiter aus der Stadtverwaltung, bunt gemischt durch alle Bereiche. Die Zusammensetzung wechselt jeder Jahr.
Also hat Otto-Normal-Herner keine Chance?
Nein, leider nicht. Da hätten wir diese Verschwiegenheit und die Transparenz möglicherweise nicht mehr. Der Otto-Normal-Herner liebt ja seine Kirmes, liebt seinen Backkartoffelstand und ist nicht so unvoreingenommen, wie Leute, die das beruflich machen.
Jetzt entscheidet Ihre Vergabekommission jedes Jahr neu, wer zu uns auf den Rummel darf. Warum sind denn da trotzdem immer die gleichen Karussells da?
Wir versuchen jedes Jahr die Besten auszuwählen. Die, die 2018 die besten waren, werden es in diesem Jahr wahrscheinlich auch sein.
Womit ist man denn der Beste – was gilt als attraktiv?
Das sind kirmestypische Bemalung, Beleuchtung, Erhaltungszustand. Wir schauen aber auch speziell auf die Sparten. Ein Beispiel: Wir haben zehn bis 15 Achterbahn-Bewerbungen und wählen immer zwei aus. Da schauen wir auch auf die technischen Gesichtspunkte: Schienlänge, Loopings, Geschwindigkeit und G-Kräfte – das alles bringt für die Besucher Thrill mit, und wir berücksichtigen das bei der Bewerbung.
Und wie läuft das im kulinarischen Bereich?
Das ist schon schwieriger. Wir haben gerade im Crêpe-Bereich 30 bis 35 Bewerbungen und können etwa zehn zulassen. Da geht’s ausschließlich um Bemalung und Gut-Aussehen. Wir können keine sensorischen Tests machen und auf die Kirmesplätze dieser Welt fahren, um Crêpes zu essen.
Schade eigentlich...
Also ich habe immer gesagt, das wäre mein absoluter Traumjob.
Sie schicken im Dezember die Zusagen raus. Viele Schausteller gehen leer aus. Gibt es da auch Beschwerden?
Das Rechtsmittel ist die Klage. Wir haben jedes Jahr auch welche. Das ist ganz normal. Manchmal haben wir keine einzige, manchmal bis zu fünf. Achterbahn, Riesenrad, Gewürzstände – da ist alles dabei. In diesem Jahr hatten wir ein laufendes Verfahren, das wir aber gewonnen haben.
Platzmeister ist Vater von zwei Kinder
Tibo Zywietz ist offiziell Teamleiter für den Bereich Cranger Kirmes, Wochenmärkte, Sondernutzungen und Veranstaltungen. Er genehmigt Veranstaltungen, die in Herne stattfinden.
Der xx-Jährige ist Vater von zwei Kindern.
Was ist den so das kurioseste, was Sie an Bewerbungen erlebt haben?
Wir haben einmal einen Schausteller daran erinnert, ein Bild zu seiner Bewerbung nachzureichen. Anstatt ein Foto seines Karussells, schickte er eines von sich selber. In einem anderen Fall hatte eine Schaustellerin nicht die Maße ihres Fahrgeschäfts, sondern die ihres Körpers angegeben.
Bis zum Fassanstich ist es ja noch ein bisschen. Was machen Sie denn eigentlich gerade den ganzen Tag?
Auf dem Kirmesplatz sind wir drei Wochen vor Beginn. Wir versuchen das, was auf dem Papier existiert, umzusetzen. Mit Maßband und Kreide laufen wir alles ab. Auch die Wohnwagen und Kühlwagen müssen ja zum Beispiel untergebracht werden.
Sie sind jetzt im dritten Jahr Platzmeister.
Stimmt. Das ist aber meine zwölfte Kirmes insgesamt. Ich war vorher Büroleiter des Kirmesbüros.
Kommt da Routine auf?
Joa, das einzige, das immer gleich ist, ist der Stress. Sicher: Die erste Kirmes war härter als die zehnte. Aber am Ende des Tages gibt’s immer wieder Probleme. Wir waren gerade erst an zwei Baustellen. Wir hatten einen Ausschankbetrieb mit 15 Metern Höhe, daneben ein sich drehendes Karussell. Die sollten sich im Idealfall nicht treffen.
Wird der Stress weniger, wenn die Kirmes losgeht?
Die stressigste Zeit ist tatsächlich der Aufbau. Während der Kirmes sind es einfach nur lange Schichten. Teilweise bis 3 Uhr nachts, und vormittags geht’s schon wieder weiter. Wir haben wenig Schlaf.
Genießen sie das auch ein bisschen?
Ich genieße die Kirmeszeit schon, aber nicht in Herne.
Sie fahren aber nicht zur Rheinkirmes nach Düsseldorf, oder?
Doch, ich fahre auch nach Düsseldorf. Natürlich nur, damit ich sehe, was die Konkurrenz macht. Damit wir weiter die größte, beste, schönste Kirmes in NRW bleiben. Spaß beiseite: Ich kann unsere Kirmes nicht mehr genießen. Man kann den dienstlichen Hintergrund nicht ausblenden. Man läuft hier nie privat drüber.
Was steht in den nächsten Wochen noch an?
Nun, jetzt ist Düsseldorf bald zu Ende. Da kommt dann ein ganzer Schwung. Das wird sportlich, die unterzubringen mit ihren Begleitfahrzeugen.
Und wann machen sie Urlaub?
Nach Crange!