Herne. In Deutschland wird nun auch diskutiert, ob Krankenkassen weiter für Globuli zahlen sollen. Ein Herner Kritiker hat eine klare Meinung.
Die Diskussion ist von Frankreich nach Deutschland herübergeschwappt: Im Nachbarland sollen homöopathische Arzneimittel in Zukunft nicht mehr von den Krankenkassen bezahlt werden. Dass man nun auch hierzulande diese Möglichkeit in Betracht zieht, kommentiert der Herner Wissenschaftsjournalist Dr. Christian Weymayr mit einem einzigen Wort: „Endlich.“
Selbstverständlich hat er im Gespräch mit der Herner WAZ-Redaktion noch viel mehr zu diesem Thema gesagt, etwa dass diese Diskussion „nur der Anfang sein kann“. Darüber hinaus hat der 57-Jährige viel zu diesem Thema geschrieben. 2012 veröffentlichte er gemeinsam mit Nicole Heißmann das Buch „Die Homöopathie-Lüge: So gefährlich ist die Lehre von den weißen Kügelchen“. Weymayr beschäftigt sich als dezidierter Kritiker der Homöopathie seit Jahren mit diesem Thema, das er als „Vollesoterik“ bezeichnet. Den Impuls, diese Kritik in ein Buch zu fassen, sei dadurch entstanden, dass diese Art der Medizin so weit verbreitet sei und so stark im Gesundheitswesen verankert sei. Und aus seiner Perspektive ohne jede Rechtfertigung.
„Homöopathie ist wie Handauflegen oder Pendeln“
Er hält es für ein Unding, dass Krankenkassen auf der einen Seite für bestimmte Leistungen nicht zahlen, wenn es keinen wissenschaftlichen Beweis für die Wirksamkeit gibt, auf der anderen Seite aber freiwillig für homöopathische Medikamente zahlen. „Damit machen sich die Krankenkassen unglaubwürdig.“ Auch dass die Kügelchen über Apotheken vertrieben werden, ist für ihn völlig unverständlich. Bei seiner Kritik nimmt er kein Blatt vor den Mund: „Die gehören in den Lebensmittelhandel direkt neben den Würfelzucker!“ Bisher seien seine Bemühungen allerdings ins Leere gelaufen. So habe der sogenannte Münsteraner Kreis, der sich kritisch mit alternativer Medizin auseinandersetzt, denÄrztetag im vergangenen Jahr aufgefordert, die Homöopathie als Zusatzbezeichnung in der Medizin abzuschaffen. Diese Forderung sei nicht mal diskutiert worden. Auch deshalb ist Christian Weymayr froh, dass aus Frankreich neuer Schwung in diese Debatte gebracht wird.
Die Homöopathie widerspreche in allen Belangen wissenschaftlichen Erkenntnissen. So seien Studien dazu schlicht irrelevant, weil sie gar nicht die Voraussetzungen für eine vernünftige Studie erfüllten. Die Kügelchen seien ein reines Placebo, weil die Verdünnung des Wirkstoffs so groß ist, dass im Körper gar nichts mehr wirken könne. Zweifel an seiner eigenen Kritik würden ihm erst in dem Moment kommen, wenn jemanden beweisen könne, dass Globuli eine geisthafte Wirkung haben, wie es der Erfinder der Homöopathie, Samuel Hahnemann, in seiner Lehre formuliert habe. Weymayr: „Homöopathie ist Glauben und hat nichts mit Wissenschaft zu tun, es ist wie Pendeln oder Handauflegen.“ Für ihn gehe es bei seiner Kritik um Glaubwürdigkeit und Wahrhaftigkeit.
Weymayrs Ziel: Aufhebung des gesetzlichen Schutzes
Weymayrs zentrales Ziel ist es, dass der gesetzliche Schutz aufgehoben wird. Während andere Medikamente eine komplizierte Zulassungsprozedur durchlaufen müssten, müssten bei den Kügelchen keine physikalischen Substanzbeschreibungen hinterlegt werden. Es reiche der sogenannte „Binnenkonsens“ für die Zulassung. Heißt: Es genüge, wenn ein Mittel in der Homöopathie-Gemeinde anerkannt werde, um zugelassen zu werden. Die Homöopathen dürften also selbst sagen, dass die Wirksamkeit belegt sei.
Keine klare Linie in der deutschen Politik
Bei der umstrittenen Kostenübernahme für homöopathische Arzneien zeichnet sich im politischen Berlin noch keine einheitliche Linie ab.
Der Vorsitzende des Bundestag-Gesundheitsausschusses, Erwin Rüddel (CDU), kann sich ein Ende der Erstattungsfähigkeit vorstellen: „Es ist schwer vermittelbar, dass Kosten für Homöopathie teilweise übernommen werden, während an anderer Stelle gespart werden muss.“
Seine Parteikollegin Karin Maag hält die Übernahme seitens der Kassen hingegen für „vertretbar“. Maag verweist auf die geringen Kosten für die Krankenkassen: „Wir reden von 0,03 Prozent der Ausgaben.“
Nach einem Bericht des Bundesverbands der Pharmazeutischen Industrie (BPI) zahlten die Kassen im Jahr 2017 lediglich 10,5 Millionen Euro für homöopathische Mittel. Im Gegensatz dazu beliefen sich die gesamten Arzneimittelausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung in jenem Jahr auf rund 39 Milliarden Euro.
Kein Wunder, dass sich Weymayr, der in Herne als Regisseur im Kleinen Theater Herne bekannt ist, in Homöopathen-Kreisen mit seinem Buch wenig Freunde gemacht hat.
Erfinder Samuel Hahnemann hätte angesichts wissenschaftlicher Erkenntnisse selbst stutzig werden können
Immerhin: Die Ärztin Dr. Natalie Grams habe eigentlich ein Antwortbuch schreiben wollen, habe aber im Laufe der Entstehung gemerkt, dass das nicht funktioniere und habe sich schließlich von der Homöopathie abgewandt.
Weymayr kann nicht nachvollziehen, dass immer noch so viele Menschen an die Wirkung der Kügelchen glauben. Dass man Anfang des 19. Jahrhunderts - als Hahnemann diese Art der Medizin erfunden hat - daran geglaubt habe, sei noch nachvollziehbar, weil medizinische Kenntnisse noch überschaubar waren. Doch selbst Hahnemann habe angesichts erster Forschungserkenntnisse der Schulmedizin stutzig werden können, so Weymayr. Wer heute daran glaube, ignoriere 200 Jahre wissenschaftliche Erkenntnisse.