Herne. . Einfach zurücklehnen und zuhören: Das konnten die Besucher am Samstag in den Herner Flottmann-Hallen beim „Best of Poetry Slam“.

Die Herner haben offensichtlich Lust auf moderne Kleinkunst, ganz besonders auf diese, die dichtet. So müssen am vergangenen Samstag in den Flottmann-Hallen Stühle nachgestellt werden, dass auch jeder den „Sprechreiz“ der vier Poeten im Sitzen genießen kann.

„Herne Helau“ genügt völlig

Anders als beim klassischen Slam, gilt es für das Publikum des „Best of“ sich ausschließlich berieseln, inspirieren und in jedem Fall herzhaft zum Lachen bringen zu lassen, denn einen Gewinner gibt es an diesem Abend keinen zu küren. Moderatorin Sandra Da Vina muss erst gar nicht tief in die Trickkiste greifen, um den ausverkauften Saal in Stimmung zu bringen, ein freudiges „Herne Helau!“ genügt da völlig.

Aus den Augen, nie aus dem Sinn

Auch ohne Kostümierungen und Schnapsgürtel ist die gute Laune bei allen Anwesenden von Beginn an präsent. Sandra Da Vina selbst erzählt von ihrem absurd großen Stand, den sie am örtlichen Flohmarkt angemietet habe. Alles, von den eigenen Milchzähnen über die Monopoly-Castrop-Rauxel-Edition mit unschönem Riss und Blutflecken auf dem Spielfeld, soll aus den Augen, aber niemals aus dem Sinn. Viel zu stark ihre Kindheitserinnerungen, auf die sie jetzt mit 30 und kindlicher Freude zurückblickt. Yannick Steinkellner geht mit seinem Text noch einen Schritt weiter zurück und versetzt sich in sein Ich, das mit großen Augen zu seinen Eltern aufschaut und die Welt erklärt bekommt. Das falle dem 26-Jährigen nicht schwer, sehe er doch aus wie 15, scherzt der gebürtige Österreicher, der in Bochum ein neues Zuhause gefunden habe. 3919, 3920, 4000!, ruft der kleine Yannick erwartungsvoll, der bemerkt, beim Verstecken spielen hängen gelassen worden zu sein. Manche Dinge ändern sich nie, wenn er schließlich als Erwachsener in einer leeren Wohnung aufwacht.

Eigenen Horizont überschreiten

Alle Dichter halten an diesem Abend stets die Waage zwischen herrlichem Klamauk und schwermütigen Einsichten, die das Leben mit sich bringt. Theresa Hahl aus Bochum macht da keine Ausnahme. So nahe man sich gegenüber sitzt, gibt es doch Distanzen in unseren Köpfen, die ein Beisammen in weite Ferne rücken. Öfter mal das Gehirn einzuschalten, könne helfen, zumindest die Grenze des eigenen Horizontes zu überschreiten.

Lachen? Weinen?

Von Grenzen will Temye Tesfu nichts wissen. Der Berliner ist zu sehr damit beschäftigt, mehr öko zu sein als es alle anderen sind. „Du hast deine Möbel also vom Sperrmüll? Ich lebe im Sperrmüll!“, regt sich sein alter Ego über alles und gar nichts auf, stets auf der Suche nach Substanz im schnelllebigen Alltag der Großstadt. Fast kauft man dem anschließendem Text von Sira Busch seine Naivität ab, der mit verzweifeltem Appell an die Liebe eine Entspannung der Regelstudienzeit zu beschwören versucht. Herzensgut, aber auf Konfrontationskurs, steht Sira Busch da und man weiß nicht, ob man lachen oder weinen soll. Das Lachen über die Art des beseelten Vortrages kann und soll sich niemand verkneifen. Doch hinter der vermeintlichen Blauäugigkeit der Münsteranerin steckt ernstzunehmende Kritik an Gründen für echte Depressionen. Ein runder Abend, der trotz allen Humors ganz schön in die Tiefe geht.