herne. . Betroffene Bürger sprechen von einer tollen Nachricht: Die Stadt lehnt in einer Stellungnahme die Erweiterung der Zentraldeponie ab.

Damit war nicht unbedingt zu rechnen: Die Stadt Herne lehnt die von der Abfallentsorgungsgesellschaft Ruhr (AGR) beantragte Erweiterung der Zentraldeponie Emscherbruch an der Stadtgrenze Herne/Gelsenkirchen ab. Das hat die Herner Verwaltung der zuständigen und in dem Verfahren auch entscheidungsbefugten Aufsichtsbehörde Bezirksregierung Münster in einer Stellungnahme übermittelt.

Heinz-Peter Jäkel von der Bürgeriniative Uns stinkt’s (rechts)  - hier bei einer Informationsveranstaltung mit Jörg Göritz - begrüßt die Stellungnahme der Stadt.
Heinz-Peter Jäkel von der Bürgeriniative Uns stinkt’s (rechts) - hier bei einer Informationsveranstaltung mit Jörg Göritz - begrüßt die Stellungnahme der Stadt. © Sabine Hahnefeld

„Das ist eine tolle Nachricht“, sagt Heinz-Peter Jäkel, Sprecher der Bürgerinitiative Uns stinkt’s (BI), in einer ersten Reaktion zur WAZ. Der Druck, den die BI auf Politik und Verwaltung ausgeübt habe, sowie die inhaltliche Überzeugungsarbeit der Initiative hätten offenbar Wirkung gezeigt.

Und so begründet die Stadt ihre Ablehnung des Antrags der AGR, die Abfallmengen auf der Deponie um 4,6 Millionen Kubikmeter zu erweitern: „Im Ergebnis wird dem Vorhaben nicht zugestimmt, weil die Stadt Herne bisher davon ausgehen konnte, dass nach Erreichen der bisher genehmigten Schütthöhen Schluss ist mit der Ablagerung von Abfällen, einhergehend mit der Verringerung des Verkehrsaufkommens und sonstiger von dem Deponiebetrieb ausgehenden weiteren Immissionen.“

Stadt sieht in NRW Standort-Alternativen

Der städtische Umweltdezernent Karlheinz Friedrichs.
Der städtische Umweltdezernent Karlheinz Friedrichs. © Svenja Hanusch

Im Falle der (gefährlichen) Abfälle der sogenannten Deponieklasse III - die erstmals auf der Zentraldeponie gelagert werden sollen - bestünden in NRW nach Aussage der Stadt Herne noch andere Deponiekapazitäten. „Auf diesen Deponien steht ein Restvolumen zur Verfügung, durch das Entsorgungssicherheit für gefährliche Abfälle in NRW gewährleistet ist“, heißt es in der von Umweltdezernent Karlheinz Friedrichs unterzeichneten Stellungnahme.

Die Stadt befürchtet, dass Anlieger der Wiedehopfstraße (Bild) und anderer Straßen zusätzlich belastet werden.
Die Stadt befürchtet, dass Anlieger der Wiedehopfstraße (Bild) und anderer Straßen zusätzlich belastet werden. © Stefan Kuhn

Das Vorhaben der AGR würde zudem zu einer „dauerhaft hohen Geruchs-, Lärm-, Staub- und Verkehrsbelastung insbesondere der Anlieger an der Wiedehopfstraße und der Dorstener Straße“ führen. Diese seien schon jetzt „erheblichen Belastungen“ ausgesetzt.

„Die Weiterführung des Deponiebetriebs stellt in dieser Hinsicht eine nicht weiter hinnehmbare Belastung der Anwohner dar“, so die Stadt. Darüber hinaus regt die Verwaltung an, unabhängig vom Erreichen genehmigter Schütthöhen auf der Deponie die Laufzeit zu befristen, „um den Anliegern eine Perspektive für einen endgültigen Abschluss der Deponie bieten zu können“.

Bezirksregierung Münster entscheidet am Ende

Wie geht es weiter? Die Bezirksregierung Münster muss diese Stellungnahme der Stadt Herne sowie weitere Eingaben - allein die Bürgerinitiative Uns stinkt’s hat mehr als 20 Einwendungen eingereicht - prüfen und bewerten. Die Frist für Einwendungen läuft am 19. März ab. Das Anhörungsverfahren endet mit einem öffentlichen Erörterungstermin, bei dem die Behörden, die Einwender und auch der Vorhabenträger AGR Stellung beziehen können zu den Einwendungen. Am Ende des Verfahrens entscheidet die Bezirksregierung, ob die Deponie erweitert wird.

Am kommenden Mittwoch, 6. März, werden sich auch der Herner Umweltausschuss und die zuständige Bezirksvertretung Wanne in gemeinsamer Sitzung mit der Deponieerweiterung befassen. In Gelsenkirchen gab es bereits eine entsprechende Sitzung, bei der sich die dortige Politik geschlossen gegen den Antrag der AGR aussprach.Auch die Herner Ratsparteien haben bisher deutlich Stellung gegen eine Deponieerweiterung bezogen.

Manfred Leichtweis, Vorsitzender des Gelsenkirchener Umweltausschusses, lobt die Stellungnahme der Herner Verwaltung.
Manfred Leichtweis, Vorsitzender des Gelsenkirchener Umweltausschusses, lobt die Stellungnahme der Herner Verwaltung. © Martin Möller

Manfred Leichtweis (SPD), Vorsitzender des Gelsenkirchener Umweltausschusses, lobt auf Anfrage der WAZ die Stellungnahme der Stadt Herne. Die Begründung entspreche der Haltung und Einschätzung der Gelsenkirchener Politik. Sie hätten ihre Verwaltung aufgefordert, bis zum 12. März ebenfalls eine Stellungnahme abzugeben, so Leichtweis. In einer erste Bewertung habe die Stadt Gelsenkirchen erklärt, dass aus fachlicher und rechtlicher Sicht zunächst nichts gegen die beantragte Deponieerweiterung spreche.

Stadt: Deponiebrände lösten Ängste aus

Zurück zur Erklärung der Stadt: Die Verwaltung widerspricht darin der Aussage eines von der AGR beauftragten Gutachters, dass durch die Erweiterung keine Gesundheitsgefahr zu befürchten sei. „Über die Wahrnehmung von Geruch, Lärm, Staub und Transportverkehr entwickelt sich eine subjektive negative Bewertung der Deponie, die das Wohlbefinden einschränkt“, heißt es in der Stellungnahme der Stadt. Darüber hinaus könne die negative Wahrnehmung auch sekundär physiologische Folgen wie Übelkeit, Kopfschmerzen, Kreislaufveränderungen und psychische Belastungen haben.

 
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Und: Angesichts der vier Deponiebrände im Jahr 2018 sei eine „angstbehaftete subjektive Wahrnehmung“ auch objektiv darstellbar, da es zu diesen Zeiträumen immer auch eine reale Luftbelastung durch Rauch, Staub und nicht definierte Schadstoffeinflüsse gegeben habe. Die Anlieger seien viele Jahre in dieser Form durch die Deponie belastet worden. Mit Genehmigung des Planfeststellungsverfahrens würden die Bürger für weitere zehn Jahre dieser Zusatzbelastung ausgesetzt. Das würde „aus gesundheitsförderlicher und krankheitspräventiver Sicht den Handlungskonzepten wie Lärmminderungsplan, Klimaschutzkonzept und Luftreinhalteplan und den damit angestrebten Verminderungen der Gefährdungsmöglichkeiten in Ballungsräumen entgegen wirken“.

Um für die vorgebrachten Einflüsse eine objektive fachliche Bewertung zu erhalten, empfiehlt die Stadt, einen medizinischen Sachverständigen für eine humantoxikologische Risikoanalyse hinzuzuziehen. Dieser solle die Auswirkungen des Anlagenbetriebs auf die benachbarte Bevölkerung bewerten.

Belastungen durch zusätzlichen Lkw-Verkehr

Im Kapitel „Immissionsschutz, Verkehrsbelastung und Klima“ weist die Stadt darauf hin, dass der Anlieferverkehr zu hohen Belastungen für Herner Anwohner führe. Bei einer Verkehrserhebung der Stadt Herne aus dem Jahr 2015 seien deutlich mehr Nutzfahrzeuge gezählt worden als 2017 vom Gutachter für die Deponieerweiterung.

„Nach Ansicht der Stadt wird heute ein Großteil des Lieferverkehrs der Zentraldeponie über die Anschlussstelle Herne-Wanne der A 42 und damit im weiteren Verlauf über die Recklinghauser Straße und die Dorstener Straße abgewickelt“, heißt es in der Stellungnahme. Der Verkehrsgutachter für die Deponieerweiterung behaupte zwar, dass der zu erwartende zusätzliche Lkw-Verkehr im Wesentlichen die Wiedehopfstraße zur A 2 nutzen werde. „Eine Gewährleistung dafür besteht aber nicht“, so die Stadt. Vielmehr sei zu befürchten, dass der durch das beantragte Vorhaben zusätzliche Transportverkehr ebenfalls zu Lasten der Recklinghauser und Dorstener Straße gehe. Dies erschwere auch die Einhaltung der zulässigen Stickstoffdioxidwerte.