Herne. . Ab Sommer ziehen sich in Herne alle Gymnasien und zwei Realschulen aus der Inklusion zurück. Das stößt bei Verantwortlichen auf scharfe Kritik.
Der Ausstieg aller Herner Gymnasien aus der Inklusion sorgt für Ärger. Schulleiter anderer Schulformen fühlen sich im Stich gelassen. „Ich finde das grundsätzlich nicht in Ordnung“, sagt etwa Katharina Rodermund, Leiterin der Gesamtschule Wanne-Eickel. „Das ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe“, meint sie. Ab dem kommenden Schuljahr ist ihre Gesamtschule eine von nur noch fünf weiterführenden Schulen in Herne, die neben den Förderschulen das „Gemeinsame Lernen“ umsetzen werden.
In einem Runderlass zur Neuausrichtung der Inklusion hat das NRW-Schulministerium im Oktober 2018 das „Gemeinsame Lernen“ stark eingeschränkt. Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf werden dann nur noch an so genannten Schwerpunktschulen unterrichtet. Neben allen Gymnasien werden auch die Realschulen Sodingen und Strünkede aus der Inklusion aussteigen. Schwerpunktschulen sind dann ab Sommer die Realschulen Crange und An der Burg sowie die drei Gesamtschulen Wanne-Eickel, Mont-Cenis und Erich-Fried.
Drei Förderkinder pro Klasse
Diese sollen laut Erlass drei statt bisher zwei Förderkinder pro Klasse aufnehmen. Für die Gesamtschule Wanne-Eickel bedeutet das zum Beispiel 18 neue Förderschüler in sechs Klassen. „Wir werden diesen Schülern gar nicht mehr gerecht“, fürchtet Schulleiterin Katharina Rodermund. „Die Schüler gehen in der Masse einfach unter.“ Die Idee der Inklusion sei ja gut, aber „die Umsetzung ist an allen Schulen eine Katastrophe“. Nun hofft sie, dass sie wenigstens entsprechend mehr Lehrer bekommen, aber Sonderpädagogen seien Mangelware.
Auch Schuldezernentin Gudrun Thierhoff hält den Runderlass der Landesregierung für inhaltlich falsch. „Dass man hier nun einen Cut macht, kritisiere ich sehr.“ Einzelne Schulformen auszunehmen, sei der falsche Schritt. Am Gymnasium Eickel sei beispielsweise eine sehr hohe Expertise vorhanden.
Einstieg in die Inklusion war zu schnell
Aber das sei nun alles nichts mehr wert. Für sie sind die Ursachen klar: „Der Einstieg in die Inklusion war zu schnell“, sagt sie. „Wenn man nicht die ausreichenden personellen Ressourcen hat, muss man diesen Plan kleiner schrauben“, sagt die Schuldezernentin. Man hätte in 10/15 Jahren gewisse Standards aufbauen sollen. Wie es nun abläuft, findet sie „sehr bedauerlich“.
Reiner Jorczik, Schulleiter der Realschule Crange, ist verärgert, dass die Gymnasien sich aus der Inklusion für geistig- und lernbehinderte Kinder rausziehen und fragt: „Wieso sind die Gymnasien raus? Haben wir nicht alle die Aufgabe, das zu tragen?“ Das könne er nicht so einfach hinnehmen. „Man kann nicht immer nur schlucken.“ Die Mehrbelastung im Alltag sei enorm. „Wie ist es, wenn wir künftig Kinder wickeln müssen?“, solche Fragen stelle sich das Personal. Die Probleme, die die Kinder mitbrächten, seien riesig.
Bündelung des Personals
Dabei betont Jorczik, dass sie die erste Schule gewesen seien, die sich dem Thema Inklusion gestellt hätten. Mit kleineren Klassen, weniger Förderkindern und entsprechend guter Beschulung. „Die Entwicklung wurde dann leider immer schlechter.“ Nach der Bündelung der Kinder müsse es nun auch eine Bündelung des Personals geben und die Klassen wenigstens unter 30 Kindern „klein“ bleiben. Dann hätte er einen kleinen Hoffnungsschimmer.