herne. . Für Grundschulen liegen alarmierende Zahlen über den Nichtschwimmer-Anteil vor. Ein von der SPD angeregtes Projekt wird nicht zum Tragen kommen.
Das Thema „Schwimmunterricht an Grundschulen“ schlägt Wellen: Weil immer weniger Kinder nach der vierten Klasse schwimmen können, sehen Verwaltung, Politik und Schulaufsicht Handlungsbedarf. Das von der SPD vorgeschlagene Pilotprojekt - Unterstützung des Schwimmunterrichts durch externe Fachkräfte - wird allerdings vorerst nicht zum Tragen kommen.
In NRW sei die Aufsichtspflicht von Lehrern im Schwimmunterricht zwingend vorgeschrieben, erklärte Schulamtsleiter Klaus Hartmann am Donnerstagabend im Schulausschuss. Deshalb sei dieses in Bremen praktizierte Modell hier nicht möglich.
Viele Viertklässler können noch nicht schwimmen
Dass etwas geschehen muss, stand für die Mitglieder des Schulausschusses außer Frage - erst recht nach einem Bericht von Schulamtsdirektorin Andrea Christoph-Martini. Der Anteil der Nichtschwimmer bewege sich je nach Grundschule zwischen 8 und 75 Prozent, sagte sie unter Berufung auf eine Abfrage in allen Schulen. Bei den aktuellen Viertklässlern reiche die Bandbreite von 9 bis 59 Prozent.
Grundschulen, die ein eigenes Lehrschwimmbecken hätten, schnitten in der Regel besser ab. So könnten in der Regel alle Kinder der Grundschule Pantrings Hof nach der vierten Klasse schwimmen. Bei Schulen ohne eigenes Becken habe eine Schwimmstunde wegen des großen Aufwands bisweilen nicht mehr als 20 Minuten.
Aufschlussreiche und zumindest auf den ersten Blick positive Zahlen präsentierte auch die Stadt: Die Kapazitäten zur Erteilung des laut Lehrplan für Grundschulen geforderten Schwimmunterrichts reichten in Herne rein rechnerisch bis 2023 aus, erklärte Klaus Hartmann. Das habe eine im Auftrag des Schulausschusses durchgeführte Untersuchung der Verwaltung ergeben.
Ärger um Lehrschwimmbecken
Dass Theorie und Praxis nicht immer einhergehen, wurde durch eine Anfrage von Jörg Höhfeld deutlich. Der Grüne berichtete unter Berufung auf Schwimmvereine, dass sechs Lehrschwimmbecken ausgerechnet seit Schuljahresbeginn am 23. August wegen Wasserkontrollen gesperrt seien. „Warum führt man diese Arbeiten nicht in den Ferien durch?“, so Höhfeld.
Die Arbeiten würden eigentlich in den Sommerferien durchgeführt, erklärt die Stadt am Freitag auf Anfrage der WAZ. Wegen der guten Auftragslage der Fachfirmen sei es aber zu Terminverzögerungen gekommen, so Stadtsprecher Christoph Hüsken. Eine Öffnung dürfe aber erst nach Vorliegen der schriftlichen Ergebnisse der Wasseruntersuchung erfolgen.
Die Stadt bedauere die Verzögerung, aber: „Eine optimale Wasserqualität und die damit einhergehende Gesundheitsfürsorge hat jedoch die höchste Priorität.“
Auch DLRG und Vereine sind betroffen
Immerhin: Seit Donnerstag seien drei Becken (Kolibrischule an der Flottmannstraße, Otto-Hahn-Gymnasium, Görresschule) wieder geöffnet. In der nächsten Woche würden auch die anderen drei derzeit geschlossen Becken (Grundschulen Börsinghauser Straße und Michaelstraße, Hans-Tilkowski-Schule) wieder freigegeben.
Vereine und die DLRG sind von den vorübergehenden Schließungen der Lehrschwimmbecken ebenfalls betroffen. „So etwas kommt häufiger vor“, sagt DLRG-Sprecherin Daniela Tuttass. Und: Nicht immer erführen sie von der Stadt den Grund für Schließungen. Für die DLRG seien diese Zwangspausen nicht nur wegen des Ausfalls der Schwimmstunden ärgerlich: Sie müssten Eltern auch Geld zurückerstatten. In Herne fehlten grundsätzlich Becken für Schwimmkurse, so Tuttass’ Einschätzung.
Zurück zu den Grundschulen: Andrea Christoph-Martini berichtet, dass nicht alle Schulen die ihnen zustehenden Schwimmzeiten nutzen. Außerdem habe sie festgestellt, dass es eine ungleiche Verteilung der Sport- und Schwimmlehrer gebe. Hier würden schon im nächsten Halbjahr Verschiebungen vorgenommen, kündigte die Schulamtsdirektorin an.
Mit Schulschwimmen allein ist es nicht getan
Sie warnte im Ausschuss vor zu hohen Erwartungen: „Man kann nicht davon ausgehen, dass alle Kinder in der Grundschule schwimmen lernen.“ Mit dem Schwimmunterricht in der Schule allein sei es meistens nicht getan. Das sei wie bei anderen Schulfächern auch: „Alles, was man nicht übt, wird am Ende nichts.“ Insbesondere die Eltern hätten hier eine Verantwortung.
Im Schulausschuss herrschte Konsens darüber, dass größere Anstrengungen als bisher notwendig seien, um mehr Kindern das Schwimmen beizubringen. „Wir entwickeln uns zu einer Gesellschaft der Nichtschwimmer“, sagte Uwe Scholle, Vertreter der Realschulen. Es gebe aber auch positive Ansätze. So habe es eine gemeinsame Schwimm-Arbeitsgemeinschaft von Pestalozzi-Gymnasium und Realschule Sodingen (Scholles ehemalige Schule) für jeweils 30 Kinder gegeben. „Am Ende konnte alle schwimmen.“ Im normalen Schwimmunterricht seien Lehrer mit Gruppen von 30 Kindern dagegen einfach überfordert.
Schulrat Rainer Ruth, zuständig für Förder- und Hauptschulen in Herne, verwies auf das Landesprojekt „NRW kann schwimmen“, das Kinder zum „Seepferdchen“ führe. Herner Schulen fehlten leider die Partner. DLRG und die Vereine hätten zu wenig Lehrkräfte, um hier zusätzlich tätig zu werden, so Ruth.
>> INFO: Rat beschloss Aus für zwei Schulbecken
Nicht nur in den sechs Lehrschwimmbecken, sondern auch im Wananas und im Südpool findet Schulschwimmen statt.
Zwei Lehrschwimmbecken (Claudiusstraße, Erich-Fried-Gesamtschule) sind nach Ratsbeschlüssen geschlossen worden. Die Wiedereröffnung des Wananas bedeutete 2016 zudem das Aus fürs Hallenbad Eickel.