Herne. . Norbert Bartsch demonstrierte gegen die NPD und Franz Josef Strauß. Beim Rudi-Dutschke-Besuch wollte er nicht fotografiert werden.

„Ich bin nur ein Mitläufer gewesen“, sagt Norbert Bartsch bescheiden. 1968 war er 18, und heute ist er 68. Und auch, wenn er nur in der zweiten Reihe gestanden haben mag, als die Polizei 1969 mit Wasserwerfern gegen Demonstranten vorrückte, die am Herner Rathaus gegen die NPD protestierten, Bartsch war ein Kind der 68-er-Aufbruchs und ist es bis heute geblieben.

Norbert Bartsch
Norbert Bartsch © Jürgen Theobald (theo)

Bartsch war damals in der Gewerkschaftsjugend aktiv. „Wir strebten eine radikale Politisierung der Ausbildungszeit an“, erinnert sich Bartsch in einem Artikel des Herner Stadtmagazins. Es sei viel gestritten worden, auch über die Revolution und oft an den gesellschaftlichen Verhältnissen vorbei. Ein Hauptthema sei der Vietnam-Krieg gewesen, „gleichzeitig liefen wir aber in grünen Parkas der US-Armee herum.“

„Meine wichtigste Zeit war 1969“, erzählt Bartsch im Gespräch mit der WAZ. „Ich war Auszubildender bei der Herner Stadtverwaltung im dritten Lehrjahr. Ich hatte Kontakt zu Studenten und fuhr zu einer Anti-Vietnamkrieg-Demo nach Bochum. Später war ich auch bei einem Springer-Boykott in Essen dabei, als wir die Herausgabe von Bild-Zeitungen blockierten.“ Da habe er allerdings Anzug und Krawatte getragen.

„Ich las Tucholsky irre viel. Was er schrieb, war einfach und klar. Die Gesellschaft war muffig, eingeengt und doppelzüngig. Es fing bei der Kleidung an und reichte bis zur Sexualität.“

In seiner Jugend hatte Bartsch Probleme, sich auszudrücken, er war starker Stotterer. „Die Studenten haben mich damals zum Sprechen gebracht.“ Wohl im doppelten Sinne.

Als Studentenführer Rudi Dutschke im Frühjahr 1968 nach Wanne-Eickel kommen wollte und am Ende in Wattenscheid landete, weil die Herner Stadtväter Angst vor Randale hatten, war Bartsch – selbstverständlich – auch mit dabei. „Meine Mutter durfte das auf keinen Fall wissen, der habe ich erzählt, ich nehme an einer Arbeitsgruppe teil.“

Seine Mutter sei der Meinung gewesen, Dutschke sei ein Langhaariger, der alles kaputt machen wollte, was die Deutschen aufgebaut hätten. „Es war ein regnerischer Tag. Vor der Stadthalle war alles voll. Ich habe mich drinnen in die letzte Reihe gestellt. Ich wollte nicht, dass ich später auf einem Foto zu erkennen war, damit mich keiner von der Familie und der Stadtverwaltung erkennt. Dutschke hatte sein Stakkato drauf, redete kompliziert, benutzte viele Fremdwörter.“

Zuerst in der ÖTV-Jugend aktiv, trat er auch dem Republikanischen Club beim, der sich zuerst in einer Wirtschaft an der Bochumer Straße und später über einer Backstube traf. Es sei viel über politische Themen diskutiert worden, über den Prager Frühling 1968 etwa: „Eine kirchliche Gruppe wäre für mich keine Alternative gewesen. Da wurde nur Tischtennis gespielt, es gab eine Minigolfgruppe und einen Tanzabend.“ Da fuhr er lieber auf eine Demo gegen Franz Josef Strauß in Bochum, 1969 war das. „Wir versuchten zu stören, doch lief Strauß erst recht zu seiner Höchstform auf. Der brauchte das regelrecht.“