herne. . Sie selbst sieht sich als „Kessel Buntes“. Mit der JKS möchte Sylvia Steffan alle Schichten erreichen - und geht dafür auch neue Wege.
Sie ist die neue Frau an der Spitze der Jugendkunstschule Wanne-Eickel . Nach vielen Jahren als Kinder- und Jugendschutzbeauftragte der Stadt Herten hat Sylvia Steffan Anfang Januar die langjährige JKS-Leiterin Barbara Borosch abgelöst. WAZ-Redakteurin Ute Eickenbusch sprach mit ihr über Kinder, Kultur und Konzepte.
Frau Steffan, Jugendschutz und Jugendkunstschule: Wie passt das zusammen?
Ich habe Sozialpädagogik studiert und mit einer Diplomarbeit zum Thema Kinder- und Jugend-Kulturarbeit abgeschlossen. Während des Studiums habe ich schon im Bürgerhaus Herten-Süd gearbeitet, bin da direkt schon in kreative Projekte gekommen, von Theater- und Tanzprojekten bis hin zur Bilderbuchgestaltung. Unter anderem habe ich eine Kinderkulturwoche durchgeführt, mit 100 Kindern pro Tag.
Also hat die Kultur immer schon eine Rolle gespielt?
Der Schwerpunkt lag in meinem beruflichen Leben, aber auch im Privaten, immer schon auf dem Bereich Kultur. Das Bürgerhaus ist irgendwann zur „Jugendkunstschule“ geworden, und ich habe da später noch freiberuflich als Dozentin unterrichtet. Aber auch die präventiven Themen wurden immer mit kulturpädagogischen Methoden umgesetzt, z.B. mit Theaterstücken in der Suchtprävention. Das war immer Teil der Arbeit.
Mit welchen Ideen sind Sie in Wanne-Eickel angetreten?
Erst mal war es wichtig, alles kennenzulernen. Ich habe eine hohe Qualität vorgefunden – Chapeau an Barbara Borosch! Dann habe ich mir die Standorte angeguckt. Eine Vision habe ich auf jeden Fall. Ich würde gerne innerhalb der Einrichtung noch einmal das Netzwerk anders gestalten.
Wie kann man sich das vorstellen?
Wir werden im Sommer einen Klausurtag miteinander verbringen, da sehen wir uns auch eine andere kulturpädagogische Kinder- und Jugendeinrichtung an, im „U“ in Dortmund. Meine erste größere Idee wäre zu gucken, dass alle Standorte und alle Genres ein gemeinsames Projekt auf die Beine stellen, ich nenne das mal eine gemeinsame „Show“. Was noch dazu gehört, ist das Thema Marketing, also die JKS noch mal mehr in den Fokus der Öffentlichkeit zu rücken.
Woran denken Sie?
Wir sind jetzt bei Instagram seit Anfang des Jahres. Facebook gab es, das wurde immer mal ein bisschen bedient, das ist jetzt anders. Wir haben jetzt über 900 Kontakte, gestartet sind wir mit 140. Aber die sozialen Netzwerke sind das eine. Das andere sind Kontakte. Ein Beispiel: Wir werden an unserem Stand beim Kulturfestival an diesem Wochenende u.a. Seifenschnitzerei anbieten. Dann habe ich beim Wananas angerufen, und von denen bekommen wir jetzt Quietsche-Entchen für unseren Waschsalon. Dafür legen wir Prospekte vom Wananas aus. Eine Hand wäscht die andere.
Stichwort Digitalisierung: Gucken die Kinder heute lieber auf Bildschirme als auf einen Zeichenblock?
Ja, kann man so sagen, das ist nicht mehr wegzudenken. Aber so ein Smartphone ist ja erst mal ein Arbeitswerkzeug. Der Bund hat viel Geld ausgegeben, um die Schulen digitaler zu gestalten, aber das Geld reicht nicht. Vielleicht ist das aber auch ganz schön und entspannend, wenn Kinder und Jugendliche auch wirklich Frei-Zeiten haben, was Medien angeht. Und die haben sie natürlich bei uns in den Einrichtungen. Wir machen auch Fotos oder eine Slide Show von Exponaten. Oder wir haben jetzt mit der Gesellschaft freie Sozialarbeit (GfS) und der Gesamtschule Mont Cenis ein Projekt namens „Knips“. Da geht es um das Thema Selfies. Digitalisierung ist erst mal völlig in Ordnung, aber sie braucht ein Gegengewicht. Dazu gehören die kulturellen Angebote, dass ich meinen Körper spüren kann, auch haptische Eindrücke, mit beiden Händen zu arbeiten, mich auch mal fallenzulassen in einen Flow mit Farbe – das finde ich total wichtig. Peter Struck, ein Erziehungswissenschaftler aus Hamburg, sagt ganz klar: Die weichen Fächer wie Tanz, Theater, Musik und Gestaltung sind extrem wichtig. Den Kindern viele Möglichkeiten des Ausdrucks anzubieten, auch in Gemeinschaft.
Kommt das noch gut an?
Absolut. Kinder oder Jugendliche haben oftmals einen sehr vollen Stundenplan durch G 8 oder durch Ganztagsbetreuung. Die Taktung ist eine ganz andere als in der Kindheit unserer Generation. Muße haben zu dürfen, sich vielleicht mal zu langweilen und dann auf eine kreative Idee zu kommen, finde ich total wichtig. Diese Generation hat große Themen – Klima, Wasser, Grenzen … Die Resilienz, also die Widerstandsfähigkeit, muss auf jeden Fall durch kunstpädagogische Angebote gefördert werden.
Erreichen Sie mit Ihren Angeboten eigentlich alle Schichten, so wie es mal der Ursprungsgedanke der Jugendkunstschulen war?
Das gelingt. Dadurch, dass wir Projekte mit den Kitas und den Schulen durchführen, erreichen wir sie alle. Wir arbeiten mit allen Schulformen zusammen, von der Förderschule bis zu den Gymnasien. Wir versuchen wirklich, ein breites Spektrum anzusprechen. Klar, die Eltern, denen Kunst und Kultur näher sind, möchten ihre Kinder fördern, aber denken Sie an „Jekits Tanzen“, da erreichen wir alle.
Mit welchen Kulturveranstaltungen erreicht man Sie?
Erst am Donnerstag hab’ ich in Dortmund eine Fotografie-Ausstellung von Alexandra Breitenstein besucht und einen Bilder-Vortrag über private Schwimmbäder. Ich gehe auch gerne zu Literaturveranstaltungen. Letzten Samstag war ich bei einer großen Party, die hat ein befreundeter DJ im JunkYard in der Nordstadt zugunsten der Krebsstiftung organisiert. Ich finde offene Ateliers interessant, geh’ aber auch ins Konzerthaus oder gucke mir ein Theaterstück an. Ich bin so ein „Kessel Buntes“. Ich gehe zur Ruhrtriennale, finde aber auch Underground-Geschichten total spannend.