herne. . Klare Kante zeigte Norbert Arndt bei der Verdi-Ortskonferenz. Der Sekretär forderte eine Erneuerung der Gewerkschaften und warnte vor Rechts.

Von einem Generationswechsel sprach Norbert Arndt nach der Wahl des neuen Ortsvorstandes von Verdi am Montagabend. Eines dürfte sich aber nicht geändert haben: Verdi-Sekretär Arndt ist in Herne nach wie vor der starke Mann der Dienstleistungsgewerkschaft und scheut sich nicht vor klarer Kante - so auch in seiner knapp halbstündigen Rede in der Delegiertenversammlung im Awo-Haus Breddestraße.

Beate Wycislok löste Werner Fiedler an der Spitze des Verdi-Ortsvorstandes Herne ab.
Beate Wycislok löste Werner Fiedler an der Spitze des Verdi-Ortsvorstandes Herne ab.

In den Mittelpunkt stellte der 62-Jährige den Appell, dass sich Verdi und die Gewerkschaften stärker als bisher gegen die AfD und den Rechtsruck in der Gesellschaft zu positionieren. Auch Gewerkschaften seien nicht immun gegen diese „größte Gefahr unserer Tage“: Der „rechte Wind“ lasse Betriebe und Verwaltungen nicht aus. Rechtspopulisten und Neonazis seien dabei, für sich die „soziale Frage“ zu entdecken und bei Betriebsratswahlen aktiv zu werden. In Herner Betrieben sei das noch nicht zu beobachten - die Betonung liege auf „noch“, so Arndt.

Entpolitisierung der Gewerkschaftsarbeit

Auf die neuen Herausforderungen seien Verdi, die Gewerkschaften und der DGB nur unzureichend vorbereitet. Seit Jahren sei eine zunehmende Entpolitisierung sowie ein Traditionsverlust in der betrieblichen und örtlichen Gewerkschaftsarbeit zu beobachten, so Arndt. Die Gewerkschaften müsste sich auf ihre Traditionen besinnen, Kräfte bündeln und eine neue Erzählung von einer sozial gerechten Gesellschaft entwickeln.

Sehr kritisch setzte sich Arndt auch mit der Politik auseinander. Das Ministeramt für Jens Spahn sei ein Zugeständnis an jene Kräfte in der Union (und im Unternehmerlager), die durch einen reaktionären Rechtskurs die AfD überflüssig machen wollten. Und wenn das nicht funktioniere, werde die CDU-Riege um Spahn und Paul Ziemiak Rechtspopulisten wie in Österreich die FPÖ salonfähig machen wollen.

Die SPD erweise sich „leider überall als Hemmschuh eines linken Gegenprojekts“ und leide unter Bedeutungsverlust, sagte SPD-Mitglied Arndt. Und selbst in der einstigen SPD-Hochburg Herne „kracht es im Gebälk“. Aber ohne oder gegen die Sozialdemokratie gehe es auch nicht. Die kurze Hochphase unter Martin Schulz habe gezeigt, „was ein radikaler Richtungswechsel der SPD azuslösen vermag“, so der Verdi-Sekretär.

Arndt sieht in Herne viele „abgehängte“ Einwohner

Die Schwächen der Volksparteien und die zunehmende Stärke der Rechten beträfen auch Herne. Dass die Stadt sich nicht unter der Käseglocke befinde, könne an den Ergebnissen der AfD bei der Kommunalwahl in Stadtteilen wie Röhlinghausen und Horsthausen abgelesen werden.

Es mache keinen Sinn und würde Rechten Wasser auf die Mühlen treiben, wenn bestimmte Themen der Kommunalpolitik diplomatisch umschifft würden. Fakt sei, dass viele Bewohner inzwischen sozial, kulturell und politisch abgehängt seien, so Arndt unter Verweis auf Kinderarmut und die hohe Langzeitarbeitslosigkeit, auf Tafel und Kleiderkammern sowie auf den steigenden Anteil an Rentnern mit Grundsicherung.

Seitenhieb auf die SPD-Fraktionsspitze

Der Verdi-Mann lobte ausdrücklich den an der Ortskonferenz teilnehmenden Oberbürgermeister (und früheren SPD-Fraktions-Chef) Frank Dudda. Die SPD-Fraktion griff er jedoch an: Der regelmäßige Austausch mit der SPD-Fraktionsspitze sei nach Duddas Wechsel „völlig verludert“. Und der Arbeitnehmerempfang des OB gleiche mehr „einem Bankett der gewerkschaftlichen Seniorenausschüsse“ als einem lebendigen Austausch zwischen Verwaltung, Politik und betrieblich Aktiven - was aber nicht Duddas Schuld sei, betonte Arndt.

Der neue Herner Verdi-Ortsvorstand.
Der neue Herner Verdi-Ortsvorstand.

Zum Schluss seine Rede wurde der Verdi-Sekretär etwas versöhnlicher. Dies sei seine letzte Ortskonferenz gewesen, sagte er. Hintergrund: Der 62-Jährige wird im Frühjahr 2019 nach 48 Arbeitsjahren in den Ruhestand gehen. Man werde aber auch künftig noch von ihm hören, kündigte Arndt an. Doch wenn er mal den Löffel abgegeben habe, dann sollte frei nach Karl Kraus auf seinem Grabstein geschrieben stehen: „Er hat oft übers Ziel hinausgeschossen, aber selten daneben.“