herne. . 135 Minuten hat die SPD im Volkshaus Röhlinghausen über die Große Koalition diskutiert. Die Entscheidung treibt die Herner Basis um.

Für oder gegen die Große Koalition – die SPD-Mitglieder stehen vor einer historischen Entscheidung. Wie zerrissen die Basis ist, ist am Dienstagabend beim SPD-Mitgliederforum im Volkshaus Röhlinghausen deutlich geworden. Mit rund 90 Genossen und einigen interessierten Bürgern diskutierte die Partei öffentlich über die aktuelle Situation. Im Fokus der emotionalen Debatten: der GroKo-Vertrag und das Chaos in der Parteispitze.

Auch in kleinen Gruppen wurde im Volkshaus diskutiert. Vorne links: Jan Boneberger.
Auch in kleinen Gruppen wurde im Volkshaus diskutiert. Vorne links: Jan Boneberger.

Das Dilemma, vor dem die Mitglieder stehen, zeigte sich beispielhaft in den Beiträgen von zwei Sozialdemokraten. Er sei „eher für die GroKo“, sagte Jan Boneberger vom Ortsverein Röhlinghausen. Aber: „Ich ringe jeden Tag mit mir darüber, wie ich abstimmen werde.“ Die Parteiführung habe es ihm in den letzten Tagen sehr schwer gemacht: „Trotz aller Beteuerungen: Ministerämter waren wichtiger als Inhalte.“ Die GroKo sei aber immer noch die beste aller schlechten Optionen für die SPD. Die CDU interessiere sich dagegen nicht für den GroKo-Vertrag sondern bekalge nur: „Oh, sie haben uns das Finanzministerium weggenommen.“

Briefwahl für Mitglieder beginnt in Kürze

Hendrik Bollmann, SPD-Vize in Herne, tendiert dagegen zu einem Nein. „Für das Staatswohl brauchen wir nicht nur eine funktionierende Regierung, sondern auch ein funktionierendes Parteiensystem“, sagte er. Dieses sei aber offenbar in Auflösung.

Am Freitag, 16. Februar, will die Herner SPD im Gysenberg zum zweiten Mal öffentlich über die GroKo diskutieren - wie am Dienstag im Volkshaus in kleineren Diskussionsgruppen und -foren.

Die Briefwahl für die rund 1900 Herner Mitglieder (darunter 55 Neumitglieder) beginnt dann wie für alle Genossen in der kommenden Woche. Am Sonntag, 4. März, wird die SPD die Stimmzettel in Berlin auszählen und das Ergebnis verkünden.

Parteichef setzt nun auf Inhalte

Parteichef Alexander Vogt (re.).
Parteichef Alexander Vogt (re.).

„Das ist das demokratischste Verfahren“, sagte Parteichef Alexander Vogt zu Beginn der Volkshaus-Veranstaltung. Und: Der Rückzug von Martin Schulz sei richtig gewesen: „Nun können wir uns auf Inhalte konzentrieren.“

Dass dies in diesen Tagen für die SPD nicht mehr als ein frommer Wunsch ist, zeigte sich wenige Minuten später. Alt-Oberbürgermeister Wolfgang Becker teilte Vogt mit, dass der SPD-Bundesvorstand soeben die Notbremse gezogen und Olaf Scholz zum kommissarischen Parteichef ernannt hat. Und auch die neuen Umfragewerte der SPD waren im Volkshaus immer wieder ein Thema.

Vom Ja mit Magenschmerzen bis zum klaren Nein

Vom kompromisslosen Nein zur GroKo bis hin zum flammenden Appell für ein Ja zur Regierungsbeteiligung – dieses breite Spektrum hat sich beim SPD-Mitgliederforum im Volkshaus offenbart.

„Es fällt mir schwer, mich zur SPD zu bekennen und zu sagen: Das ist mein Laden“, sagte Stephan Thiemann. Der ehemalige Falken-Geschäftsführer, Mitglied seit 2005, geißelte u.a. die „flüchtlingsfeindliche“ Politik und beklagte, dass Kinderarmut nicht wirklich bekämpft würde.

Jungsozialist Benjamin Grabowski will für die GroKo stimmen - „schweren Herzens“. Das sei „die letzte Chance für die altehrwürdige sozialdemokratische Partei“.

Ratsherr Gerhard Wippich aus Wanne-Süd warb eindringlich für ein Ja zur GroKo. Im Vertrag sei das derzeit Mögliche herausgeholt worden. Wippich: „Wenn wir ablehnen, ist die gesamte Parteiführung weg. Wollen wir das?“ Und bei Neuwahlen würde die SPD noch schlechter abschneiden als im September 2017.

Ja, lautete Carsten Bielefelds Antwort. „Der gesamte Vorstand gehört komplett weg“, forderte der Genosse und Unternehmer unter Verweis auf das Versagen der Parteispitze. Und: Wenn Andrea Nahles zur Vorsitzenden gewählt würde, wäre das eine Bankrotterklärung für die Partei.

„Was da in de Parteispitze abgelaufen ist - das geht ja gar nicht“, fand auch Reinhard Riesner. Eine Erneuerung tue Not. Trotzdem kam der parteilose 69-Jährige zu dem Schluss: „Die Mitglieder müssen für die GroKo stimmen.“