herne. . Viele Menschen können wegen der hohen Energiekosten ihre Stromrechnung nicht zahlen. Was Stadtwerke, Schuldnerberatung und Jobcenter dazu sagen.

Sich mit heißem Wasser waschen, Kaffee kochen, abends das Licht einschalten – alles selbstverständlich. Aber: Die Preise für die Energieversorgung steigen kontinuierlich, so dass es für Menschen mit wenig Geld immer schwieriger wird, die Kosten zu tragen. 2016 wurden laut Bundesnetzagentur in Deutschland mehr als 328 000 Anschlüsse abgeklemmt, weil Menschen Rechnungen nicht begleichen können. Auch in Herne ist dies ein ernstes Thema.

Im vergangenen Jahr gab es bei den Stadtwerken, dem größten Stromanbieter in Herne, 14 700 Sperraufträge. Tendenz: steigend. „Zum Glück führt nicht jeder Sperrauftrag tatsächlich zum Abklemmen des Stroms“, sagt Hendrik Peuser von der Unternehmenskommunikation der Stadtwerke.

Bis es soweit komme, gehe ohnehin erstmal Zeit ins Land. Die normale Rechnung gehe mit einem Zahlungsziel von 14 Tagen raus. „Danach kommt die Zahlungserinnerung, die einem einen Puffer von vier Wochen gibt.“ Erst wenn dann keine Zahlung eingegangen sei, erfolge der Sperrauftrag. Bis der Monteur ausrückt, dauere es noch einmal rund zwei Wochen. „Drei Tage vorher bekommt der Schuldner noch eine Sperrankündigung“, so der Stadtwerke-Mitarbeiter.

Stromkosten stiegen um 70 Prozent

Wer die Sperrung verhindern wolle, müsse entweder die Rechnung begleichen oder Kontakt zum Energieversorger aufnehmen. „Es gibt immer die Möglichkeit, ins Gespräch zu kommen, eine Ratenzahlung zu vereinbaren oder eine andere Lösung zu finden“, so Peuser. Die Stadtwerke trügen auch eine gewisse soziale Verantwortung.

Dem Appell, sich rechtzeitig Hilfe zu suchen, schließt sich Anwalt Christoph Hytroski von der Schuldnerberatung Herne an. „Wir arbeiten eng mit den Stadtwerken zusammen.“ Pro Jahr führt er 1700 Beratungsgespräche mit Menschen in finanziellen Nöten. „Das Problem mit den hohen Energiekosten besteht schon seit 2005 und hat sich seitdem enorm verschärft“, sagt er. Der Strompreis sei überproportional angestiegen.

In Zahlen: 2001 kostete die Kilowattstunde 13,5 Cent, 2016 bereits 29,16 Cent. Das entspricht einer Steigerung von 70 Prozentpunkten. „Das ist mit den Regelsätzen bei Hartz IV nicht zu leisten“, so Hytroski. Das Ungleichgewicht zwischen Sozialleistungen und realen Energiekosten sei enorm.

Handy wird in Schuldnerberatung aufgeladen

Zur Schuldnerberatung kämen immer häufiger Menschen, deren einziger Gläubiger der Energieanbieter sei. „Viele helfen sich über ihr soziales Netzwerk, nutzen ihre Wohnung nur noch zum Schlafen“, so Hytroski. Er sehe regelmäßig Menschen, die in der Schuldnerberatung beim Warten auf ihren Termin ihr Handy laden. „Die Anpassungen der Sozialleistungen müssten realistischer und zeitnaher sein, wenn man hier entgegensteuern möchte“, kritisiert der Rechtsanwalt.

Karl Weiß, ist Geschäftsführer des Herner Jobcenters.
Karl Weiß, ist Geschäftsführer des Herner Jobcenters. © Rainer Raffalski

Stadt und Arbeitsbehörden hätten keinen Einfluss auf die Höhe der Hartz IV-Sätze, sagt Karl Weiß, Geschäftsführer des Jobcenters Herne. „Wir versuchen immer zu helfen, damit es nicht zum Abstellen des Stroms kommt“, betont er. Wenn die Notsituation mitgeteilt werde, finde sich eigentlich immer eine Hilfestellung – in Form einer Überbrückung oder eines Darlehens. „Wir konnten schon oft einspringen.“