Duisburg. . Jedes Jahr klemmen Versorger Tausende Stromanschlüsse ab, weil die Rechnung nicht bezahlt wurde. Besonders betroffen sind Hartz-IV-Empfänger.

Plötzlich geht das Licht aus. Der Herd bleibt kalt, der Kühlschrank warm. Jemand, der die fälligen Rechnungen länger nicht bezahlt hat, hätte das ahnen können, hat aber vielleicht auch die Mahnbriefe nicht geöffnet. Und nun hat der Stromversorger den Anschluss abgeklemmt.

Wer sich in dieser Situation nicht selbst zu helfen weiß, der findet Hilfe bei Hans-Peter Hiedels. Der Sozialarbeiter ist Schuldnerberater der Caritas in Duisburg und kennt die Sorgen der Menschen, bei denen sich die Mahnungen stapeln. Rund 100 Beratungsfälle bei Strom- und Mietschulden hatten er und seine Kollegen der Caritas im vergangenen Jahr.

Caritas: Sozialhilfe reicht nicht

„Überwiegend betroffen sind Hartz IV-Bezieher“, sagt Hiedels und bestätigt damit die Ergebnisse einer Studie, die der Deutsche Caritasverband 2017 in Zusammenarbeit mit dem Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung erstellt hat. Darin steht: Wer Grundsicherung bezieht, bei dem ist die Gefahr einer Stromsperre „signifikant erhöht“.

Als Grund nennt der Sozialverband, dass der Stromanteil in den Regelleistungen zu niedrig angesetzt sei. Nämlich so gering, dass die Kosten selbst dann nicht gedeckt seien, wenn „man den persönlichen Energieverbrauch auf ein niedriges Niveau absenkt“.

Alte Geräte als Stromfresser

Aus seinem Arbeitsalltag kennt Hiedels noch andere Faktoren. So könnten alte Haushaltsgeräte als Stromfresser den Verbrauch in die Höhe treiben. Hinzu komme außerdem eine „wirtschaftliche Unerfahrenheit“, wie Hiedels sie nennt. „Strom wird als Selbstverständlichkeit angesehen.“

Mal eben einen Kaffee kochen, den Handy-Akku aufladen oder durch das Fernsehprogramm zappen: Strom gehört zum Alltag und ist nicht wegzudenken. Bleibt der Bildschirm vom Computer schwarz, der Backofen kalt und die Wäsche ungewaschen, wird schnell deutlich, wie existenziell die Versorgung mit Strom heutzutage ist.

„Manche können ihren Verbrauch und die Kosten dafür nicht realistisch einschätzen“, so Hans-Peter Hiedels. Das führe dazu, dass die wichtige Stromrechnung eher liegen bleibe und stattdessen die fällige Rate für Waschmaschine oder Fernseher beglichen werde. „Das ist manchmal nicht nachzuvollziehen.“

328 000 Sperrungen bundesweit

Die Zahl der Stromsperren in Deutschland ist leicht rückläufig. Trotzdem zählten die Versorger im Jahr 2017 rund 328 000 Fälle, wie die Bundesnetzagentur zusammentrug. Die letzte NRW-weite Zählung der Verbraucherzentrale aus dem Jahr 2013 erfasste rund 92 000 Sperrungen. Allein in Duisburg klemmte der örtliche Betreiber „Netze Duisburg“ im vergangenen Jahr 5026 Anschlüsse ab.

Wieviele Personen tatsächlich von einer Sperrung betroffen sind, ist nicht zu ermitteln, wie Stephanie Kosbab von der Verbraucherzentrale NRW erklärt: „Die Netzbetreiber zählen lediglich die Anschlüsse, die gesperrt werden. Darunter fallen aber nicht nur Privathaushalte, sondern auch Gewerbe, wie etwa die kleine Pizzeria und der Kiosk um die Ecke.“

Sperren könnten verhindert werden

In den meisten Fällen bleibt es bei der Androhung einer Sperre. In 86 Prozent der Beratungsfälle bei der Verbraucherzentrale NRW konnte 2015 das Abklemmen verhindert werden, etwa durch die Vereinbarung einer Ratenzahlung neben den üblichen Abschlägen. Doch das kann nur klappen, wenn man sich rechtzeitig kümmert oder Hilfe sucht, weiß Hans-Peter Hiedels.

„Im Regelfall melden sich die Leute erst bei uns, wenn es schon zu spät ist.“ Denn ist der Strom erst einmal abgeklemmt, wird es für die Betroffenen schwierig. „Die Stromversorger schalten den Strom erst wieder an, wenn die Rückzahlung komplett da ist“, beschreibt Schuldnerberater Hiedels, „und teilweise entstehen Summen, die man kaum auffangen kann.“

Bevor Betroffene aber den Schritt zu Hans-Peter Hiedels oder einem anderen Schuldnerberater gehen, muss Einsicht vorhanden sein. „Erst wenn der Leidensdruck zu groß wird, kommen die Leute zu uns. Wer allerdings einsieht, dass er nicht klar kommt und Hilfe braucht, dem können wir auch helfen.“

Ohne Stromversorgung arrangiert

Doch der Schuldnerberater kennt auch andere Fälle. „Teilweise arrangieren sich Menschen mit dem abgestellten Strom. Die Wäsche wird dann im Waschcenter gewaschen und das Handy in der Bibliothek aufgeladen.“

Um das Bewusstsein zu schärfen, hat die Caritas in Duisburg gemeinsam mit der Stadt ein Präventionsprojekt in Schulen gestartet. „Wir wollen ein Gefühl dafür schaffen, dass Energie etwas kostet. Sie sollte nicht als selbstverständlich angesehen werden.“

>>>Wie kommt es zu einer Sperre?

Bevor der Energieversorger den Strom abstellt, muss er gesetzliche Vorschriften einhalten. Die Sperre muss vier Wochen im Voraus angedroht und drei Werktage vorher angekündigt werden.

Wer Stromschulden hat, findet u.a. Hilfe bei der Caritas und der Verbraucherzentrale.