herne. . Till Beckmann hat am Schauspiel Hamburg sein Debüt in dem Stück „Tartare Noir“ gegeben. Warum er trotzdem dem freien Theater treu bleiben will.

Im Deutschen Schauspielhaus in Hamburg geht es bisweilen blutig zu. „Tartare noir“ heißt das aktuelle Stück, in dem ein Schlachter in einem Horrorhaus sein Unwesen treibt. Ein Herner ist in der von Intendantin Karin Beier inszenierten Groteske Teil des Schlachtfests: Till Beckmann spielt in „Tartare Noir“ seine erste größere Rolle an einer renommierten deutschen Bühne.

Tills ältere Schwester Lina Beckmann gab indirekt den Anstoß für dieses Gastengagement. Der Star des Hamburger Schauspielhauses erhielt Anfang 2016 (mal wieder) eine Auszeichnung - und zwar den Ulrich-Wildgruber-Preis. Auf ihren Wunsch hielten ihre jüngeren Brüder Till und Nils Beckmann im St. Pauli Theater die Laudatio. „Wir habe eine kleine witzige Szene präsentiert. Und im Publikum saß Karin Beier“, erzählt Till Beckmann. Die renommierte Theatermacherin fand offenbar Gefallen an dem jungen Mann vom Theater Kohlenpott: Erst sprach sie Lina an, dann lud das Schauspielhaus Till zum Vorsprechen für „Tartare Noir“ ein.

Lobeshymne in der FAZ

Till Beckmann (r.) in „Der Dachs hat heute schlechte Laune“ von Theater Kohlenpott.
Till Beckmann (r.) in „Der Dachs hat heute schlechte Laune“ von Theater Kohlenpott. © Olaf Ziegler

„Ich habe ihnen den Dachs gemacht“, beschreibt Till Beckmann den Vorsprech-Termin. Heißt: Er präsentierte Szenen aus den Kohlenpott-Stücken „Tschick“ und „Der Dachs hat heute schlechte Laune“ - auch deshalb, weil er keine Zeit gehabt habe, sich vorzubereiten, erzählt der 32-Jährige frank und frei. Der Dachs überzeugte offenbar: Till B. bekam die Rolle.

Am 15. November feierte „Tartare Noir“ Premiere. Die Kritiken waren – um im Bild zu bleiben – durchwachsen, doch in der FAZ gab es eine kleine Hymne. Auch Till Beckmann erhielt Lob für seine Darstellung: „... zwei Zwillingsbrüder, die bei Till Beckmann und Paul Behrens mit überenergetischer Einfalt glänzen“.

Schlüsselerlebnis am Schauspiel Köln

„Es war und ist einfach eine tolle Erfahrung“, sagt der Hamburger Debütant. Ein Traum sei damit aber nicht unbedingt für ihn in Erfüllung gegangen. Denn: Zum „großen“ Theater habe er lange Zeit ein gespaltenes Verhältnis gehabt. Erst Karin Beiers Inszenierung des Elfriede Jelinek-Stücks „Das Werk / Im Bus / Ein Sturz“ am Schauspiel Köln im Oktober 2010 sei so etwas wie sein „Schlüsselerlebnis“ gewesen, berichtet er. „Ich war hin und weg. Das hat mich damals völlig umgehauen.“ Die Hauptrolle spielte damals übrigens eine gewisse Lina Beckmann.

Noch zweimal in dieser Spielzeit wird Till in Hamburg an der Seite von Theater-Größen wie Ernst Stötzner (einst am Bochumer Schauspielhaus, am vergangenen Sonntag als Psychiatrie-Professor im Weimar-„Tatort“) oder Yorck Dippe den einfältigen Zwilling geben, das nächste Mal am 14. Januar. Und dann? „Karin Beier hat mir mal beim Bier gesagt: Ich habe dich auf dem Zettel“, erzählt Beckmann.

Ein leidenschaftliches Plädoyer fürs freie Theater

Will er denn nun auch den Weg seiner Schwestern Lina und Maja (siehe unten) einschlagen? Es gebe mal Momente, in denen er sich die Sicherheit eines festen Engagements wünsche, sagt Till Beckmann. Und es sei sicherlich toll, beim Etat mal „so richtig auf die Kacke zu hauen“.

Doch dann schiebt der freie Künstler ganz schnell ein ebenso großes wie leidenschaftliches Aaaber hinterher. Es sei ja gerade die große Stärke des freien Theaters, mit wenigen Mitteln starke Bilder und Lösungen zu finden. Und: „Es ist einfach schön, wenn man eine Idee von Anfang bis Ende entwickeln kann. Wenn man dann auf der Bühne vor 120 jungen Menschen steht, die zum ersten Mal im Theater sind, und man bekommt mit, dass eine Idee funktioniert und man sie erreicht und begeistert hat, dann geht einem das Herz auf.“

>> INFO: Engagements, Projekte und Pläne

Eine schrecklich theatralische Familie: Engagements und Projekte der Schauspiel-Geschwister Lina, Maja, Nils und Till Beckmann.

Lina Beckmann am Deutschen Schauspielhaus in „John Gabriel Borkmann“.
Lina Beckmann am Deutschen Schauspielhaus in „John Gabriel Borkmann“. © Axel Heimken, dpa

Lina Beckmann zählt seit Jahren zu den ganz Großen in der deutschen Theater-Szene und wurde unter anderem 2011 zur „Schauspielerin des Jahres“ gekürt. Nach Engagements in Bochum, Zürich und Köln ist sie seit 2013 Mitglied im Ensemble des Deutschen Schauspielhauses Hamburg. Zuletzt feierte sie dort mit Ehemann Charly Hübner Premiere in der Romanverfilmung „Der goldene Handschuh“. Demnächst wird sie in einem Hessen-„Tatort“ zu sehen sein.

Maja Beckmann machte sich am Bochumer Schauspielhaus und als Betriebsrätin Sabine „Sabbel“ Burat in der TV-Serie „Stromberg“ einen Namen. Über das Staatstheater Stuttgart landete sie 2015 bei den Münchner Kammerspielen. Dort spielt sie aktuell u.a. in „Miranda Julys Der erste fiese Typ“.

Von der Bühne ins Referendariat

Nils Beckmann setzte gemeinsam mit Till viele Theater-, Film- und Kulturprojekte um und gehörte lange zum Theater Kohlenpott. Im April 2017 feierte er in „Tschick“ den (vorläufigen?) Abschied von der Bühne, um sein Lehramtsstudium durch ein Referendariat an einer Bochumer Schule abzuschließen.

Und Till Beckmann? Der ist fürs Jahr 2018 schon wieder voller neuer Pläne: Mit Ralf Piorr entwickelt er für die Flottmann-Hallen eine Bühnenfassung von „Die Männer von Luise“, einer jüngst im Stadtarchiv entdeckten Erzählung eines anonymen Verfassers aus der Welt des Bergbaus.

Die Spielkinder in Recklinghausen

Mit dem Theater Kohlenpott wird Till Beckmann unter der Regie von Frank Hörner im Frühjahr 2018 den Roman „Funny Girl“ des Neuseeländers Anthony McCarten („Superhero“) auf die Bühne bringen. „Ein toller Stoff“, sagt er. Und bei den Recklinghäuser Ruhrfestspielen werden die Beckmanns mit den „Spielkindern“ ebenfalls zu sehen sein.

Noch unklar ist dagegen zurzeit die Realisierung der Verfilmung von „Milch und Kohle“, wie „Junges Licht“ ein Roman von Ralf Rothmann. Sie hätten zwar schon eine Drehbuchförderung bekommen, doch das gesamte Projekt sei leider etwas ins Stocken geraten, sagt Till Beckmann.

>> ZUR PERSON

Till Beckmann ist freier Künstler, was die künstlerische Bandbreite des Wanne-Eickelers und früheren Hibernia-Schülers nur sehr unzureichend beschreibt.

So prägt er seit 2007 das Herner Theater Kohlenpott, schrieb 2016 mit Bruder Nils das Drehbuch zum Kinofilm „Junges Licht“, hatte Gastspiele an diversen Theatern, entwickelte Leseshows und Kleinkunstprogramme, ist Autor und Sprecher und gründete nicht zuletzt mit seinen Geschwistern das Ensemble „Spielkinder“.