Herne. . Ist der Stärkungspakt Stadtfinanzen sinnvoll? Herne will damit 2018 ohne Schulden auskommen. Das sagen Stadt und Politik.
- RWI Leibniz-Institut für Wirtschaftsförderung nennt Preis des Stärkungspakts für arme Städte zu hoch
- Stadtkämmerer Hans Werner Klee nennt Pakt den richtigen Weg, will aber negative Effekte nicht verhehlen
- Stadt und Politik fordern für die Zukunft eine stärkere Beteiligung von Bund und Land an den Kosten
Ende November will Stadtkämmerer Hans Werner Klee dem Rat erstmals seit vielen Jahren wieder einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen. Heißt: Herne soll 2018 keine neuen Schulden machen. Möglich machen soll das der „Stärkungspakt Stadtfinanzen“ mit Millionenhilfen des Landes und Sparrunden vor Ort. Aber ist er überhaupt hilfreich, der Stärkungspakt? Das RWI Leibniz-Institut für Wirtschaftsförderung in Essen sagt nein: Der Preis für arme Städte sei zu hoch.
Zum Hintergrund: 61 überschuldete Städte in NRW beteiligen sich seit 2011 am Stärkungspakt, darunter Herne. Ziel ist es, dass die Kommunen ab 2018 einen ausgeglichenen Haushalt präsentieren. Zum Pakt gehören Finanzspritzen des Landes und Einsparungen vor Ort. Nach Angaben von Kämmerer Hans Werner Klee erhält Herne insgesamt 115 Millionen Euro aus Düsseldorf, 258 Millionen Euro muss die Stadt selbst einsparen.
Kämmerer: Weg war grundsätzlich richtig
Das Rettungsprogramm, so die Forscher des renommierten Essener RWI-Instituts, sorge in der Tat für ausgeglichene Stadthaushalte. Allein: Durch höhere Steuern sowie Kürzungen im Leistungsangebot, allesamt Folgen des Sparens, würden die Städte unattraktiver für Unternehmen und Neubürger – und würden deshalb eher geschwächt als gestärkt.
Das sieht Kämmerer Klee ähnlich. „Der Weg des Stärkungspakts war richtig“, bilanziert er im Gespräch mit der WAZ. Die Rahmenbedingungen seien aber 2011, als er geschlossen wurde, ganz andere gewesen. Beispiel: Die hohen Flüchtlingskosten seien damals nicht absehbar gewesen und verursachten ein zusätzliches Loch für die Städte, das sie nun in Teilen selbst füllen müssten.
Steuererhöhung brachte 62 Millionen Euro
Und richtig sei auch, das Herne Leistungen für Bürger abgebaut und Steuern erhöht habe, um die nötige Eigenleistung für den Stärkungspakt zu stemmen. Zwar würden bis 2021 insgesamt 36 Millionen Euro am städtischen Personal gespart, auch die Töchter wie Stadtwerke müssten 46 Millionen zusätzlich abführen – das reiche aber nicht aus.
Deshalb würden etwa die Steuern erhöht, allen voran die Grundsteuer B. Folge: ein Plus von 62 Millionen Euro für den Stärkungspakt. Auch wurden die Stadtteilbibliotheken in Sodingen und Eickel dicht gemacht.
Damit die Stadt lebensfähig bleibt, fordert der Kämmerer, müssten sich Bund und Land weiterhin engagieren – und zwar stärker als zuletzt. Die Sozialaufwendungen seien zu hoch, ebenso die Schulden. Sobald die Konjunktur einbreche, drohten neue Schulden – und somit neue Sparrunden.
Lob und Kritik kommt aus der Politik
Auch die Politik schaut mit gemischten Gefühlen auf den Stärkungspakt. Er habe es Herne überhaupt erst ermöglicht, einen ausgeglichenen Haushalt zu präsentieren, so CDU-Fraktionschefin Bettina Szelag. Auch sei es gut gewesen, manche Ausgaben zu hinterfragen. Nun sei aber Schluss, noch mehr sparen könne Herne nicht: „Die Zitrone ist jetzt ausgepresst.“ Auch Szelag fordert mehr Geld von außen: „Alleine werden wir sonst künftig nicht klarkommen.“
SPD-Fraktionschef Udo Sobieski sagt ebenfalls, dass der Stärkungspakt „nicht nur Vorteile“ habe, sondern auch „schmerzliche Einschnitte“. Er widerspricht aber dem RWI, dass Herne durchs Sparen an Attraktivität verloren habe: „Da haben wir immer gegengesteuert.“