Herne. . Bei einer Diskussion vor der Wahl trafen Michelle Müntefering (SPD) und Paul Ziemiak (CDU) erstmals aufeinander. Warum dabei auch Funken flogen.
- Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie und Energie lud zur Diskussion mit Bundestagskandidaten
- Es war das erste öffentliche Aufeinandertreffen von Michelle Müntefering (SPD) und Paul Ziemiak (CDU)
- Zeitweise gab es bis zu 90 Zuhörer auf der Bahnhofstraße in Herne-Mitte
Es ist Samstag, fünf vor zwölf, und die Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie und Energie bittet auf der Bahnhofstraße zur Diskussion mit Bundestagskandidaten. So ganz traut die IG BCE dem Braten beziehungsweise der Strahlkraft der Politiker aber wohl nicht - propagiert ein Funktionär doch übers Mikro: „Kommen Sie näher, es gibt später noch Erbensuppe“.
Zunächst gibt es auf dem Plateau zwischen Kornbäcker und Edo’s Schmuckladen aber einen ähnlichen Fehler wie beim TV-Duell zwischen Merkel und Schulz. Die Gewerkschaft beginnt mit Fragen über Globalisierung („Ist die Welt noch zu retten?), die EU und die Türkei, so dass für soziale Themen und Bürgerfragen in der zweiten Hälfte der knapp 80-minütigen Runde zu wenig Zeit bleibt.
Funken flogen: Ziemiak befragt Müntefering
Immerhin: Die zeitweise bis zu 90 Zuschauer dürfen einer Premiere beiwohnen. Erstmals treffen die SPD-Bundestagsabgeordnete Michelle Müntefering und ihr CDU-Herausforderer Paul Ziemiak im Wahlkampf öffentlich aufeinander. Funken fliegen zwischen den beiden aber nur einmal. Nämlich: als der Bundes-Chef der Jungen Union mal eben die Rolle des Moderators übernimmt und die Genossin zur Höhe des Bundeswehretats und zu den EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei befragt.
Politische Unterschiede werden zwischen den zwei (Noch-) Großkoalitionären durchaus sichtbar, wenn auch längst nicht so große wie zwischen den Kandidaten Daniel Kleibömer (Linke) und „Klaus Fußmann“ (FDP), wie Füßmann von IG BCE-Moderator Klaus Brüske vorgestellt wird. Fünfter im Bunde ist der Bochumer Grünen-Bundestagsabgeordnete Frithjof Schmidt, der die Herner Kandidatin Sabine von der Beck vertritt. Ein sehr linker Grüner, wie im Laufe der Diskussion deutlich wird.
Kritik an Versprechen vor der Wahl
Links überholt wird Schmidt aber noch von Kleibömer. Der trägt nicht nur seine roten Wahlkampfhosenträger und sein Selbstbewusstsein („Ich bin ein Typ, davon gibt es zu wenige im Bundestag“) zur Schau, sondern auch drastische Forderungen von 53 Prozent Rentenniveau bis hin zu zwölf Euro Mindestlohn.
So weit lehnt sich Müntefering nicht aus dem Fenster, zielt aber zum Beispiel mit der Forderung nach Stärkung unterer und mittlerer Einkommen durchaus in eine ähnliche Richtung. Ziemiak wiederum nimmt vor allem den Mittelstand in den Blick, bringt aber auch den Kampf gegen Altersarmut ins Spiel. Dafür gibt es viel Beifall von seinem „Fan-Club“, wie Moderator Brüske die große CDU-Gruppe im Publikum bezeichnet.
Füßmann (FDP) kritisiert „neurotisches Trump-Bashing“
Füßmann eckt zwar bisweilen bei Gewerkschaftern mit einigen (neo-)liberalen Positionen an, punktet aber mit einer unverstellten und offenen Art. So bedauert er das „neurotische Trump-Bashing“, schimpft als Vater von zwei Töchtern über „den erbärmlichen Zustand von Schulen“ und räumt ein, dass die FDP nach der Bundestagswahl 2009 als Regierungspartei versagt habe.
Auch beim visionären Thema „Herne 2030“ nimmt er kein Blatt vor den Mund. Während Ziemiak die Pathos-Maschine anwirft („Ich glaube an diese Stadt“) und Müntefering ankündigt, in Berlin weiter für die Entlastung der Ruhrgebietsstädte kämpfen zu wollen, rechnet der FDP-Mann angesichts der Struktur und der geringen Zahl der Steuerzahler eher mit „harten und traurigen Wahrheiten“ für Herne.
Weitere Themen sind unter anderem Bildung und die Bürgerversicherung. In einer kurzen Publikumsfragerunde beklagt ein Bürger, dass Kandidaten vor Wahlen viel versprächen, hinterher davon aber kaum etwas umgesetzt werde. Der Gewerkschaft kann man dies - zumindest am Samstag - nicht vorwerfen. Nach Ende der Diskussion verteilen Mitglieder vom gastgebenden IG BCE-Regionalforum Herne-Wanne die versprochene Erbensuppe.
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Die ganz heiße Phase ist eingeläutet: nur noch 13 Tage bis zur Bundestagswahl am 24. September. Schlag auf Schlag geht es in dieser Woche weiter.
Am Mittwochvormittag diskutieren Herner Bundestagskandidaten mit Schülern des Mulvany Berufskollegs. Und für Donnerstag lädt die Arbeitsgemeinschaft Wohlfahrt ab 17 Uhr zu einer öffentlichen Diskussionsveranstaltung der etwas anderen Art in die Akademie Mont Cenis ein (die WAZ kommt darauf zurück).