Herne. . Die Zahl der akuten Kindeswohlgefährdungen stieg innerhalb eines Jahres um 25 Prozent. Insgesamt 767 Fälle wurden 2016 dem Jugendamt gemeldet.
- Jugendamt in Herne verzeichnet einen starken Anstieg der akuten Kindeswohlgefährdungen
- Auch die Zahl der gemeldeten Kindeswohlgefährdungen nahm erheblich zu
- Fachbereich führt das u.a. auf die starke Zunahme von Flüchtlingen zurück
Die Zahl klingt erschreckend: 767 Mal musste das Jugendamt im vergangenen Jahr feststellen, ob Kindeswohl gefährdet ist, eine Steigerung um sage und schreibe 24 Prozent gegenüber 2015. Längst nicht immer war das Kindeswohl aber wirklich in Gefahr. Oftmals melden sich besorgte Mitbürger oder Institutionen unbegründet bei den Behörden. Trotzdem stieg auch die Zahl der festgestellten akuten Kindeswohlgefährdungen von 59 auf 74, ein Anstieg um 25 Prozent. Hinzu kommen 48 Fälle latenter Kindeswohlgefährdung in Summe für 2015 also 107 Fälle. Für 2016 waren es 74 akute und 64 latente Fälle - zusammen also 138.
Immer häufiger muss der Fachbereich Kinder, Jugend und Familie einschreiten, weil Kindern in Familien Gefahr droht. „Hier sind alle Gesellschaftsschichten betroffen“, sagt Abteilungsleiterin Stephanie Jordan (37), „mit höherem Bildungsniveau und Einkommen gibt es vielleicht mehr Möglichkeiten, das zu verdecken.“
Kindeswohlgefährdung steigt auch NRW-weit
Bei der akuten Gefährdung des Kindeswohls liegt Herne damit landesweit weit vorne, was die Statistik anbetrifft. Durchschnittlich stieg die Quote nur um 9,4 Prozent. NRW-weit haben die Jugendämter 2016 in gut 35 000 Fällen eine Einschätzung bei Verdacht auf Kindeswohlgefährdung vorgenommen, in etwa jedem achten Fall (4331) wurde eine akute Gefährdung festgestellt. „Dann müssen wir sofort eingreifen“, erläutert Stephanie Jordan. Es werde aber immer an erster Stelle versucht, die Familien nicht ganz auseinander zu reißen. Oftmals reiche beispielsweise ein Kontaktverbot für den Vater aus oder die Maßgabe, die Kinder nur unter Aufsicht zu sehen.
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„Ein Faktor bei der Zunahme der Zahlen sind auch die vermehrt aufgenommen Flüchtlinge gewesen, die ab Ende 2015 kamen“, macht Stephanie Jordan deutlich. Es waren mehr Menschen in der Stadt und somit auch mehr Fallzahlen möglich. In den Unterkünften seien die Flüchtlinge zudem mehr unter Kontrolle gewesen, somit seien auch mehr Verdachtsfälle gemeldet worden. „Man muss bei der Einschätzung sehr vorsichtig sein, die Situation in den Familien nicht nur durch die sogenannte ,Mittelstandsbrille’ sehen. Wenn Eltern sich und ihre Kinder anschreien – das ist daraus zu interpretieren – ist nicht unbedingt gleich das Wohl, geschweige denn das Leben ihrer Schutzbefohlenen gefährdet.“
Fachbereich Jugend sondiert Maßnahmen
Der Fachbereich Jugend sondiert regelmäßig mit allen Trägern der Kinder- und Familienarbeit die aktuelle Lage und die Möglichkeiten der Maßnahmen. Ein Beispiel: „In Wohnvierteln, wo bei der Schuleingangsprüfung deutlich mehr Kinder starke Defizite in der Motorik haben, machen wir verstärkt Bewegungsangebote.“
Insgesamt seien die Menschen sensibler geworden und meldeten mögliche Kindeswohlgefährdungen schneller. Darunter gibt es aber auch „Fakes“: „Manchmal ist nur ein Nachbarschaftsstreit der Auslöser.“
Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version des Artikels hatten wir irrtümlicherweise von einem Anstieg der akuten Kindeswohlgefährdungen von 118 auf 148 berichtet. Wir bitten dies zu entschuldigen.