Herne. . Das Zeppelin-Zentrum für die Beratung von Arbeitslosen wird 30 Jahre alt. Leiterin Dagmar Spangenberg-Mades spricht über ihre Arbeit.

  • Die Evangelische Kirche wollte 1987 einen gesellschaftspolitischen Beitrag leisten
  • Mit den Hartz-IV-Gesetzen ist das Beratungsaufkommen im Zeppelin-Zentrum stark gestiegen
  • Leiterin Dagmar Spangenberg-Mades fordert einen sozialen Arbeitsmarkt für Langzeitarbeitslose

Das Zeppelin-Zentrum, die Beratungsstelle für Arbeitslose der evangelischen Kirche, feiert in diesen Tagen sein 30-jähriges Bestehen. Leiterin Dagmar Spangenberg-Mades erläutert im Gespräch mit WAZ-Redakteur Tobias Bolsmann, was den Impuls für die Gründung 1987 gegeben hat und wie sich die Arbeit im Laufe der drei Jahrzehnte verändert hat.

Sind 30 Jahre eigentlich ein Grund zum Feiern? In einer idealen Welt müsste es eine Arbeitslosenberatung gar nicht geben.

Spangenberg-Mades: In der Tat ist es kein Grund zum Feiern, aber wir feiern ja nicht die Arbeitslosigkeit und die Armut, sondern wir feiern die Einrichtung und die Arbeit, die hier geleistet wird. Das sind vor allem die vielen Ehrenamtlichen, die sich engagieren. Einerseits, weil sie etwas Sinnvolles machen wollen, und selbst etwas davon haben, dass sie für andere Menschen etwas tun. Und wir feiern, dass wir hier ein großes Stück Hilfe für andere Menschen leisten. Außerdem rücken wir die Arbeit so nochmal in den Mittelpunkt.

Was war damals der Impuls, das Zeppelin-Zentrum einzurichten?

Es war damals die Zeit der Massenarbeitslosigkeit. Beide Kirchen (das von der katholischen Kirche getragene Arbeitslosenzentrum in Herne ist drei Jahre älter, Anm. d. Red.) wollten damals auch einen gesellschaftspolitischen Beitrag leisten und Arbeitslosen ein Angebot machen. Unsere Einrichtung gab sich damals das biblische Leitmotiv „Einer trage des anderen Last, so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen“, weil wir es als unsere Verpflichtung als Kirche ansahen, Menschen die Unterstützung benötigen, zur Seite zu stehen. Es gab im Laufe der Zeit Wandlungen, aber von der Grundidee hat sich die Einrichtung nicht verändert.

Wie hat sich die operative Arbeit gewandelt im Laufe der Jahre?

Das Beratungsaufkommen an sich ist sehr viel größer geworden. Das liegt einerseits daran, dass das Zeppelin-Zentrum, aber auch das Arbeitslosenzentrum immer bekannter wurden. Es liegt aber auch daran, dass die Menschen immer mehr Gesprächsbedarf haben, und dass Probleme komplexer sind. Komplizierte Bescheide sind zwar immer noch ein Hauptpunkt unserer Arbeit, aber zu der rechtlichen Beratung ist die psychosoziale Seite hinzugekommen. Da gibt es Problembündel, unter denen manche Menschen zerbrechen. Für manche dieser Probleme reichen auch unsere Kräfte nicht aus.

Dagmar Spangenberg-Mades hat eine Reihe von Aktionen zur Arbeitslosigkeit gemacht. Hier „Fragen über Fragen“ aus dem Jahr 2006.
Dagmar Spangenberg-Mades hat eine Reihe von Aktionen zur Arbeitslosigkeit gemacht. Hier „Fragen über Fragen“ aus dem Jahr 2006. © Stefan Kuhn

Welchen Einfluss hatte die Hartz-IV-Gesetzgebung auf Ihre Arbeit?

Seit der Einführung sind die Beratungszahlen schlagartig explodiert, und sie sind auf diesem Niveau bis heute geblieben. Vorher hatten wir auch gut zu tun, aber damals hatten wir beispielsweise noch Zeit für monatliche Öffentlichkeitsaktionen. Mit der Einführung der Hartz-Gesetze hatten wir angesichts der Beratungen gar keine Zeit mehr dafür. Und mit den Hartz-Gesetzen ist die Armut spürbar angestiegen. Wir haben immer mehr Menschen in der Beratungsstelle, die sich bestimmte wichtige Dinge nicht mehr leisten können.

In Herne ist ja das Bündnis für Arbeit auf den Weg gebracht worden. Wie bewerten Sie das Bündnis?

Ich denke, das ist eine gute Sache, die uns weiterbringt. Es ist ein erster willkommener Schritt in die richtige Richtung. Ich wünsche mir aber, dass es noch weitergeführt wird in die Richtung, dass Menschen, die arbeitslos sind und die auf dem ersten Arbeitsmarkt keine Chance haben, über einen sozialen Arbeitsmarkt abgesichert werden. Die Menschen müssen eine dauerhafte Perspektive haben, auch über Programme wie „soziale Teilhabe am Arbeitsmarkt“ hinaus. Die Leute brauchen sinnvolle und auskömmliche Arbeit. Sie wollen das Gefühl haben, etwas für die Gesellschaft zu leisten und wieder dazuzugehören. Es ist unvorstellbar, wie Menschen aufblühen, wenn sie eine Aufgabe haben. Wir brauchen einen sozialen Arbeitsmarkt.

Wie beurteilen Sie die Lage auf dem Herner Arbeitsmarkt? Die Zahlen sinken ja seit einiger Zeit.

Unser Hauptproblem sind die Langzeitarbeitslosen. Aus meiner Sicht werden sie auch langzeitarbeitslos bleiben. Das größte Vermittlungshemmnis ist die Langzeitarbeitslosigkeit selbst.

Wie ist Ihre Zusammenarbeit mit dem Jobcenter?

Wir erleben in der letzten Zeit, dass die Fallmanager des Jobcenters uns auch anfragen, wenn sie Menschen haben, wo die Problemfülle zu groß ist. Da entwickelt sich eine gute Zusammenarbeit. Auch wenn wir Berichte von schlechter Behandlung durch Mitarbeiter des Jobcenters hören.

Wenn man Geburtstag hat, darf man sich etwas wünschen. Was wünschen Sie sich für das Zeppelinzentrum?

Ich würde mir wünschen, dass an die Menschen gedacht wird, die auch bei Vollbeschäftigung keine Chance haben. Ich würde mir auch wünschen, dass das Thema Armut in allen Facetten angegangen wird. Und dass die Arbeit dieser Einrichtung so weiter gehen kann, wie bisher.

>> DIE PERSON - DIE EINRICHTUNG

Dagmar Spangenberg-Mades ist Sozialpädagogin. Die 56-Jährige leitet seit 1991 das Zeppelin-Zentrum. Die gebürtige Hessin hatte zuvor ein Jahr im Arbeitslosenzentrum Herne gearbeitet.

Das Zeppelin-Zentrum gibt Arbeitslosen in einer Reihe von Belangen Unterstützung: Hilfe bei Anträgen, Überprüfung von Bescheiden, Aufklärung über Ansprüche, Orientierung bei Angeboten von Maßnahmenträgern, Unterstützung bei Beschäftigungssuche; daneben ist Raum für Gespräche über persönliche Probleme.

Die Beratung erfolgt nach Terminabsprache. Kontakt: WAN 60 840 oder per Mail: her-kk-zeppelin-zentrum@kk-ekvw.de