Herne. Wie geht es weiter mit den Städtepartnerschaften mit Besiktas/Türkei und Hénin-Beaumont/Frankreich? Zwei Anträge an den Rat sorgen für Wirbel.
- AfD fordert, dass Herne wieder offizielle Beziehungen mit Hénin-Beaumont in Frankreich aufnehmen soll
- Unabhängige Bürger beantragen das Ende der Städtepartnerschaft mit Besiktas in der Türkei
- Stadtrat entscheidet am Dienstag, 11. Juli, über Anträge der Gruppe und des Einzelmandatsträgers
Die beiden Städtepartnerschaften mit Hénin-Beaumont in Frankreich und mit Besiktas in der Türkei sorgen erneut für Wirbel in der Politik. Die AfD fordert, dass Herne wieder offizielle Beziehungen mit der französischen Stadt aufnehmen soll, und die Unabhängigen Bürger fordern das Aus für die Freundschaft mit dem Istanbuler Stadtteil. Der Rat entscheidet am 11. Juli über die beiden Vorstöße.
Zunächst zu Hénin-Beaumont. Oberbürgermeister Frank Dudda hat seit seinem Amtsantritt keine Kontakte mit Steeve Briois, dem Bürgermeister der Partnerstadt in Nordfrankreich. Briois, auch Mitglied des Europaparlaments, ist Politiker des rechtspopulistischen Front National (FN), den er während der Präsidentschaftskandidatur von Marine Le Pen auch kommissarisch geführt hat. AfD-Ratsherr Armin Wolf meint, dass die Partnerschaft leide, weil die offiziellen Beziehungen „eingefroren“ seien. Das soll ein Ratsbeschluss ändern.
OB empfiehlt, Antrag abzulehnen
Der OB empfiehlt, den Antrag abzulehnen. Beim FN sei „nicht mal im Ansatz pro-europäisches Verhalten zu erkennen“, begründet er, die Partei befinde sich im Gegenteil „ganz klar auf einem Rückzug zum Nationalismus“.
Deshalb wolle er keine Kontakte. Im Übrigen, so der OB zur WAZ weiter, habe nun auch der Bürgermeister von Konin, Hernes Partnerstadt in Polen, die Kontakte zu Hénin-Beaumont abgebrochen – aus dem selben Grund.
SPD und CDU: Antrag ist obsolet
„Der Antrag ist obsolet“: Das sagen, mit den selben Worten, die beiden Fraktionschefs von SPD und CDU, Bettina Szelag und Udo Sobieski, zum Vorgehen der AfD. Herne, so die Koalitionspartner im Rat, habe durchaus offizielle Kontakte mit Frankreich. So seien Bürgermeisterin Andrea Oehler und Dezernent Karlheinz Friedrichs bereits in Hénin-Beaumont gewesen. Dass der OB Briois nicht treffen wolle, sei seine eigene Entscheidung.
In Sachen Besiktas dürfte die Meinung nicht so einhellig sein.Vor einem Jahr hat der Rat in geheimer Abstimmung nur knapp für die Städtepartnerschaft gestimmt. Zuvor hatten viele CDU-Stadtverordnete Kritik an einer „Städte-Ehe“ mit der Türkei geäußert. Nun will Bernd Blech ihr Aus. „Wir wollen keine Städtepartnerschaft mit einer Diktatur unterhalten“, so der Einzelmandatsträger zur WAZ.
Bettina Szelag (CDU) will Ratsentscheid akzeptieren
Die Lage in der Türkei habe sich seit 2016 zwar weiter verschlechtert, sagt CDU-Fraktionschefin Bettina Szelag. Dennoch will sie an der Städtepartnerschaft festhalten: „Das Ergebnis des Rates haben wir zu akzeptieren.“ Eine Städtepartnerschaft sei nicht beliebig, nun sei sie da, und man müsse ihr eine Chance geben. Das sieht offenbar auch ihre Fraktion so: In geheimer und in offener Abstimmung habe sich die CDU-Fraktion am Montagabend einstimmig dafür ausgesprochen, den Antrag des unabhängigen Bürgers abzulehnen, sagte sie zur WAZ.
Für SPD-Fraktionschef Udo Sobieski ist es auch „gar keine Frage“, dass die SPD den Antrag der Unabhängigen Bürger geschlossen ablehne. Besiktas werde von der Opposition regiert, da sei es das völlig falsche Signal, mit einem Aus die Demokratie in Besiktas zu schwächen. Dort ist Murat Hazinedar Bürgermeister. Auf Anweisung der Regierung unter Präsident Erdogan darf er nicht ausreisen; ihm wird Nähe zur Gülen-Bewegung vorgeworfen.
Geheime Abstimmung möglich
Und was, wenn geheime Abstimmung beantragt wird (dafür sind 13 Stimmen oder das Votum einer Fraktion nötig)? In diesem Fall plädiert Szelag dafür, diese abzulehnen. So soll verhindert werden, dass viele Besiktas-Kritiker im Rat dem Antrag folgen.
>> KOMMENTAR von Michael Muscheid:
Freundschaft leben
Rein in die Kartoffeln, raus aus den Kartoffeln: Das geht bei der Städtepartnerschaft mit Besiktas nicht. Der Rat hat vor einem Jahr, wenn auch knapp, für die Freundschaft gestimmt, nun muss sie gelebt werden. Es wäre ein verheerendes Signal, würde der Rat wankelmütig: Partner könnten sich nicht mehr auf Herne verlassen.
Im Fall von Hénin-Beaumont braucht es keine weiteren offiziellen Kontakte. OB Frank Dudda lehnt sie ab, was nachvollziehbar ist. Abgerissen ist der Gesprächsfaden deshalb nicht, dafür haben eine Bürgermeisterin und ein Dezernent gesorgt. Und wichtiger: Auf Bürgerebene wird die Freundschaft seit Jahren gelebt.