Herne. Awo und Willi-Pohlmann-Seniorenzentrum haben zum Weltflüchtlingstag Vertriebene jeden Alters eingeladen. Es kamen deutlich weniger als erwartet.

Als Jihad Isso erzählt, wie auf der Flucht aus Syrien direkt neben ihm eine schwangere Frau mit ihren drei Kindern ertrunken ist, wird es ganz still im Raum. Die Awo und das Willi-Pohlmann-Seniorenzentrum haben am Dienstagnachmittag Flüchtlinge „von damals und heute“ zum Weltflüchtlingstag ins Karl-Hölkeskamp-Haus eingeladen – zum Austausch.

Viele Plätze bleiben an dem Nachmittag jedoch leer. „Das Wetter“ vermuten die Veranstalter. Hier erzählen sechs junge und alte Menschen stellvertretend ihre Geschichten über Angst, Hilfe und Schutz.

Gerriet Loschen (73)

„Ich komme aus Oldenburg, bin das jüngste von vier Kindern. Mein Vater war Soldat, er ist nie wieder gekommen. Nach dem Krieg habe ich in einem Bombenkrater Schlittschuhlaufen gelernt. Ein Flüchtling bin ich nie gewesen. Meine Eltern besaßen einen Bauernhof. Nach dem Krieg kamen die Flüchtlinge zu den Bauern, um zu hamstern: Schmuck gegen Speck. Wir haben nie gehungert, wir haben geholfen.“

Jihad Isso (36)

„Ich komme aus Syrien. Auf meiner Flucht habe ich Menschen sterben sehen. Mit dem Boot mussten wir von der Türkei nach Griechenland fahren. Neben mir war eine schwangere Frau mit ihren drei Kindern, sie sind ins Wasser gefallen und ertrunken. Wir haben versucht sie zu retten, konnten aber doch selber nicht schwimmen. Das war furchtbar.“

Ahmad Yama Isar (36)

„Ich bin Journalist in Afghanistan gewesen, habe für eine englische Zeitung gearbeitet. Die Taliban kamen in mein Büro und haben alles zerstört, nachdem ich einen Artikel geschrieben hatte, der den Islam kritisierte. Dann bin ich geflohen. Gerade bin ich sehr glücklich, meine Familie ist gestern in Deutschland angekommen. Ich lebe schon seit zwei Jahren in Deutschland.“

Khaled Zaour (46)

„Ein Flüchtling bin ich nicht. Subsidiär schutzberechtigt, so nennt man meinen Status. Ich bin aus Syrien geflohen. Meine Frau und meine beiden Kinder darf ich momentan nicht nachholen, dabei habe ich hier Arbeit, ich spreche Deutsch. Die leben weiter im Kriegsgebiet. Ich weiß nicht mehr, was ich machen soll.“

Christel Schmidt (85)

„Ein richtiges Herner Mädchen bin ich, selber fliehen musste ich zum Glück nicht. Nach dem Krieg habe ich dafür sehr nah erlebt, wie die Flüchtlinge zu uns gekommen sind, wie spärlich die gelebt haben. Es war erstaunlich, wie schnell sie in ein normales Leben zurückgefunden haben. Meiner Familie und mir ging es sehr gut. Mein Vater war auf der Zeche, deshalb haben wir immer genügend Lebensmittel-Zuteilungen bekommen.“

Ursula Koch (89)

„Mit meiner Mutter habe ich im Krieg alleine in Recklinghausen gelebt. Jede Nacht war Fliegeralarm. Das war ganz furchtbar. Wir waren nur im Bunker. Als die Amerikaner kamen, haben wir den Bunker verlassen. Ich musste mich verkleiden, wir wussten ja nicht, wie die Soldaten so sind. Ich hatte schließlich auch noch nie einen Menschen mit dunkeler Hautfarbe gesehen. Von meinem Vater haben wir lange nichts gehört. Nach langen Wochen des Bangens kam dann die glückliche Nachricht: Er war in Kriegsgefangenschaft, aber er lebte!“