Herne. Schleuser aus dem Ruhrgebiet haben über 600 Flüchtlinge über die Balkan-Route nach Deutschland gebracht. Jetzt wurden sie festgenommen. Die kriminelle Organisation arbeitete perfekt mit einem “All inclusive“-Angebot von Herne aus. Die Bundespolizei in Bayern trägt die Hauptlast der Fahndung. Aber seit Januar wurden auch schon in NRW 60 Schleuser verhaftet.
Die Bundespolizei hat eine hoch professionell operierende Schleuserbande hochgehen lassen, deren Zentrale im Ruhrgebiet gelegen hat. Das berichtet das ARD-Magazin Report München. Ihre beiden Chefs sollen mit der Schleusung von 600 syrischen Flüchtlingen über die Türkei, Bulgarien, Serbien und die deutsch-österreichische Grenze bei Passau rund sechs Millionen Euro verdient haben.
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Festnahmen in Herne haben bereits im April stattgefunden, bestätigte am Freitag die Bundespolizei unserer Redaktion. Die Fahnder sind den Tätern offenbar über abgehörte Telefonate auf die Spur gekommen. Das Geschäft war demnach straff durchorganisiert. Die angeheuerten Fahrer sollen eine Art Pendeldienst aufrecht erhalten haben – nach den abgehörten Gesprächen etwa so: „Wir sind jetzt bei McDonalds und kehren um“. Hätten sie die eine Flüchtlingsgruppe abgesetzt, seien sie über die Grenze zurückgefahren, um die nächste zu holen.
Organisiert wie ein illegales Reisebüro
Das ganze ist offenbar wie ein „illegales Reisebüro“ organisiert gewesen mit perfekter Dienstleistung, wie die Bundespolizei der ARD sagte: Von der Unterbringung der Fahrer bis zum Fälschen der Papiere waren die Leistungen „all inclusive“. Habe es Probleme mit den Zahlungen gegeben, sei die Schleusung allerdings auch sofort abgebrochen worden.
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Zwischen 9000 und 20.000 Euro müssen die Flüchtlinge dem Bericht zufolge zahlen, um auf diese Weise nach Deutschland zu kommen. Die Hintermänner zahlen pro geschleuster Person - was die mit Menschen vollgepfropften Lastwagen erklärt und was jetzt zur Katastrophe auf der A4 Budapest-Wien geführt hat. Die großen Bandenchefs werden selten erwischt, meist kommen die Fahrer in Haft.
Schwerpunkt der Ermittlungen in Bayern
Wie auch in dem Herner Fall führt die Münchner Bundespolizei in sehr vielen Fällen die Verfahren. Hier im Süden liegt der Schwerpunkt. Mehr als 1300 Fahrer hat die bayrische Polizei im ersten Halbjahr inhaftiert. Allein 600 sitzen dort derzeit in den Gefängnissen – die Hälfte der Aufgriffe in Deutschland erfolgt dort. Die bayerischen Gerichte fällen die Urteile inzwischen zwar im engen Takt. Doch meist kommen die Täter, soweit sie nur Handlangerdienste geleistet haben, mit einer Bewährungsstrafe davon.
Flüchtlinge in DeutschlandIn Nordrhein-Westfalen liegen die Schwerpunkte der Jagd auf die Schleuser an den Grenzen zu den Niederlanden und Belgien. Von Januar bis Juli konnten 47 Täter an der belgischen und weitere zehn an der niederländischen Grenze gestellt werden, sagte eine Sprecherin der Bundespolizei in St. Augustin unserer Redaktion. Drei seien an den Flughäfen des Landes aufgegriffen worden.
Inzwischen staut sich vor allem in Süddeutschland massiver Ärger an. Die Bundespolizisten arbeiten rund um die Uhr, nicht wenige tun dies offenbar in Schichten, die zwischen 6.30 und 19.30 Uhr ohne Ablösung dauern. Das geht aus wütenden Äußerungen überarbeiteter Beamter auf der Internetseite der Gewerkschaft der Polizei (GdP) hervor. GdP-Vize Jörg Radek kritisiert massiv die Grenzorganisation in Europa. Weitgehend sei „die ordnungsgemäße grenzpolizeiliche Kontrolle, die Registrierung und Überprüfung der Flüchtlinge zum Erliegen gekommen“ - das auch , weil in Europa „jeder vor sich hinwurstelt“.
Anmerkeung der Redaktion: In einer ersten Version des Textes war von 50 Festgenommenen die Rede.