Berlin. . Dschihadisten verdienen offenbar an den Flüchtlingstransporten mit und finanzieren dadurch ihre Kämpfe. Einnahmen aus dem Ölgeschäft eingebrochen.

Beim Flüchtlingsdrama im Mittelmeer reißen die schlechten Nachrichten nicht ab: Jetzt gibt es Hinweise, dass die Terrororganisation IS an den Flüchtlingstransporten mitverdient – nachdem ihre Einnahmen aus dem Ölgeschäft rapide gesunken sind.

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Nach Erkenntnissen der Bundesregierung kämpft die Terrororganisation mit erheblichen Einbußen, weil die Ölverkäufe viel weniger abwerfen als noch vor einem halben Jahr. Zwar verfügt die Terrormiliz über ein Milliardenvermögen, wie die Regierung in einem Schreiben an den Bundestag berichtet. Doch bei der Suche nach neuen Geldquellen schreckt der IS offenbar vor nichts zurück: Die Dschihadisten sollen in das Geschäft der Schlepperbanden im Mittelmeer verwickelt sein, entsprechende Erkenntnisse hat jetzt Unions-Fraktionschef Volker Kauder öffentlich gemacht.

Libyen als IS-Rückzugsraum

Es gebe Hinweise, dass sich der IS auch über die verbrecherischen Flüchtlingstransporte finanziere, so Kauder. Auch der italienische Flüchtlingsrat spricht von der Befürchtung, dass der IS Schlepperorganisationen in Libyen infiltriere und damit zum Nutznießer des Millionengeschäfts werde. Tatsächlich fassen Kämpfer des IS in Libyen, von wo aus die meisten Flüchtlinge ihre Passage nach Europa beginnen, zunehmend Fuß, mehrere Küstenstädte sind unter ihrer Kontrolle.

Der Bundesnachrichtendienst (BND) hat in einer Analyse beklagt, der IS könne sich wegen des Bürgerkriegs in Libyen problemlos Waffen und Munition beschaffen und das Land als Ruheraum nutzen. Bislang hatten Experten eher befürchtet, die Terrororganisation werde auf dem Mittelmeer Schiffe kapern, um Lösegeld zu erpressen; das italienische Verteidigungsministerium hat unlängst vor IS-Piraterie in libyschen Gewässern nach dem Muster somalischer Piraten gewarnt. Dass die Dschihadisten stattdessen selbst am Schleppergeschäft verdienen könnten, passt aber durchaus ins Bild.

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Raub, Plünderung und Geiselnahme

Die Verluste im Ölgeschäft gleicht das im letzten Jahr ausgerufene „islamische Kalifat“ nach Angaben der Bundesregierung verstärkt durch „kriminelle Einkommensquellen“ aus: Dazu gehören dem Bericht zufolge Raubgrabungen und Plünderungen archäologischer Fundstücke, Geiselnahmen und Sklavenhandel mit verschleppten jesidischen und christlichen Frauen und Kindern. Dass die Islamisten auch Organhandel betreiben, wie irakische Quellen behaupten, ist aber nicht belegt.

Zugleich finanziert sich die Terrormiliz über Steuern und Abgaben in den von ihnen kontrollierten Gebieten, eine Steuer für nichtmuslimische „Schutzbefohlene“ inklusive, sowie über private Spenden aus den Golfstaaten. Und: Der IS verfügt laut Bundesregierung über einen Kapitalstock von ein bis zwei Milliarden US-Dollar – was ihn zur kapitalkräftigsten Terrororganisation macht, mit der es der Westen bisher zu tun hatte.

Gehälter für die Kämpfer

Ihren Kämpfern können die Dschihadisten deshalb regelmäßige Gehälter zahlen: Kindersoldaten erhalten umgerechnet etwa 140 bis 230 Euro, einfache Kämpfer bis zu 500 Euro, erfahrene Leute das Doppelte, Kommandeure über 2800 Euro.

Boote auf letzter Fahrt

Flüchtlingsboot v or Lampedusa, 2011.
Flüchtlingsboot v or Lampedusa, 2011. © imago stock&people
Von der Küstenwache begleitet im Mittelmeer, September 2014.
Von der Küstenwache begleitet im Mittelmeer, September 2014. © dpa
Vor Lampedusa, September 2011.
Vor Lampedusa, September 2011. © imago stock&people
Vor Lampedusa, März 2011.
Vor Lampedusa, März 2011. © imago stock&people
April 2011: Ein Schiff mit Flüchtlingen aus Libyen vor Lampedusa.
April 2011: Ein Schiff mit Flüchtlingen aus Libyen vor Lampedusa. © imago stock&people
Vor Lampedusa, Mai 2011: Ein Boot aus Libyen.
Vor Lampedusa, Mai 2011: Ein Boot aus Libyen. © imago stock&people
Havarie eines überladenen Flüchtlingsbootes vor Lampedusa.
Havarie eines überladenen Flüchtlingsbootes vor Lampedusa. © imago/JOKER
Ein Boot mit 281 Flüchtlingen an Bord vor der kalabrischen Küste, Juni 2014.
Ein Boot mit 281 Flüchtlingen an Bord vor der kalabrischen Küste, Juni 2014. © dpa
Die Küstenwache geleitet ein Flüchtlingsboot, Oktober 2013.
Die Küstenwache geleitet ein Flüchtlingsboot, Oktober 2013. © dpa
Flüchtlingsboot vor Lampedusa, Juni 2013.
Flüchtlingsboot vor Lampedusa, Juni 2013. © Getty Images
200 Migrantgen auf einem Boot vor Lampedusa, Januar 2014.
200 Migrantgen auf einem Boot vor Lampedusa, Januar 2014. © picture alliance / dpa
Ein Flüchtlingsboot vor Lampedusa, Juli 2008.
Ein Flüchtlingsboot vor Lampedusa, Juli 2008. © Getty Images
Bis zur Bordkante voller Menschen: Ein Boot vor Lampedusa, April 2011.
Bis zur Bordkante voller Menschen: Ein Boot vor Lampedusa, April 2011. © dpa
Vor dem Hafen von Lampedusa, März 2011.
Vor dem Hafen von Lampedusa, März 2011. © imago stock&people
Nur ein Schlauchboot: Februar 2014 vor Lampedusa.
Nur ein Schlauchboot: Februar 2014 vor Lampedusa. © dpa
Ein Flüchtlingsboot ist in der Nähe eines deutschen Handelsschiffes gekentert: April 2015.
Ein Flüchtlingsboot ist in der Nähe eines deutschen Handelsschiffes gekentert: April 2015. © dpa
Mit diesem Ruderboot kamen tunesische Migranten an den Strand von Lampedusa.
Mit diesem Ruderboot kamen tunesische Migranten an den Strand von Lampedusa. © imago/Anan Sesa
Friedhof der Flüchtlingsboote in Lampedusa: Ein Foto aus dem Mai 2014.
Friedhof der Flüchtlingsboote in Lampedusa: Ein Foto aus dem Mai 2014. © imago/Independent Photo Agency
Auf dem Schiffsfriedhof von Lampedusa.
Auf dem Schiffsfriedhof von Lampedusa. © imago/JOKER
Nicht viel größer als die Nussschalen der Flüchtlinge: Mit dem umgebauten Nordseekutter
Nicht viel größer als die Nussschalen der Flüchtlinge: Mit dem umgebauten Nordseekutter "Sea Watch" will der Deutsche Harald Höppner im Mittelmeer Schiffbrüchige retten. © dpa
Ein Boot der italienischen Küstenwache.
Ein Boot der italienischen Küstenwache. © Getty Images
Die Gregoretti - auch mit hochseetauglichen Schiffen wie diesem liest die italienische Küstenwache Flüchtlingsboote auf.
Die Gregoretti - auch mit hochseetauglichen Schiffen wie diesem liest die italienische Küstenwache Flüchtlingsboote auf. © dpa
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Um die Ausgaben zu finanzieren, bleibt der Ölverkauf ei­ne Einnahmequelle: Fünf Ölfelder in Syrien und Irak hatte die Terrororganisation bis vor kurzem kontrolliert, etwa ein Drittel der Fördermenge exportierte der IS über Schmuggelrouten. Die Öl-Einnahmen beliefen sich der Bundesregierung zufolge zuletzt auf bis zu knapp 6 Millionen Euro monatlich – 2014 hatte das Geschäft nach früheren Berechnungen fünfmal mehr eingebracht. Nach jüngsten Vorstößen der kurdischen Peschmerga ist ein Teil der Ölfelder aber offenbar nicht mehr in der Hand des IS.