Heiligenhaus. . So beliebt wären Lehrer wohl auch gern, aber ob sie auch von ihren Schülern gestreichelt werden wollen? Ein Schulhund sorgt an der Realschule in Heiligenhaus seit kurzem für ruhige Schüler im Unterricht und einen aufgeräumten Pausenhof.

Das neue Kollegiumsmitglied erzieht die Schüler, ohne auch nur ein Wort zu sagen. In seinem Büro fläzt er sich, alle Viere von sich gestreckt, in die Ecke. Noten verteilt er grundsätzlich keine, stattdessen begegnet er seinen Schützlingen auch schon mal Nase an Nase. Bei der Wahl seiner Arbeitswerkzeuge setzt er auf treuen Hundeblick und kuscheliges Fell statt Kreide und Rotstift. Der neue Sozialarbeiter an der Realschule ist ein 16 Monate alter Schäferhundmischling mit Namen Balou. Seit den Osterferien ist er als Schulhund im Einsatz.

Als solcher ist er der vierbeinige Assistent des menschlichen Schulsozialarbeiters Dennis Siever. Ihn begleitet er, stets an der Leine geführt, in Klassenzimmer, in die Pausenaufsicht und zu Beratungsgesprächen. Besonders bei Letzteren zeigt Balou psychologisches Feingespür. Siever erzählt: „Ich habe hier manchmal Mädchen sitzen, die bitterlich weinen. Dann kommt der Hund und legt seinen Kopf auf ihren Schoß, und schon ist die Situation viel entspannter.“ Bislang ist die Zusammenarbeit ein Probelauf auf vier Pfoten und zwei Füßen, denn nur eine Hälfte des tierischen Tandems ist professionell für seine Aufgabe ausgebildet: Sozialarbeiter Siever. Aber auch Balou soll ein Profi werden.

„Es ist geplant, Balou im Biologieunterricht einzusetzen“

Dazu werden Hund und Herrchen zusammen eine Ausbildung absolvieren, die sie zum „Therapie- und Besuchshund-Team“ qualifiziert. An fünf mal zwei Tagen lernen sie bis zum Mai 2013 Möglichkeiten und Grenzen des pelzigen Pädagogen kennen. Der Stoffplan des Seminars liest sich wie ein Referendariat in Kurzform: Lerntheoretische Grundlagen und Methoden stehen ebenso auf dem Stundenplan wie Therapie- und Pädagogikmaterialien für die Einsätze. Ein ausgebildetes Therapiehund-Team sind Siever und sein Hund erst, wenn sie die – praktische und theoretische – Abschlussprüfung bestanden haben.

Dann wird Balous Arbeit an der Realschule erst richtig losgehen. „Es ist geplant, Balou im Biologieunterricht einzusetzen“, gibt Siever ein Beispiel. In den fünften und sechsten Klassen soll „Balüchen“, wie ihn sein Herrchen liebevoll nennt, zeitweise sein freundliches Wesen vergessen und die Zähne zeigen. Die werden dann nämlich durchgenommen. Auch eine Agility-AG im Schulgarten schwebt Siever vor. Den wird die Realschule dann wohl vergrößern müssen.

Ein Sozialarbeiter für Kuschel-Pädagogik

Denn der dunkle Balou ist bekannt wie ein bunter Hund. Schüler mutieren spontan zu Streichel-Paparazzi, wann immer er durch die Schule streift: Mädchen vergessen das sorgfältig gestylte Outfit, aufgesetzt coole Möchtegern-Machos werden wieder zu normalen Jungs, und aller Hände kennen nur ein Ziel: Balous Fell. „95 Prozent der Schüler reagieren gut auf ihn“, beschreibt Siever nüchtern, was sich in jeder Pause in seinem Büro abspielt: Kaum hat es geklingelt, entern Teenager den Raum: „Wo ist Balou?“, „Darf ich ihn mal führen?“, „Er geht raus: Können wir mitkommen?“, wollen sie wissen. Sie dürfen – wenn sie sich an bestimmte Regeln halten.

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Balous Beliebtheit ist das Pfund, mit dem Dennis Siever wuchern kann. Bevor er mit dem Hund in den Unterricht geht, stellt er Ansprüche: „Es muss ordentlich sein, wenn Balou in die Klasse kommt.“ Denn alles, was herumliegt, könnte zu einer Gefahr für den Hund werden, wenn er etwa liegengebliebenes Papier herunterschluckt. Und den Vierbeiner gefährden, das wollen die Schüler auf gar keinen Fall. Deshalb wirken Sievers Aufforderungen zur Ordnung nachhaltig. „Das hat eine ganz andere Wirkung, als wenn das ein Lehrer sagt. Das funktioniert auch auf dem Schulhof super. Seit Balou da ist, liegt da 50 Prozent weniger rum.“

Für Ordnung sorgt Balou auch im Unterricht – und nicht etwa für das Chaos, das man vermuten könnte beim Gedanken an einen Hund, der frei durch die Klasse stromert. Lehrer Bernd Volkhausen gibt zwar zu: „Man ist am Anfang ein bisschen abgelenkt.“ Doch nicht nur die Schüler, auch das unterrichtende Personal möchte Balou nicht mehr missen. Ein „Lautstärkewächter“ sei Balou, freut sich Volkhausen. Denn von Siever wissen die Schüler um die empfindlichen Hundeohren – und verhalten sich automatisch ruhig. Ganz ohne Ermahnung.