Heiligenhaus. In einem neuen Labor der Hochschule Bochum können die Studenten lernen, wie künstliche Intelligenz funktioniert und wie man sie perfektioniert.

Der Kontrast könnte kaum größer sein: Auf dem Parkplatz der Hochschule Bochum auf dem Campus Velbert/Heiligenhaus (CVH) steht ein knallgelber VW Käfer, Baujahr 1972. Ohne Servolenkung, ohne ABS, ohne anderen technischen Schnickschnack. Wenige Meter weiter – im ersten Stock – ein ganz anderes Bild: Dort dreht ein Modellauto seine Runden. Autonom – also ohne dass jemand das Fahrzeug über eine Fernbedienung steuert. Der „Racer“ erkennt automatisch Kurven und Hindernisse, lenkt entsprechend und weicht bei Bedarf aus.

Das automatisierte Fahren, wie es auch auf Straßen immer mehr zum Einsatz kommt, verspricht viel: Mehr Komfort, höhere Sicherheit, bessere Effizienz. Dahinter steckt eine komplexe, ausgeklügelte Technik. Kameras und Sensoren erfassen die Umgebung, kommunizieren mit einem Rechner, auf dessen Bildschirm lange Codezeilen entstehen, die für den Laien unverständlich sind.

Im Labor in Heiligenhaus greifen viele Komponenten und Prozesse ineinander

Am Computer steht Prof. Markus Lemmen mit den wissenschaftlichen Mitarbeitern Jan Weber und Sven Wallner sowie den Bachelorstudenten René Kolling und Kilian Wittke. Sie diskutieren angeregt: Was kann noch optimiert werden? Wie können neue Funktionen in bestehende Prozesse eingebettet werden? Künftig soll das Modellauto auch auf Straßenschilder und rote Ampeln reagieren, ohne dass der Mensch aktiv eingreifen muss. „Es ist ein unheimlich komplexes Thema, da eine Vielzahl von Komponenten zusammenspielen müssen“, so der Professor für Regelungs- und Fahrzeugsystemtechnik, der früher beim Automobilhersteller Ford gearbeitet hat. „Die Intelligenz eines sechsjährigen Kindes künstlich abzubilden, ist schon eine große Herausforderung.“

Auf diesem Computer im Labor laufen alle Daten ein: Der wissenschaftliche Mitarbeiter und Masterstudent Sven Wallner optimiert die Programmierung für das autonome Fahren.
Auf diesem Computer im Labor laufen alle Daten ein: Der wissenschaftliche Mitarbeiter und Masterstudent Sven Wallner optimiert die Programmierung für das autonome Fahren. © FUNKE Foto Services | Christof Köpsel

Das Projekt läuft seit gut einem Jahr am CVH der Hochschule Bochum

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Automatisierung und künstliche Intelligenz (kurz: KI) – diese Themen werden künftig noch mehr als heute unseren Alltag bestimmen. Da ist sich Prof. Lemmen sicher. Und so ist es ihm wichtig, seine Studenten im Studiengang Mechatronik, Schwerpunkt KI, gut auf ihr Berufsleben vorzubereiten. Im vergangenen Jahr wurden die Grundlagen für eine entsprechende „Teststrecke“ im Labor für Fahrzeug- und Regelungstechnik geschaffen, indem dem etwa 50 Zentimeter langen Fahrzeug nach und nach das autonome Fahren beigebracht wurde. „Man muss sich das in etwa so vorstellen, dass wir mit einem Computer angefangen haben, auf dem lediglich das Betriebssystem installiert war – aber keine Programme.“ Diese wurden nach und nach ausgewählt, in Betrieb genommen, miteinander verknüpft, so dass sie untereinander kommunizieren. Vom heimischen Rechner weiß man: Das klappt nicht immer störungsfrei. Manchmal harmoniert Programm A halt einfach nicht mit Programm B. Und keiner weiß, warum das so ist.

Bildergalerie: Einblicke in das Labor für Fahrzeug- und Regelungstechnik

Studenten müssen sich immer wieder entscheiden, welchen Weg sie gehen wollen

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„Zu den Aufgaben gehört auch“, so Prof. Lemmen, zu entscheiden, auf welchem Weg man zum Ziel kommen will.“ Ein Beispiel: Das von der am Modellauto installierten Kamera gelieferte Bild konnte nicht optimal verarbeitet werden. Die Folge: Das Fahrzeug blieb nicht exakt in der Spur. Statt aufwendig den Quellcode umzu-programmieren und anzupassen, entschied sich das Team aber, eine andere Kamerahalterung zu konstruieren. „Das war der bessere, schnellere Weg“, lobt Prof. Lemmen. Und so hat die Arbeit mit künstlicher Intelligenz auch immer noch mit handwerklichem Know-how zu tun.

Der Reiz: Erlerntes Theoriewissen kann in der Praxis angewendet werden

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„Der Reiz für mich ist, dem System immer neue Fähigkeiten beizubringen“, sagt Student René Kolling. „Und zu sehen, dass sich das Fahrzeug dann in der Praxis tatsächlich bewegt und so verhält, wie man es in der Theorie geplant hat“, ergänzt Kommilitone Kilian Wittke. Sie fühlen sich so gut gerüstet für die Arbeitswelt – denn das am Fahrzeug Erlernte sei auch auf andere Bereiche der Automatisierung anwendbar, beispielsweise auf die Erkennung von Teilen auf einem Förderband.

Nun freuen sich die Studenten erst einmal auf den 20. Mai: Dann treten sie mit ihrem „Racer“ in München beim Autonomous Driving Cup des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI) an. „Wir rechnen zwar nicht mit einem Sieg, hoffen aber auf ein paar Punkte“, so Prof. Lemmen.

>>>Der Studiengang

Im Herbst beginnt am Campus Velbert/Heiligenhaus der nächste Bachelor-Studiengang Mechatronische Systeme, der sieben oder kooperativ neun Semester Regelstudienzeit umfasst. Einen Numerus clausus gibt es nicht.

Studenten erfahren, wie mechatronische Systeme konstruiert und entwickelt werden, wie man sie programmiert, testet und in Betrieb nimmt. Grundlagen der Mathematik, Informatik, Elektrotechnik und Mechanik sind genauso Bestandteile des Studiums, wie Kenntnisse über Projektmanagement, Mess- Steuerungs- und Regeltechnik, Robotik, Automatisierungs- und Fahrzeugtechnik.

Wer sich für den Studiengang interessiert, kann sich auf hochschule-bochum.de informieren oder von Christine Heinrichs, 02056 58 48 16 815, beraten lassen.