Wuppertal. Vor dem Landgericht Wuppertal gestand ein Heiligenhauser, Frauen misshandelt und zur Prostitution gezwungen zu haben. Es gab noch mehr Details.
Er habe seine Opfer an den Haaren gezogen und geohrfeigt und die Frauen streng kontrolliert, als sie für ihn überregional in Sex-Clubs arbeiteten. Und er habe den Löwenanteil vom Prostituierten-Lohn abkassiert, während die Geschädigten „vielleicht“ Hartz IV bezogen: Mit einem umfassenden Geständnis bestätigte ein 29 Jahre alter Angeklagter aus Heiligenhaus vor dem Landgericht in Wuppertal am Dienstag alle Anklagepunkte in einem Verfahren um sexuelle Ausbeutung.
Angeklagter gab Zuhälterei bei zwei gerade volljährigen Frauen zu
So gab der Mann zu: Er sei der Zuhälter zweier grade volljähriger Frauen gewesen, mit denen er zeitweise parallele Beziehungen führte. Eine der Frauen soll vorübergehend mit ihm bei seinen Eltern gelebt haben. Sie sei nicht zur Schule gegangen, um stattdessen anschaffen gehen zu können. Die zweite Frau soll versucht haben, durch die Sex-Tätigkeit Handy-Schulden zu tilgen.
Der angeklagte Mann ist vorbestraft und hat keine Berufsausbildung. Anders als bei ausgenutzten Gefühlen nach der sogenannten Loverboy-Methode sei seine klare Ansage gewesen: „Ich will eine Freundin, die für mich anschafft.“ Sonst könne er sie nicht „gebrauchen“. Eine der Frauen soll vor dem Angeklagten geflohen sein, nachdem er sie geschlagen hatte. Bei der Polizei habe sie unter Tränen ausgesagt.
Schweigen bei Fragen zum Rocker-Milieu
Ende August 2018 wurde der Mann dann verhaftet. Die Verhandlung zu Taten zwischen Mitte 2011 und 2014 läuft aber auf schmalem Grat. Hintergrund sind angebliche Verstrickungen des Mannes ins Rocker-Milieu, zu denen er schweigt. Sobald das Thema auf den Tisch kam, tippte der schlanke Angeklagte sichtlich nervös einen seiner Anwälte an. Im Publikum hörte der Rocker-Experte des Polizeipräsidiums Düsseldorf zu.
Eine zorngeladene Predigt des vorsitzenden Richters gab es da ungewöhnlicherweise statt für den Angeklagten diesmal für die Gegenseite. Die Anwältin einer Frau hatte Geld-Rückforderungen angesprochen und kommentiert: „Keinen Cent wird meine Mandantin sehen, weil er ‚mittellos‘ ist. Und das bei einem Angeklagten, der keinen Pflichtverteidiger hat, aber dafür drei teure Wahl-Anwälte!“ Der 29-Jährige hatte weiter angegeben, er lebe seit dem Ende der Taten von Hartz IV. Die Antwort des Richters: „Klar, da kann man spekulieren. Vielleicht unterstützt ihn die Familie. Oder die Hells Angels und ‚Clan 81‘.“
Gericht bietet Absprache an
Beide Vereine hatte die Landesregierung 2017 in Erkrath verboten, Durchsuchungen gab es unter anderem in Heiligenhaus, am Niederrhein, in Düsseldorf und Köln. Der Richter fügte hinzu: „Deswegen hatten wir auch schon die Sicherheitsvorkehrungen verschärft. Und dann ist keiner von denen gekommen. Am Ende, weil die Anwälte gesagt haben, sie sollen das lassen. Wer weiß.“
Das Gericht verhandelt dabei nach einer Absprache: Bei vollem Geständnis beträgt die Strafe zwischen drei und vier Jahren Gefängnis. Bewährung gibt es bei der Höhe nicht. Wenn alles so läuft, brauchen die Frauen nicht auszusagen. Wenn weiter aufgeklärt werden müsste, allerdings doch. Die donnernde Ansage des Richters an die Anwältinnen der Frauen: „Wir sind in 14 Jahren drei Mal eine Absprache eingegangen. Das ist diesmal möglich, weil es nicht um Kindesmissbrauch geht. Wir machen das hier so, um den Frauen die Tortur einer Aussage zu ersparen. Es geht doch nicht um ein paar Stunden Fragen. Das kann Monate dauern! Und die Fragen der Verteidigung könnten wir nicht verhindern!“
Urteil soll am 12. Juli verkündet werden
Der Richter fügte hinzu: Das Gericht werte die Absprache durch den Angeklagten als erfüllt. Abweichungen gibt es beim Geld: 40.000 Euro Profit aus den Taten nennt die Verteidigung als Mindestbetrag. Mutmaßliche 130.000 Euro rechnet die Staatsanwaltschaft vor. Fazit des Richters: „Ohne die Frauen zu befragen, können wir das nicht aufklären. Mit den Frauen allein voraussichtlich auch nicht.“
Absprache im Strafprozess
In Strafprozessen können sich die Richter vor dem Urteil festlegen, wie hoch die Strafe ausfallen kann. Grundlage ist eine Verständigung zwischen Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung.
Der Anteil des Angeklagten ist ein volles Geständnis. Dadurch sollen Zeuginnen oder Zeugen Aussagen erspart werden, die sie womöglich schwer belasten würden.
Das Gericht muss die Angaben des Angeklagten überprüfen. Im aktuellen Prozess befragten die Richter dazu die Leiterin der Ermittlungen.
Das Gericht will am 12. Juli weiter verhandeln und am selben Tag voraussichtlich das Urteil verkünden. Den Untersuchungs-Haftbefehl des Angeklagten hoben die Richter auf: Nach dem Geständnis kann er die Aufklärung nicht mehr verhindern. Eine Anwältin der Frauen verdrehte die Augen zur Saaldecke.