Heiligenhaus. . Die frühere Bürgermeisterin Helga Schniewind berichtete im VHS-Erzählcafé von ihrer Jugend in Pommern. Wie sie den Weg nach Heiligenhaus fand.
„Das ist Stoff für einen schönen Fernsehfilm“, findet Peter Ihle beim Blick auf das bewegte Leben seines Gastes beim jüngsten VHS-Erzählcafé. Der ehemalige Heiligenhauser Bürgermeister konnte am Wochenende am Südring seine Vorvorgängerin im Amt begrüßen: Helga Schniewind war von 1979 bis 1984 erste Bürgermeisterin der Stadt Heiligenhaus – Und konnte den Anwesenden viele spannende Geschichten erzählen.
„Damals gab es ganz viele Frauen in diesem Amt, die Hälfte der Bürgermeister der zehn kreisangehörigen Städte war weiblich“, erinnert sich die 92-jährige Schniewind, der man das Alter nicht anmerkt. „Geboren wurde ich am 11.11.1926. Erst als ich ins Rheinland kam, habe ich gemerkt, dass das ein ganz besonderes Datum ist.“ Mit vier weiteren Geschwistern („Ich bin das Mittelstück“) wuchs Helga Snethlage in dem Gutsdorf Borntin in Hinterpommern auf.
Kindheit auf einem Rittergut verbracht
Der Großvater, ein Offizier, der an der Kriegsakademie in Stettin Lehrer war, wurde durch die Heirat mit Marie von Borwitz Besitzer des Rittergutes, wo der Vater als Administrator tätig war. Preußische Disziplin war an der Tagesordnung. „Wie verbrachte man als Kind ohne Handy den Tag“, will Peter Ihle wissen. „Wir haben mit den Dorfkindern gespielt, eine besondere Verbundenheit hatten wir zu den Tieren“, entgegnet Schniewind. „Aha, daher kennen Sie fast jede Vogelstimme“, hakt Ihle nach.
Untereinander wurde damals Plattdeutsch gesprochen, erwachsene Fremde wurden respektvoll mit einem Knicks begrüßt. Die ersten vier Schuljahre lernte die kleine Helga an der Dorfschule, danach ging es in ein Nachbardorf, wo die Frau des Pastors eine Studienrätin war. „Wir waren nicht sehr anspruchsvoll. Obwohl die Familie viel Land hatte, war das Geld knapp, Schule kostete Geld, ohne die Pension des Großvaters wäre die höhere Schule nicht möglich gewesen. Ab der Quinta besuchte Helga Snethlage mit zwei Geschwistern das Lyzeum im 36 Kilometer entfernten Belgard, wo eine kleine Wohnung angemietet wurde, der Nachwuchs stand unter der Obhut des Kinderfräuleins.
Flucht vor der Roten Armee
Nach dem Abitur im Februar 1944 ging es zum Arbeitsdienst. Im Januar 1945 rückte die Ostfront näher, Flüchtlinge aus Ostpreußen berichteten Schlimmes über die Rote Armee, die Familie entschloss sich auch zur Flucht. Auf der mit Menschen und Gepäck vollgestopften Ladefläche eines Militärlasters, der Sprengstoff aus Berlin holen sollte, ging es nach Westen. Helga und ihre Mutter ließen sich in Mecklenburg an einem Bahnhof absetzten, mit viel Glück ergattern sie einen freien Platz in einem Flüchtlingszug nach Flensburg, von dort schlug man sich zur Tante in einem Dorf bei Kiel durch.
Später kam Helgas Vater aus amerikanischer Gefangenschaft und fand durch Bekanntschaften auf einem Bauernhof im rheinischen Bergheim Unterschlupf, wohin der Rest der Familie folgte. Aufgrund ihrer Sprachkenntnisse bekam Helga einen Job bei der Briefzensur der Briten. „Da durfte ich anderer Leute Post lesen“, erinnert sie sich. Kurz danach fand sie eine Stelle als Sekretärin beim Verband der Deutschen Mineralbrunnen.
1949 lernte Helga Schniewind ihren späteren Mann kennen
Ende 1949 lernte sie bei den Eltern ihren späteren Mann kennen, der sogar aus Borntin kam. „Unsere Eltern waren Nachbarn, er hatte mich früher nicht beachtet, da er zehn Jahre älter war.“ 1953 wurde geheiratet, Rudolf Schniewind hatte sich immer für Technik interessiert. „Autos – das war seins“. Durch Verwandtschaft in Neviges verschlug es die junge Familie in Niederbergische, Rudolf Schniewind bekam eine VW-Vertretung. „Als Richtfest für die Firma am Ehemannshof gefeiert wurde, kam der fünfte und jüngste Sohn zur Welt. Später wurde ein Haus auf dem Acker von Bauer Einloos im heutigen Vogelviertel gebaut, wo Helga Schniewind immer noch wohnt.
>> GROSSES GESELLSCHAFTLICHES ENGAGEMENT
- Helga Schniewind engagierte sich in Elternpflegschaften, später als Übungsleiterin und in anderen Funktionen beim Turnverein Hetterscheidt.
- Schließlich kam sie mit der FDP in Kontakt, wurde in den Rat gewählt. Zunächst war sie stellvertretende Bürgermeisterin, durch Absprachen zwischen den Parteien wurde sie dann 1979 Bürgermeisterin. „Ich habe das gern gemacht“, sagt sie.
- Ein besonderes Anliegen war ihr der Ausbau der Beziehungen zu den Partnerstädten. Im Alter von 61 Jahren radelte sie mit anderen Heiligenhaus ins französische Meaux.