Heiligenhaus. . Zehn Jahre hat sie unter anderem als Jugendgerichtshelferin viele Heranwachsende begleitet. Was sie vermissen wird und wohin es sie zieht.
Manchmal ist einfach Zeit für was Neues. Das Gefühl hat Giuseppina Cagna. Jugendgerichtshelferin wird nur noch wenige Tage für das Jugendamt im Dienst sein – Ende Mai ist nach gut zehn Jahren Schluss. Eine neue Stelle zieht die 36-Jährige nach Düsseldorf.
Giuseppina Cagna sitzt vor der Gesamtschule und betrachtet das letzte Graffiti-Kunstwerk, dass in den Osterferien entstanden ist. Solche Projekte hat es in den letzten Jahren einige gegeben. Bei der künstlerischen Maßnahme konnten Jugendliche ihre Sozialstunden ableisten – und Cagna hatte die Möglichkeit, die kleinen und manchmal auch ganz großen Rabauken zur Seite zu nehmen.
Nicht jeden Jugendlichen kann man retten
Reden, das ist eine der Hauptaufgabe von Cagna – doch nicht nur reden, sondern auch handeln, das versuchte sie ihren Schützlingen immer mit auf den Weg zu geben. „Das Wichtigste ist doch, dass man immer wieder aufsteht“, sagt Cagna. Und da ist sie stolz, dass einige ihrer Klienten das geschafft haben, auch wenn es manchmal ganz schön schwierig gewesen sei. „Man muss in dem Job auch akzeptieren, das man nicht jeden retten oder auf den richtigen Weg bringen kann.“
Das Wichtigste sei ihr dabei: „Man muss den Jugendlichen immer mit einer Prise Respekt begegnen. Denn das sind sie von zuhause oftmals gar nicht gewöhnt – und auch nicht, dass sich jemand wirklich um sie sorgt und sich kümmert.“ Die Wertschätzung des einzelnen gehe immer mehr unter, „die Gesellschaft ist schon rauer geworden, manchmal sogar erschreckend.“ Besonders auffällig sei dies bei den Themen Sex und Gewalt. „Die Jugendlichen sehen Videos im Internet und halten das für normal.“ Dann sei eben Aufklärung angesagt, „da fange ich oft ganz, ganz von vorne an.“
Die Problemfälle machen erst den Reiz aus
Doch nicht nur den netten Ton beherrscht Cagna, „die Jugendlichen wussten, dass sie von mir auch mal eine verbale Packung bekommen konnten“, berichtet sie lachend. „Man muss ihnen Raum geben, sonst kommt man auch nicht weiter, dann machen sie zu.“
Viele Fälle haben die Diplom-Sozialarbeiterin begleitet. Hier, in der Gesamtschule, begann sie, „da war ich Schulsozialarbeiterin im Anerkennungsjahr.“ Anschließend ging es für sie zur Stadtverwaltung in die Jugend- und Sozialarbeit. „Das ich einmal in der Jugendgerichtshilfe lande, das hätte ich damals auch nicht gedacht“, sagt Cagna. Schon während ihres Abiturs sei Cagna klar gewesen, dass sie einmal mit Kindern arbeiten wolle, „die Problemfälle machen für mich auch eigentlich erst den Reiz aus.“
Cagna bleibt bei den Flyin Tunes
Die Arbeit, die habe ihr viel Spaß gemacht – sie ist sehr dankbar für all die Begegnungen, die sie hatte, und für all das, was sie lernen konnte, doch sei nun ein guter Zeitpunkt, um die Perspektiven zu wechseln und den Horizont zu erweitern. „In dem Job muss man sich selber schützen und gut auf sich aufpassen.“ Die Arbeit mit nach Hause nehmen, das sei die größte Gefahr. „Da habe ich immer einen guten Weg gefunden, ich kann das gut trennen.“ In ihrem neuen Job hat sie nicht mehr unmittelbar Kontakt zu den Betroffenen. Als pädagogische Fachkraft einer großen Institution kümmert sie sich um die Mitarbeiter.
Ein lachendes, ein weinendes Auge hat sie, wenn sie an den Abschied denkt. Auch wenn sie nun gehe, vergesse sie viele ihrer Klienten nicht, „ich werde sie wirklich vermissen. Aber es ist Zeit für mich für etwas anderes und ich freue mich schon sehr auf meine neue Aufgabe.“ Ein wenig wird Cagna den Heiligenhausern aber erhalten bleiben. „In meiner Band, den Flyin Tunes, werde ich weiter aktiv sein. Hier danke ich der Musikschule, dass sie dieses Projekt ermöglicht hat.“ Auftreten wird sie beim Stadtfest. Und was gibt sie ihren Schützlingen mit auf den Weg? „Es gibt jeden Tag Entscheidungen zu treffen und Selbstverantwortung zu übernehmen – und jeden Tag aufs Neue die Chance, für die eigene Zufriedenheit zu sorgen.“