Auf der Suche nach geeigneten Laichgewässern machen sich die Amphibien in der Dämmerung auf den Weg. Freiwillige helfen ihnen über Straßen.

Das Wetter ist endlich frühlingshaft. Die Kröten sind jetzt aus ihrer Winterstarre erwacht, haben sich aus ihren Erdlöchern ausgegraben und begeben sich zu ihren Laichgewässern. Der Naturschutzbund rechnet bundesweit mit „massivem Wanderverkehr“. Damit die Tiere heil zu ihren Teichen kommen, haben der Kreis und Tierschützer in Heiligenhaus Krötenzäune aufgestellt, die allmorgendlich von Freiwilligen kontrolliert werden.

Einer von ihnen ist Ingo Gehrmann. Mittwochmorgen fährt er über die Kalkschienen, dorthin wo Angerweg und Kleinhofweg sich beim Hof Zu Ehren treffen. „Heute ist richtiges Krötenwetter“, freut er sich und zieht seinen gelben Regenmantel über, „es ist feucht, aber nicht kalt und nicht windig.“ Am kleinen grünen Zaun sind 15 Eimer eingegraben, in den die Tiere hineinfallen. Der 40-Jährige oder weitere Helfer sammeln sie vor der Mittagssonne auf, tragen sie über den Angerweg und setzen sie am Teichufer gegenüber ab.

Die Straße ist eine Todesfalle

Ingo Gehrmann möchte den Tieren helfen.
Ingo Gehrmann möchte den Tieren helfen. © Alexandra Roth

Denn die Straße ist für die Erdkröten eine Todesfalle. „Die Männchen sind auf Brautschau, auf der Straße können sie am besten nach einem Weibchen Ausschau halten“, weiß Gehrmann. Es gebe einen deutlichen Männchenüberschuss, daher wollten alle männlichen Tiere möglichst die ersten sein, die die deutlich größeren und stärkeren Weibchen auf dem Weg zum Laichteich besteigen. Ohne Zaun würden ab der Dämmerung dutzende Erdkröten auf dem Angerweg hocken, „und den Autotod sterben“. Doch nicht nur Reifen zerquetschen sie, fahrende Autos erzeugen ab 30 Stundenkilometern Luftstöße und Unterdrücke, die die Lungen der Tiere zerfetzen.

Gekonnt greift der 40-jährige Gehrmann in einen Eimer und holt direkt ein Pärchen heraus. Das riesige Weibchen präsentiert er auf seiner Handfläche. „Ein Prachtexemplar“, frohlockt er, es sei einige Jahre alt, und der pralle Bauch voller Laich. Das kleinere Männchen sitzt auf dem breiten Rücken, bereit zur Paarung. 62 Erdkröten bringt Gehrmann an dem Tag hinüber zum Teich – eine gute Ausbeute.

„Ich habe ein Herz für Außenseiter“, sagt der Tierschützer und Veganer, „Kröten finden viele hässlich und eklig, deshalb mag ich sie besonders.“ Oft nimmt er seine dreijährige Tochter Ida mit, „sie hat noch ein bisschen Angst vor den Kröten, aber kommt immer nah ran und schaut sie sich ganz genau an.“ Zudem trage sie engagiert den roten Eimer, in dem ihr Papa die Tiere für den Gang zum Teich einsammelt. „Der Mensch greift so viel in die Natur ein, macht so viel kaputt. Indem ich den Kröten helfe, sich zu paaren, gebe ich der Natur etwas zurück.“

Das Weibchen trägt das Männchen.
Das Weibchen trägt das Männchen. © Alexandra Roth

Bundesweit immer weniger Tiere

Als lästige Pflicht sieht er es nicht, frühmorgens die Amphibien aus ihren Eimern zu befreien, im Gegenteil: „Das ist ein guter Start in den Tag. Wenn die Sonne aufgeht, ist es echt schön hier.“

Das sieht nicht nur Ingo Gehrmann so. Viele Freiwillige helfen alljährlich in Heljens bei der Krötenwanderung, sagt Organisator Ingmar Janssen. Diesmal sind 30 Helfer am Angerweg und in der Abtsküche dabei. Die Population nehme zwar bundesweit ab, doch das Engagement in Heiligenhaus helfe, dieser Entwicklung vor Ort ein wenig entgegenzusteuern.

„Richtig gut wird es dieses Jahr nicht“, sagt Janssen. Viele Tiere seien noch nicht erfasst und lange würden sie nicht mehr wandern. „Aber wir haben bisher noch keine toten Tiere gefunden.“ Das sei schon viel wert, und die Menschen würden im Sommer die Nutznießer sein, dass möglichst viele überlebt und abgelaicht haben. „Denn die Kröten fressen Schadinsekten.“

>>> IMMER WENIGER KRÖTEN GESAMMELT

  • Zwei Krötenzäune gibt es in Heiligenhaus, am Angerweg und an der Abtskücher Straße. Die Hofermühle hat zudem einen Krötentunnel.
  • Seit den 80ern helfen Heiligenhauser den Kröten, so Ingmar Janssen, und seit 2001 erfasst er die Anzahl geretteter Tiere. Den Höchstwert von 3272 Kröten gab es im Jahr 2006, seit 2011 lag die Zahl nur einmal knapp über 1000. Das vergangene Jahr war für die Tierschützer mit 406 ein besonders schlechtes Jahr. Diesmal sind bis zum 4. April erst 261 Kröten gerettet, doch die Wanderungen werden noch ein paar Wochen weitergehen.