Heiligenhaus. . Entlang der Hauptstraße entstand der erste Siedlungsbereich. Die Verkehrsader war für die Entwicklung der Stadt von entscheidender Bedeutung.

Heiligenhaus wurde landläufig gerne als „Straßendorf“ bezeichnet. Dieser Name und die Entwicklung vom ersten Siedlungsbereich bis zur heutigen Stadt Heiligenhaus sind untrennbar mit einer Verkehrsader verbunden: Der Hauptstraße. Ende 2017 wurde ihr jüngster Umbau weitestgehend abgeschlossen, doch ihre Geschichte reicht mindestens bis ins ausgehende Mittelalter zurück.

Wie wichtig die Hauptstraße für die Entstehung und das Wachstum von Heiligenhaus war, weiß Stadtarchivar Hartmut Nolte. „Die Hauptstraße hat natürlich entscheidende Bedeutung, weil um sie herum überhaupt erst eine Besiedlung entstanden ist.“ Erwähnt wird der „hilgen weghe“ (etwa: Heiligenweg) erstmalig im Jahr 1506. Er führte vorbei an der Hubertuskapelle, die im 15. Jahrhundert errichtet worden war. „Von ihr hat der heutige Kirchplatz seinen Namen“, erklärt Nolte.

Erste Häuser entstanden um die Hubertuskapelle

Damals waren Wege nicht selten auf Hügel- oder Bergrücken angelegt. So auch in Heiligenhaus. „Von einer richtigen Straße kann man da natürlich noch nicht sprechen, das war damals eher ein Trampelpfad“, stellt Stadtarchivar Hartmut Nolte klar.

Eine weitere Erwähnung findet die Hauptstraße dann im Jahr 1706 als „landstraß von Elverfelt in Hollandt“ – sinngemäß: die Landstraße von Wuppertal-Elberfeld in Richtung Holland. Nolte: „Wenn man aus unserer Gegend nach Holland wollte, musste man über die Hauptstraße.“

Diese Postkarte zeigt die Hauptstraße/Ecke Kurze Straße, vermutlich in den 1920er Jahren.
Diese Postkarte zeigt die Hauptstraße/Ecke Kurze Straße, vermutlich in den 1920er Jahren.

1704 standen im Bereich um die Hubertuskapelle zwölf Häuser, weiß Nolte. Doch die Siedlung sollte sich ab 1706 entlang der Hauptstraße ausbreiten. „Der Landesherr brauchte damals Geld und vergab Grundstücke in Erbpacht.“ Vor allem Handwerker und Arbeiter in der Eisenbearbeitung siedelten sich an der Hauptverkehrsader an. Die Grundstücke muteten aus heutiger Sicht jedoch etwas seltsam an. Sie hatten nur eine sehr schmale Fläche zur Straße hin und verliefen schlauchartig in Nord- bzw. Südrichtung.

Bis der nächste Schritt im Straßenbau erfolgte, sollten noch rund eineinhalb Jahrhunderte vergehen. 1844 wurde der Beschluss zum „chausseemäßigen Ausbau“ bis zur Hofermühle beschlossen und 1852 fertig gestellt. Chaussee bedeutet in diesem Fall festgeklopfte Steine – keine Straße im heutigen Sinne. Jedoch wurden Wegeverbindungen immer wichtiger, so Nolte. „Besonders in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhundert, als die Industrialisierung Einzug hielt.“ Der Name Hauptstraße wurde 1892 eingeführt, „damals noch von Velbert, Heiligenhaus wurde ja erst 1897 selbstständige Landgemeinde“, erklärt Nolte.

Straßenbahn hatte große Bedeutung

Eine Pflasterung der Hauptstraße erfolgte dann nach und nach. 1898 wurde beispielsweise der Bereich von der Suitbertus-Kirche bis zum Hotel zur Krone (heute Woolworth) gepflastert. 1928 folgte ein letzter noch ungepflasterter Teil im Oberort von der ehemaligen Post (heute DRK) bis zur Parkstraße. Heute gehören Bürgersteige selbstverständlich zur Hauptstraße dazu. „Vor der ehemaligen ev. Schule (heutiges Rathaus) wurde dieser aber beispielsweise erst 1911 angelegt.“

Vor mehr als 100 Jahren fuhr an der Hauptstraße noch eine Straßenbahn, wie diese Postkarte zeigt, die im Jahr 1902 verschickt wurde. Zu sehen ist hier die Haltestelle Denkmal vor dem heutigen Rathaus. Im Haus rechts in der Mitte ist heute die Gaststätte Ratskeller.
Vor mehr als 100 Jahren fuhr an der Hauptstraße noch eine Straßenbahn, wie diese Postkarte zeigt, die im Jahr 1902 verschickt wurde. Zu sehen ist hier die Haltestelle Denkmal vor dem heutigen Rathaus. Im Haus rechts in der Mitte ist heute die Gaststätte Ratskeller.

Historisch bedeutend war der Anschluss von Heiligenhaus an das Schienennetz der Bergischen Kleinbahn im Jahr 1899. „An der Anbindung hatte die heimische Schloss- und Beschlagindustrie ein großes Interesse, um ihre Waren schneller auf den Weltmarkt bringen zu können“, so Hartmut Nolte. Zuvor musste der umständliche Weg per Fuhrwerk zum Bahnhof Velbert oder Ratingen genommen werden. Die Bergische Kleinbahn wurde aus Velbert kommend elektrisch betrieben und führte bis zur Haltestelle Denkmal vor der Ev. Schule I (1919 wurde der Bau zum Rathaus umfirmiert und später auch erweitert). Dort, wo heute das Rathauscenter steht, standen damals das Bahnhofsgebäude und eine Wartungshalle. Vom Denkmal führte die Bahn dampfbetrieben weiter bis zum Bahnhof Hösel.

Befördert wurden Personen und Güter. „Die Güterwaggons wurden dann hinter die Personenwagen gespannt“, weiß der Stadtarchivar. Die Strecke vom Rathaus nach Hösel wurde bereits 1923 aufgegeben. „Die elektrische Strecke nach Velbert wurde 1952 durch den ökonomischeren Busverkehr ersetzt“, berichtet Nolte.

Auch die Bebauung veränderte sich deutlich

Ihr Gesicht veränderte die Hauptstraße aber bei der Bebauung. Während die Gebäude in der Oberstadt größtenteils Anfang des 20. Jahrhunderts entstanden und sich seither wenig veränderte, sieht das weiter Richtung Innenstadt anders aus. „1923 wurde im Zuge der Zusammenlegung der reformierten und der lutherischen Gemeinde die Lutherische Kirche abgerissen, wo dann von 1965 bis 2008 das Haus der Kirche stand“, erzählt Nolte.

Nach dem zweiten Weltkrieg wurden westlich vom Rathaus viele Fachwerkhäuser abgerissen. „Gerade auf der Nordseite sind viele neue Gebäude entstanden und die Straße wurde breiter.“ Gut zu sehen sei dieser Übergang am Mansfieldplatz. Nolte: „Mit der breiteren Straße konnte man auch dem aufkommenden Autoverkehr gerecht werden.“

Der Umbau dauerte viereinhalb Jahre

Die Hauptstraße wurde vor allem in jüngster Zeit stark umgestaltet. Von Juni 2013 an wurde sie viereinhalb Jahre umgebaut, seit Dezember ist auch der letzte von drei Abschnitten für den Verkehr freigegeben.

Am Kirchplatz gibt es nach dem Umbau einen Kreisverkehr.
Am Kirchplatz gibt es nach dem Umbau einen Kreisverkehr.

Ziel war es, die vorher zweistreifige Bundesstraße zu beruhigen und zu einer Einkaufsstraße zu machen, erklärt Tiefbauamtsleiter Michael Krahl. „Vorher galt dort eine zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 Stundenkilometern mit engen Gehwegen am Rand.“ Innenstadtcharakter habe das nicht gehabt. Das habe man mit dem Umbau ändern wollen: Eine Begrenzung auf Tempo 20, nur ein Fahrstreifen, eine fast durchgängige Querungsmöglichkeit für Fußgänger und ein Radstreifen wurden geschaffen. Vorher waren 20 000 Fahrzeuge pro Tag auf der Hauptstraße unterwegs, nun noch 3500, der Rest fahre über die Westfalenstraße, sagt Krahl. Auch Kanal, Wasser-, Gas- und Stromleitungen wurden erneuert.

Die Kosten von rund fünf Millionen Euro tragen die Anwohner zwischen 45 und 65 Prozent mit, in den Planungswerkstätten gab es auch Widerstand, zudem mussten Händler während des Umbaus schließen. Zwar werde der Angebotsstreifen für Radfahrer in Gegenrichtung zur Einbahnstraße ab und an noch falsch genutzt es gebe viele Falschparker. „Mit dem Ergebnis des Umbaus sind wir aber zufrieden“ so Krahl. Die Restarbeiten werden in den nächsten Wochen erledigt.

>>> NEUE SERIE ZEIGT STADT AUS HISTORISCHER PERSPEKTIVE

Wie sah in Heiligenhaus eigentlich früher aus? In der neuen Serie „Heljens historisch“ stellt die WAZ ausgewählte Standorte und Projekte vor, an denen deutlich wird, sie sehr sich das Stadtbild in den vergangenen Jahrhunderten, Jahrzehnten und Jahren gewandelt hat.

Beispiele sind Hauptstraße, Panoramaradweg, das Hitzbleck-Gelände oder das Kiekert-Areal. All diese Orte haben eine wechselvolle Geschichte und ihre Umgestaltung läuft derzeit noch oder ist bereits abgeschlossen.

Die WAZ blickt in dieser Serie nicht nur auf die jüngsten Veränderungen eines städtebaulichen Projekts zurück, sondern weiter in die Vergangenheit bis zu den Anfängen am jeweiligen Standort.