Heiligenhaus. . Zum dritten Adventswochenende wandert der Weihnachtswald ans Rathaus. Förster Johannsen erklärt, warum es im Wald am schnellsten besinnlich wird.

Tür auf, Weihnachtsmodus an: Im Umweltbildungszentrum riecht es schon seit Wochen nach Weihnachten. Hinter der Eingangstür warten hölzerne Sterne, Stämme und Tiere auf den Abtransport in die Innenstadt und verbreiten dabei ihren intensiven Holzgeruch im Gebäude. Pünktlich zur Eröffnung des Weihnachtsmarktes am 14. Dezember sollen rund 100 Holzfiguren den liebevoll gestaltete Weihnachtswald im Innenhof des Rathauses schmücken.

Die Idee, etwas abseits des Trubels, einen Ort der Ruhe zu schaffen, entwickelten Veronika Kautz vom Kulturbüro und Stadtförster Hannes Johannsen vor zehn Jahren. Seither ist der Weihnachtswald mit seiner lebenden Krippe vielen Heiligenhausern ans Herz gewachsen. Kleine Pfade führen durch das von vielen Lichtern erhellte Areal, Kinder rösten ihre Stockbrote über dem Feuer. Die auf Baumstämmen angebrachten Weihnachtsgedichte laden zum Innehalten ein.

Der Alltagshektik entfliehen

Victor Beck sägt die Ständer für die Bäume der Heiligenhauser Waldweihnacht am Rathaus aus.
Victor Beck sägt die Ständer für die Bäume der Heiligenhauser Waldweihnacht am Rathaus aus. © Ulrich Bangert

Aber nicht nur der von Menschenhand geschaffene Wald in der Innenstadt bringt die Besucher dazu, in der Alltagshektik zu verschnaufen. Auch der Wald selbst ist gerade im Winter für viele Menschen ein Ruhepol. „Im Wald wird es am schnellsten weihnachtlich“, findet Förster Hannes Johannsen. Gerade in der Zeit vor dem Fest sehnten sich viele Menschen nach Ruhe und Besinnlichkeit. „Im Wald findet man sie. Hier wird alles ruhiger“, sagt Johannsen.

Dass der Wald schon in früheren Jahrhunderten gerade zur Weihnachtszeit eine besondere Faszination ausübte, zeigt sich auch in der Literatur. Ihm widmen sich zahlreiche Weihnachtsgedichte. Deshalb stehen die Verse, die in diesem Jahr im Weihnachtswald am Rathaus ausgestellt werden, ganz im Zeichen der Waldweihnacht. Ausgewählt hat sie Irid Johannsen, Literatur- und Kulturwissenschaftlerin und Ehefrau des Stadtförsters. „Das hier ist mein Lieblingsgedicht“, sagt Hannes Johannsen und wedelt mit einem bedruckten Blatt Papier. Die Zeilen „Von drauss’ vom Walde komm ich her; Ich muss euch sagen, es weihnachtet sehr!“ aus Theodor Storms ‘Knecht Ruprecht’ gehören hierzulande zu den bekanntesten Weihnachtsversen. In seinem Werk beschreibt der Dichter, wie Knecht Ruprecht durch den winterlichen Wald läuft und das Christkind zu ihm spricht.

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Aufklärung hat die Dämonen des Waldes entzaubert

Doch nicht immer in der Geschichte der Menschheit war der Wald ein Ort des Friedens und der Weihnachtsstimmung. Es gab auch Jahrhunderte, in denen der Wald wenig Besinnlichkeit ausstrahlte. Dort lebten gefährliche Tiere, er galt als Rückzugsort für Räuber und Vogelfreie. „Der Wald im Mittelalter war dunkel, furchtvoll und bedrohlich“, erklärt Hannes Johannsen. Beispiele dafür findet man mit der bösen Hexe und dem Wolf auch in den Märchen der Brüder Grimm. „Im Wald lauerte die Gefahr“, ergänzt Irid Johannsen. Der Wald als Ort der Strafe und des Grauens, wie bei Hänsel und Gretel etwa, die von ihren Eltern im Wald ausgesetzt wurden. „Erst mit dem Zeitalter der Aufklärung wurden die Dämonen des Waldes entzaubert“, erklärt Irid Johannsen weiter.

Später in der Zeit der Romantik, Ende des 18. Jahrhunderts, verklärten die Menschen den Wald zum Gegenteil. Zu einem sehnsuchtsvollen Ort, an dem man seine Gedanken schweifen lassen konnte. Zu einem Ort, an dem sie sowohl körperliche als auch geistige Erholung fanden.

Wer sich erholen und dem Gewimmel des Heiligenhauser Weihnachtsmarktes für einen Moment entgehen möchte, kann zwischen dem 14. und 17. Dezember Tannenduft und Weihnachtsluft im Rathaus-Innenhof schnuppern.

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Frisch und möglichst dicht sollte er sein, die Nadeln weich und der Stamm gerade — die Tradition, sich zu Weihnachten einen Baum oder grüne Zweige ins Haus zu holen, gab es schon bei den Kelten. „Grüne Bäume sind ein Zeichen des Lebens, gerade im Winter“, erklärt Stadtförster Hannes Johannsen. Um das Jahr 1540 herum kamen die ersten Weihnachtsbäume in die Stuben. „Allerdings wurden sie damals noch aufgehängt. Erst im 18. Jahrhundert begann man, die Bäume aufzustellen“, sagt Johannsen.

Doch so einfach wie heute kam man in früheren Zeiten nicht an einen geeigneten Weihnachtsbaum. Vor allem dann nicht, wenn man in einer Stadt lebte. Denn die großen Fichtenwälder, die heute ganze Landstriche prägen, entstanden erst nach den beiden Weltkriegen. „Wegen der Reparationszahlungen, die Deutschland an die Siegermächte leisten musste, wurden nach den Kriegen viele Laubwälder abgeholzt“, erklärt der Stadtförster.

Erste Weihnachtsbaum-Plantagen

Die kahlen Flächen sollten wieder aufgeforstet werden, dafür eignete sich besonders die robuste Fichte. Nach dem zweiten Weltkrieg hatten viele Landwirte außerdem zu kleine Flächen oder schlechte Böden und stellten ihre Betriebe um. Dabei entstanden die ersten Weihnachtsbaum-Plantagen. Und mit den Nadelbäumen ließ sich richtig Geld verdienen. „Pfiffige Kaufleute aus dem Ruhrgebiet witterten ein Geschäft und fielen regelrecht ins Sauerland ein, um die Bäume aus dem Wald zu holen“, berichtet Förster Johannsen.

Später kamen die Händler direkt in die Forstämter, brachten Säcke voller Geld mit und die Weihnachtsbäume in die Großstädte. Liebster Christbaum der Deutschen ist heute übrigens die Nordmanntanne mit ihren weichen Nadeln. Der Heiligenhauser Stadtförster selbst bevorzugt jedoch die stachelige Fichte — des markanten Weihnachtsduftes wegen.