Heiligenhaus/Velbert. . Wer ab den 1960er Jahren verreisen wollte, kam am Heiligenhauser nicht vorbei. Unglaublich, wen er alles kennengelernt hat in seinem Berufsleben.

  • Heinz Nardmann hatte in Velbert und Heiligenhaus die ersten Reisebüros, die noch teils städtisch waren
  • Der lebenslustige Rentner hat aus seinem Berufsleben viel zu erzählen, er organisierte viele Reisen
  • Eigentlich wollte Nardmann Lehrer werden, doch die Zeit als Kriegsgefangener brachte ihn auf neue Ideen

Lehrer, ja, das wäre Heinz Nardmann gerne geworden, wenn er heute über sein Leben nachdenkt. Dann leuchten die blauen Augen des ehemaligen Heiligenhauser Reisebüroleiters, dann strahlt er über das ganze Gesicht: Heute feiert Heinz Nardmann seinen 90. Geburtstag. Und was er aus seinem Leben zu berichten hat, das würde ein ganz schön dickes Buch füllen.

Viele Urkunden sprechen für ein aufregendes Leben von Heinz Nardmann.
Viele Urkunden sprechen für ein aufregendes Leben von Heinz Nardmann. © Alexandra Roth

Fragt man seine Lebensgefährtin oder gute Freunde nach einer Besonderheit Nardmanns, dann fällt ihnen allen vor allem eine Charaktereigenschaft ein, die sie an ihm schätzen: Seine lebensfrohe Art, seinen Humor, sein Lachen. Dass Nardmann ein Mensch ist, mit dem man Pferde stehlen kann, sieht man nicht nur an seinen vielen Lachfalten, der schelmische Blick lässt erahnen, dass Nardmann reichlich Spaß am Leben hat. Da kann man erahnen, wer damals bei der Hetterscheidter Schneewette möglicherweise auf die Idee gekommen sein mag, einfach eine Schubkarre voll Schnee nachts anzukarren.

Nardmann organisierte die Reisen für die Box-Nationalmannschaft

Kommt man mit Nardmann ins Plaudern, mag man gar nicht mehr aufhören. Dann spricht er über seine Anfangszeit im Reisebüro, über Reisen, die er privat gemacht hat, über die Zeit mit seiner Frau, die Box-Nationalmannschaft, deren Reisen er organisierte – und auch über die Zeit im und nach dem Zweiten Weltkrieg.

Nardmann sitzt in seinem Wohnzimmer, blickt auf die vielen Urkunden an der Wand. Viele Fotos zeigen, dass Nardmann viele Freundschaften pflegte, doch zu seinem 90., „da will ich nicht groß feiern, das wird alles ganz beschaulich.“ Denn statt große Feste zu feiern möchte er lieber sozialen Projekte unterstützen, Anfang der Woche spendierte er erst den Kindern und Betreuern der Aktion Tschernobyl ein Mittagessen und anschließend einen Einkauf. „Regionale Projekte sind mir wichtig.“

Erstes Reisebüro in Heiligenhaus auf dem Rathausplatz

Velbert und Heiligenhaus, das sind seine Heimatstädte geworden. Geboren in Oberhausen, kam er nach dem Krieg nach Wuppertal, wo er erstmalig bei einem Reiseveranstalter arbeitete. 1958 zog er nach Velbert, übernahm hier ein Büro an der Poststraße, bevor er sich 1965 in Heiligenhaus, in dem jetzigen Eiscafé neben dem Rathaus, selbstständig machte. „50 Mark Miete habe ich dafür bezahlt – und 22 000 Mark Darlehen von der Stadt erhalten.“

Denn Reisen waren damals noch halb mit in städtischer Hand, das Büro gehörte dem Verkehrsverein, die Konzession erhielt er gemeinsam mit dem damaligen Heiligenhauser Bürgermeister Felix Wittmann von der Deutschen Reiseunion in Frankfurt. Wieso Heinz Nardmann überhaupt dazu kam, in der Reisebranche anzufangen? Das ist eine lange Geschichte.

Ein weiter Blick zurück

Denn sein Wunsch, Lehrer zu werden, führte letztlich zu einer zweijährigen Kriegsgefangenschaft. „Ich war auf einer Lehrerbildungsstätte in Bonn“, berichtet Nardmann. Klöster wurden umfunktioniert, um in Lehrerseminaren, zum Beispiel in Trier, Pädagogen nach dem Wunsch der Nationalsozialisten auszubilden. „Meine Eltern waren davon damals nicht begeistert“, berichtet Nardmann – schließlich waren sie keine Anhänger Hitlers, Nardmanns Vater gründete nach dem Krieg mit Konrad Adenauer in Bad Godesberg den CDU-Ortsverband.

„Nur die Besten aus einer Klasse wurden zu den Aufnahmeprüfungen geschickt. Ich wollte aber unbedingt dahin. Als ich meinen Rektor darum bat, hat er erstmal gelacht und gefragt: ‘Wie, dich solch ich melden?’“, berichtet Nardmann. „Aber ich war schon immer sehr ehrgeizig.“ Es fehlte nur etwas Entscheidendes: „Ich war ja nicht in der Hitler-Jugend, brauchte aber eine Bescheinigung darüber.“ Doch über Kontakte erhielt er diese und konnte sich bewerben.

Kurz vor Ende des Kriegs noch einberufen

Obwohl er nicht der Beste der Klasse war, „ich war nur der Viertbeste“, wurde er zugelassen und, im Gegensatz zur damals Klassen-Besten angenommen, berichtet Nardmann stolz. Bis kurz vor Ende des Kriegs konnte er sich gegen eine Einberufung wehren, „ich wollte unbedingt noch meine erste Lehrprüfung beenden.“

Das war im Januar 1945, im Februar 1945 wurde er dann doch eingezogen. „Ich musste in Kaiserslautern an die Front, wir haben auf die Panzer der Amerikaner schießen müssen. Als sie uns schließlich von hinten eingekesselt hatte, waren sie nicht so begeistert, dass wir auf sie geschossen haben“, berichtet Nardmann, „zwei Jahre war ich dann in Kriegsgefangenschaft.“

Viel gelernt in der Gefangenschaft

Doch die zwei Jahre, so kann er heute berichten, waren auch eine Herausforderung für ihn, die ihn für sein restliches Leben prägen sollte. „Ich kann mich nicht beklagen, mir ging es gut. Ich war der Einzige, der englisch sprechen konnte, deswegen wurde ich in der Verpflegungsmannschaft eingeteilt.“ In Le Havre kümmerte er sich mit um die Be- und Entladung der Liberty-Schiffe, stationiert war er auch in Hamburg, Bremerhaven und später in Bad Hersfeld. Die Briten und Amerikaner begleitete Nardmann, organisierte Transporte, unter anderem auch für den Sohn von Eisenhower.

So viel mehr gibt es noch zu erzählen aus Heinz Nardmanns Leben, und fit wie er auch trotz des Rollstuhls ist, den er für längere Wege benötigt, erzählt er sie noch gerne: Wie es dazu kam, dass er Ehrenbürger von Fredericksburg in Texas wurde. Dass er der erste deutsche Bahnhofsoffizier war. Warum er so gerne Bingo spielt, wie er als Velberter Mitglied im Hetterscheidter Bürgerverein wurde. Oder wie es dazu kam, dass der US-Schauspieler Cary Grant am Zeitungsstand seiner Frau Postkarten kaufte. Aber wer weiß, wann man davon liest, denn ein Projekt reizt Nardmann noch immer: „Ein Buch würde ich schon gerne schreiben.“ Dann kommen wir sicherlich gerne wieder. Bis dahin wünschen wir: Herzlichen Glückwunsch und alles Liebe.

Seit über 40 Jahren gibt es an Neujahr die Schneewette in Hetterscheidt. Nur wenige Male, wie hier im Jahr 2010, gab es für Heinz Nardmann (rechts) überhaupt ein ganz wenig Schnee zu messen, Hier mit im Bild Dr. Jan Heinisch, Heribert Bittner und Ulrike Martin.
Seit über 40 Jahren gibt es an Neujahr die Schneewette in Hetterscheidt. Nur wenige Male, wie hier im Jahr 2010, gab es für Heinz Nardmann (rechts) überhaupt ein ganz wenig Schnee zu messen, Hier mit im Bild Dr. Jan Heinisch, Heribert Bittner und Ulrike Martin. © Sonja Glaser-Stryak