Heiligenhaus. . Am 1. April 1897, heute vor 120 Jahren, wurde Heiligenhaus eine eigenständige Landgemeinde. 50 Jahre später folgten die Stadtrechte.
Es ist das Jahr 1947. Bürgermeister Carl Fuhr, Stadtdirektor August Overhamm und der britische Kreiskommandant Oberstleutnant Colsey haben im Ratssaal Platz genommen. Jeder der Herren trägt ein weißes Hemd mit frisch gestärktem Kragen und ein dunkles Sakko.
Auf dem verblassten Foto sind die schweren Metallleuchter zu erkennen, die auch heute noch an den Wänden im Saal hängen. Es ist ein besonderer Tag. Denn heute genau vor 70 Jahren bekam Heiligenhaus eigene Stadtrechte verliehen und startete von da an in eine dynamische Zukunft.
Kleine Siedlung auf einer Landwehr
Angefangen hat Heiligenhaus als eine spärliche Besiedlung auf einer Landwehr. Im 17. Jahrhundert entwickelte sich schließlich das Schmiedehandwerk und die ersten kleinen Betriebe entstanden. Am Amboss und hinter den Maschinen arbeiteten zumeist Väter und ihre Söhne. Fuhrwerke ratterten über die unbefestigten Straßen und bahnten sich ihren Weg zu einem der Schloss- und Beschläge-Betriebe. In den nächsten Jahrhunderten wuchs nicht nur die Industrie, auch die Einwohnerzahlen stiegen stetig an.
Allerdings wuchsen nicht nur die Einwohnerzahlen, sondern auch die Reibungspunkte zwischen Velbert und Heiligenhaus. Die beiden Dörfer waren zur Zeit des 19. Jahrhunderts nämlich vereint. Allerdings waren beide mit Schulen und Kirchen wohlversorgt und lagen von der Bevölkerungszahl nicht weit auseinander.
Die Industrie boomte
Trotz allem übernahm Velbert die Führungsrolle. Immer wieder gab es von Heiligenhauser Seite aus Bemühungen, sich einer anderen Bürgermeisterei anzuschließen oder eine eigene Landgemeinde zu werden.
Doch diese wurden immer wieder von der Regierung abgelehnt. Nach streitreichen Zeiten wuchs auch der Wunsch nach einer Trennung auf Velberter Seite. Schließlich war der Weg frei. Am 1. April 1897 trat schließlich die „Scheidung“ in Kraft und Heiligenhaus wurde eine selbstständige Landgemeinde. Paul Freund war der erste Bürgermeister.
„Während des Zweiten Weltkrieges und auch bereits davor boomte die Industrie“, erklärt Stadtarchivar Hartmut Nolte, „die Arbeitslosenzahlen gingen auch hier stark zurück.“ Einige der in Heiligenhaus angesiedelten Betriebe stellten rüstungsrelevante Produkte wie Bombenschlösser für Flugzeuge oder Steuergeräte für V2 Raketen her.
Pendlerverhältnis gekippt
„Die Bautätigkeit kam in dieser Zeit fast zum Stillstand. Nach dem Krieg ging es dann allerdings in die andere Richtung“, so Nolte weiter Kriegsvertriebenen und Flüchtlinge siedelten sich in der Stadt an. Als Heiligenhaus am 1. April 1947 die Stadtrechte verliehen bekam, war die 10 000-Einwohner-Marke längst geknackt.
„Es war ein Startpunkt für die Stadt. Danach ist Heiligenhaus gewachsen und hat sich unglaublich entwickelt. Die Einwohnerzahl hat sich seitdem fast verdreifacht“, so Bürgermeister Dr. Jan Heinisch. Das Stadtbild veränderte sich rasant. Die einstigen Kleinsiedlungen an der Butterwelle, der Kettwiger Straße oder der Rossdelle wuchsen.
1400 Wohneinheiten im Nonnenbruch
1952 begannen die Bauarbeiten in der Wassermangel und schufen Platz für 500 Wohneinheiten. Zwei Jahre später erfolgte der Spatenstich im Nonnenbruch. In einem Jahrzehnt und in mehreren Bauabschnitten entstanden hier 1400 Wohneinheiten.
Die Industrie spielte immer noch eine bedeutende Rolle. Allerdings wandelte sich dies stetig. Heute liegt kein Industriestaub aus den Gießereien mehr in der Luft. „Früher wohnten und arbeiten die Menschen hier. Viele kamen auch von außerhalb hier her zum Arbeiten. Allerdings ist dieses Pendlerverhältnis gekippt“, erklärt Heinisch.
Kiekert startete mit vier Gesellen
Ein massiver Amboss auf rotem Grund, darüber ein Hammer und eine Zange – das Heiligenhauser Stadtwappen ist eine Art bildgewordene Industriekultur. Seit dem 21. November 1937, also seit 80 Jahren, darf es Heiligenhaus offiziell führen. In diesem Zeitraum bekamen viele Städte des Kreis Mettmanns ein eigenes Wappen mit jeweils ortstypischen Symbolen. Das Haaner Wappen ziert beispielsweise ein schwarzer Hahn. In Wülfrath, einst Wolverothe genannt, ist es ein Wolf.
„Das Heiligenhauser Stadtwappen finde ich immer noch sehr schön, aber es reduziert die Stadt nur auf ihre Industrie“, so Bürgermeister Jan Heinisch. Kein Wunder, zu dieser Zeit wurde ein Schmiedeofen nach dem anderen befeuert. Einer der größten Arbeitgeber war die Firma Kiekert mit über 500 im Jahre 1937 Beschäftigten. Angefangen hat der Betrieb noch, bevor Heiligenhaus eine Landgemeinde wurde. 1857 hat Kiekert mit einem Blasebalg und vier Gesellen begonnen.
AEG zog von Berlin nach Heiligenhaus
Nach dem Zweiten Weltkrieg verlagerte außerdem die Allgemeine Elektrizitäts Gesellschaft (kurz AEG) ihr Messgerätewerk von Berlin nach Heiligenhaus. Zehn Jahre nach Beginn der Produktion arbeiten dort im Jahre 1955 bereits 1055 Menschen.
Dieses Image hat sich seit der industriellen Blütezeit und vor allen Dingen in den letzten zehn Jahren deutlich gewandelt. „Eine Großgießerei in der Innenstadt wünscht sich heute keiner mehr. Heute ist Heiligenhaus ein Wohnstandort mit reizvoller Natur“, erklärt Heinisch.
Innovationspark mit frischem Wind
Um diese Schokoladenseiten hervorzuheben, kreierte Grafiker Sven Hornscheidt im Auftrag der Stadt ein neues Logo. Die Wort-Bild-Marke erschien 2005 und vereint weiße Sheddächer auf rotem Grund mit grünen Hügel und dem Blau des Abtskücher Stauteichs. Das Logo löste außerdem das Problem eines fehlendes einheitlichen Designs. „Jede Visitenkarte sah anders aus. Es gab keine Vorgaben“, erinnert sich Heinisch. Nun ziert das Logo städtisches Papier.
Allerdings wird die Industrie immer ein Teil der Stadt bleiben. „Mit dem Innovationspark werden wir etwas Neues erleben. In der Region gibt es nichts Vergleichbares. Dort haben wir die beste Ausgangslage“, freut sich Heinisch. Die Entwicklung der Stadt ist also noch längst nicht abgeschlossen.