Heiligenhaus. . Rückstände aus Medikamenten belasten Wasser und Kleinstlebewesen. Wie man mit einfachen Faustregeln die heimischen Gewässer schützen kann.
Labile Moleküle mit immenser Wirkung: Rückstände aus Medikamenten gelangen auch in die heimischen Gewässer und schädigen dort Kleinstlebewesen. „Für den Menschen ist das nach aktuellem Wissensstand nicht gefährlich“, gibt der Heiligenhauser Apotheker Dr. Peter Rüngeler Entwarnung. Und doch sollten die Verbraucher darauf achten, dass möglichst wenig Arzneimittelreste ins Wasser geraten. Und das geht schon mit ein paar wenigen Faustregeln.
Bis zu 40 000 Tonnen Arzneimittel werden jährlich in Deutschland eingesetzt — diese Zahl hat das Umweltministerium NRW ermittelt. Dabei wird aber nicht alles vom Körper verbraucht, was über Mund oder Vene Hilfe oder Linderung bringen soll. Ein Großteil der Rückstände gelangt nämlich über die natürlichen Ausscheidungen des Menschen ins Wasser. „Hormone aus der Anti-Baby-Pille etwa“, erklärt der Apotheker.
Nicht alle Klärwerke auf dem neuesten Stand
Die meisten Arzneistoffe werden vom Körper umgewandelt, wasserlöslicher gemacht und ausgeschieden. Die sogenannten Metabolite gelangen dann in das Abwasser. So wie bei den Hormonen beispielsweise. Und auch im Wasser verlieren die Metabolite ihre Wirkung nicht. „Für den Menschen sind die Mengen unbedenklich“, so Rüngeler. Für die Umwelt hingegen nicht.
Über das Abwasser gelangen die Rückstände in Kläranlagen, die aus schmutziger Brühe wieder klare Flüssigkeit machen. „In vielen Kläranlagen werden die Arzneistoffe jedoch nicht effektiv beseitigt“, erklärt Dr. Peter Rüngeler. Zwar gebe es spezielle Verfahren, um die Reste aus dem Wasser zu filtern, die seien aber noch längst nicht in allen Klärwerken im Einsatz.
Verbraucher können etwas tun
Aber der Verbraucher kann auch selbst etwas tun, um Gewässer und Lebewesen zu schützen. In erster Linie geht es dabei um die richtige Entsorgung von abgelaufenen oder nicht mehr benötigten Medikamenten. „Leider werden immer noch zu viele Arzneimittel über Toilette und Spülbecken entsorgt“, bedauert Rüngeler.
Denn so gelangen nicht nur Rückstände ins Wasser, sondern Arzneimittel in konzentrierter Form. „Das ist vermeidbar“, so der Apotheker. Da der Heiligenhauser Hausmüll in einer Verbrennungsanlage lande, spreche nichts dagegen, haushaltsübliche Mengen über den Hausmüll zu entsorgen. Wer also mal wieder seine Hausapotheke ausmistet, kann nicht mehr benötigte Fläschchen und Blister getrost in die Tonne verfrachten. Allerdings sollte man in diesem Fall darauf achten, dass keine Kinder an den Müll gelangen können — und dass Medikamente nicht versehentlich auf der Straße landen.
Situation hat sich verbessert
Außerdem dürfen nicht alle Arzneien bedenkenlos über den heimischen Mülleimer den Weg zur Müllverbrennung antreten. Starke Schmerzmittel, wie Morphine etwa, nehmen die Apotheken zurück. Alles, was Sucht- und Vergiftungspotenzial hat, gehört nicht in die Tonne, sondern fachgerecht entsorgt. Apotheker hätten nicht nur die Möglichkeit, diese Arzneien unbrauchbar zu machen, sie lassen Medikamente auch von Spezialfirmen abholen, die sie dann effektiv entsorgen.
Was die Entsorgung von Tabletten, Säften, Tropfen und Zäpfchen angehe, sei das Bewusstsein der Verbraucher seit längerer Zeit geschärft, freut sich Dr. Peter Rüngeler. Längst haben viele Heiligenhauser begriffen, dass Arzneien nicht in den Abfluss gehören. Vor einigen Jahrzehnten sei die Situation weitaus dramatischer gewesen – für Gewässer und Getier.
Rückstände belasten die Natur
Rückstände von Arzneimitteln werden inzwischen nahezu flächendeckend und ganzjährig in Fließgewässern, aber auch in Boden- und Grundwasserproben gefunden, heißt es vom Umweltbundesamt. Bislang wurden dabei etwa 150 verschiedene Arzneimittel-Wirkstoffe vor allem in Gewässern, nachgewiesen. Auch im Trinkwasser soll es vereinzelt Spuren von Arzneimitteln geben. Laut Umweltbundesamt stellen sie zwar kein Risiko für die Gesundheit dar, trotzdem sollte der Eintrag von Arzneimitteln in die Umwelt so gering wie möglich sein.
„Arzneimittelwirkstoffe sind biologisch hochaktive Stoffe, die gezielt in den Regelungsmechanismus von Organismen eingreifen“, heißt es in einem Bericht des Bundesamtes. Für viele Arzneimittel sei das Ausmaß der Risiken für die Umwelt wegen fehlender Wirkungsdaten und Langzeituntersuchungen nicht genau einzuschätzen. Dies sei beunruhigend, da für einige Arzneimittelwirkstoffe schädliche Auswirkungen auf Lebewesen in der Umwelt bereits klar belegt seien.
Ein Beispiel seien synthetische Hormone wie der Wirkstoff der Anti-Baby-Pille. „Er beeinträchtigt bereits im sehr niedrigen Nanogramm/Liter-Bereich die Reproduktion von Fischen nachhaltig“, so die Experten. Das Schmerzmittel Diclofenac beispielsweise schädige bei Fischen innere Organe. Antibiotika töteten nicht nur Bakterien, sondern hemmten oft auch das Wachstum von Algen und Pflanzen.
>>> FRAGEN AN ARZT ODER APOTHEKER RICHTEN
- Jeder kann dazu beitragen, dass weniger Medizin ins Abwasser gelangt und sich beim Arzt oder Apotheker über die Notwendigkeit und Zielsetzung der Medikation beraten lassen.
- Den Bestand der Hausapotheke vor dem Kauf neuer Medikamente regelmäßig überprüfen.
- Arzt oder Apotheker ansprechen, wenn es noch Restbestände in der eigenen Hausapotheke gibt.
- Verbraucher sollten sich beim Kauf über richtige Packungsgrößen beraten lassen und nur das kaufen, was sie tatsächlich benötigen.