Gelsenkirchen. . Rückstände der Arzneimittel sind nicht vollständig zu beseitigen. Emschergenossenschaft berichtet über Pilotprojekt am Marienhospital in Gelsenkirchen.

  • Kläranlage am Marienhospital filtert Medikamenten-Rückstände aus dem Abwasser
  • Klinik ist ein Hotspot: 580 Betten, 75 000 Patienten und 60 000 Kubikmeter Abwasser im Jahr
  • 90 Prozent der Schadstoffe kann die Anlage beseitigen. Kosten 100 000 Euro im Jahr

Röntgenkontrastmittel, Antibiotika, Schmerz- oder Diabetesmittel – im Abwasser lassen sich inzwischen etliche Rückstände der Medikamente nachweisen.

Ob, wie und zu welchem Preis Arzneimittel aus dem Abwasser wieder herausgefiltert werden können, das wollte die Emschergenossenschaft in einem Pilotprojekt am Marienhospital in Gelsenkirchen herausfinden. Im Umweltausschuss berichtete Dr. Issa Nafo über die Ergebnisse.

Schädlich für die Flora und Fauna

2008 baute die Emschergenossenschaft das „wahrscheinlich modernste Klärwerk Europas“, so Nafo, in den Garten des Marienhospitals im Gelsenkirchener Süden. Einem „Hotspot“: mit 580 Betten, durchschnittlich 75.000 Patienten und 60.000 Kubikmeter Abwasser im Jahr.

„Es ist bekannt, dass Arzneimittelrückstände für die Flora und Fauna schädlich sind“, erläuterte Nafo. Die Auswirkungen auf den menschlichen Organismus hingegen seien bis heute unerforscht. Anders, als in den großen Kläranlagen in Bottrop oder Dinslaken, versuchte man das Abwasser aus dem Krankenhaus mit einer Palette aus den unterschiedlichsten Methoden zu reinigen: mit Aktivkohle, einer Membranfiltration und Ozon.

Teure Reinigung

Das Ergebnis: „Insgesamt konnten 90 Prozent der Stoffe eliminiert werden“, sagt Nafo. Allerdings: „Mit einem gigantischen Energieaufwand und zu hohen Kosten.“ 100.000 Euro koste die Anlage pro Jahr. Hinzu kommen Betriebs- und Personalkosten sowie Abschreibungen.

Einen Kubikmeter Wasser zu reinigen beziffert Nafo mit 7,80 Euro. Zum Vergleich: In den großen Kläranlagen liegen die Kosten laut Statistischem Bundesamt pro Kubikmeter Wasser bei knapp 3 Euro. „Damit eliminieren wir dort 70 Prozent der Schadstoffe“, erläutert Nafo. „Eine Null-Eliminierung gibt es nicht.“

Neue Wege bei der Vermeidung

Nafo und die Emschergenossenschaft wollen in Zukunft andere Wege gehen, um Arzneimittel-Rückstände aus dem Trinkwasser zu verbannen. Ihr Ansatz beginnt früher. „Wir wissen heute, dass verabreichte Röntgenkontrastmittel zum Beispiel nach zwei Stunden zu 50 Prozent ausgeschieden sind“, sagt Nafo. Der Patient könnte nach einer Röntgenaufnahme für diese Zeit im Krankenhaus bleiben, die Ausscheidungen über einen Urinbeutel sammeln. Dieser könnte dann später verbrannt werden.

Die bislang untersuchten Rückstände – in Gelsenkirchen sind es 72 Stoffe – sind wahrscheinlich nur die Spitze des Eisbergs. Denn gefunden wird nur, wonach auch gesucht wird. Laut Umweltbundesamt soll es in Deutschland zwischen 2500 und 3000 Wirkstoffe auf dem Markt geben. Und: Tierarznei-Rückstände, die über die Gülle auf die Felder gelangen, werden in der Untersuchung der Emschergenossenschaft nicht erfasst.

Pille, Salbe & Co machen Flussbarsche mutiger

Neuere Studien belegen, dass Fische unter dem Medikamentenmix im Wasser leiden. So wiesen schwedische Forscher nach, dass Rückstände des Medikamentes Diazepam, das beim Menschen zur Behandlung von Angststörungen eingesetzt wird, Flussbarsche mutiger machen. Sie verließen ihre Verstecke, waren aktiver und fraßen mehr. Das könne ernste Konsequenzen für das Ökosystem haben, warnten die Forscher.

Wichtig ist, so Ilias Abawi, Sprecher der Emschergenossenschaft, Medikamente nicht einfach in der Toilette oder der heimischen Spüle zu entsorgen. Die meisten Apotheken nehmen heute abgelaufene oder nicht verbrauchte Medikamente zurück. Zudem rät Abawi zur Zurückhaltung bei der Nutzung von Schmerzcremes. Sie sollten dünn aufgetragen werden und auf keinen Fall kurz bevor man unter die Dusche steigt. Sicher auch überlegenswert: Mehr für die Gesundheits-Prävention tun.