Hattingen. . Ein Gehalt ernährt immer seltener den Menschen. Studie macht 9040 Mehrfachbeschäftigte im Ennepe-Ruhr-Kreis aus.
Wer Arbeit hat in diesen Zeiten, ist gut dran. Allerdings ernährt sie längst nicht mehr jeden. Immer mehr Menschen im Ennepe-Ruhr-Kreis brauchen einen Zweit- oder sogar Dritt-Job als zusätzliche Einnahmequelle. Nach einer Untersuchung des Pestel-Instituts in Hannover im Auftrag der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft Verdi und der NGG, Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten, waren es im vergangenen Jahr in EN mehr als 9540 Multi-Jobber.
Niedriglöhne von fünf Euro
Studienleiter Matthias Günther liegen allerdings keine Hattinger Zahlen vor. Die hat auch Heiner Dürwald, Leiter des Job-Center EN, nicht, „da das Jobcenter keinen unmittelbaren Zugriff auf die Beschäftigtenstatistik hat“. Die Arbeitsagentur Hagen hat ebenfalls nichts Lokales und nur „ältere Geschichten“ bis 2010, doch zeigen sie einen deutlichen Trend, der sich in den letzten Jahren noch verstärkt hat. In den sieben Jahren von 2003 bis 2010 hat sich die Zahl derjenigen, die zusätzlich zur Hauptarbeit einer Nebenbeschäftigung nachgingen, mehr als verdoppelt von 4000 auf 8400. „Der Trend ist eindeutig“, sagt Pressesprecher Ulrich Brauer.
Es gebe Menschen, die sich nur mit Nebenjobs über Wasser halten. Andere üben ihn zusätzlich aus. Insgesamt ist die Zahl zwischen den Jahren 2000 und 2010 gestiegen: von 18.100 auf dann 28.300.
Niedriglöhne macht Regina Sparfeld-Möbus, Geschäftsführerin des Verdi-Bezirks Südwestfalen, für das Phänomen verantwortlich. „Aus der puren Lust an einer 55- oder 60-Stunden-Woche macht das jedenfalls keiner“, sagt sie. Lebenshaltungskosten stiegen. Wohnen, heizen – alles wird teurer. Abhilfe könne nur ein einheitlicher gesetzlicher Mindestlohn schaffen, sind sich Verdi und NGG einig. 8,50 Euro pro Stunde könne nur der Einstieg sein. Denn, so Helge Adolphs, Geschäftsführer der NGG-Region Südwestfalen, reiche das „gerade mal für ein Leben haarscharf über Hartz-IV-Niveau“.
Die 8,50 Euro kriegt längst nicht jeder. „Löhne von fünf bis sieben Euro sind kein Einzelfall“, erklärt Karsten Braun, stellvertretender Leiter des Verdi-Bezirks Südwestfalen. Es gibt sie nicht nur an der Brötchentheke, sondern überall im Dienstleistungsgewerbe. Auch ohne genaue Zahlen spürt er die Tendenz nach oben deutlich. Durch Leiharbeit, mehr Zeitarbeit, Auslagerung, amerikanische Verhältnisse. Armut im Alter werde steigen.