Hattingen. Die Fälle von digitaler Gewalt gegen Frauen nehmen zu. Oft werden sie mit intimen Fotos oder Videos erpresst oder mit obszönen SMS belästigt. Viele Opfer scheuen sich, Anzeige zu erstatten. Andrea Stolte von der EN-Frauenberatung gibt Verhaltenstipps.

Die Fälle von digitaler Gewalt gegen Frauen nehmen zu. „Das weltweite Netz oder auch die SMS spielen eine immer größere Rolle“, so Andrea Stolte von der EN-Frauenberatung in Schwelm.

Im Beratungszimmer sitzt eine 19-Jährige. Ihr Freund, von dem sie sich getrennt hat, ist ein Jahr älter. Als die beiden sich noch geliebt haben, dachte sie sich nichts dabei, als er romantische, aber auch intime Momente mit dem Foto-Handy als Erinnerung aufnehmen wollte. „Nach der Trennung drohte ihr Ex-Freund erst, diese Aufnahmen im Internet zu veröffentlichen. Später hat er es dann getan“, erzählt Andrea Stolte die Geschichte des Teenagers aus dem Süden des Ennepe-Ruhr-Kreises. Der enttäuschte 20-Jährige wollte seine Ex-Partnerin erpressen, zu ihm zurück zu kommen. Plötzlich waren die persönlichen intimen Momente auf einer unseriösen Pornoseite zu sehen.

Verschiedene Methoden

Das sind Methoden, bei denen eher jüngere Frauen zu Opfern werden. Wie in einem weiteren Fall: Eine junge Frau bekommt von ihrer Freundin ein pornografisches Foto gezeigt, auf dem sie zu sehen war. Echt war nur der Kopf. Das Gesicht wurde mit einem Bildbearbeitungsprogramm auf den weiblichen Körper in der Szene hineinmontiert, die Aufnahme dann per SMS verschickt. Auch dieser Fall, so Andrea Stolte, spielte sich vor unserer Haustür ab.

Anders lag der Fall bei einer 41 Jahre alten Schwelmerin. Ihr Leidensweg begann ganz harmlos. Sie versteigerte ihre Waschmaschine auf einem Internet-Forum. Ein netter Käufer holte das Gerät ab und bedankte sich für den freundlichen Empfang per E-Mail. Die Adresse hatte er schließlich aus der Geschäftsverbindung. Sie antwortete, er wurde immer aufdringlicher. „Der Mann kam ihr immer näher, sie fühlte sich bedroht. Die Belästigungen gingen über drei Monate. In einem solchen Fall hilft meist nur, die E-Mail-Adresse zu ändern“, sagt Stolte.

Beleidigend und obszön

Die Beraterin kennt auch den Fall einer Frau, die sich mit ihrem Partner auseinander gelebt hatte und dann mit Botschaften per SMS auf dem Handy bombardiert wurde. „Der Mann kann gar nicht mehr gearbeitet haben, er muss nur noch mit dem Telefon in der Hand gesessen und getippt haben“, schüttelt Andrea Stolte den Kopf. Die Nachrichten waren beleidigend, dann obszön, aber auch ab und zu wieder einmal nett.

Unterschiedliche Fälle, die eins gemeinsam haben: Überall waren die neuen Medien sozusagen als Tatwaffe im Spiel, um Gewalt auszuüben: „Die Auswirkungen einer Gesellschaft, in der wir permanent erreichbar geworden sind“, so die Expertin die weiß, wie schwer es den Frauen fällt, sich dagegen zu wehren. Im Freundeskreis spricht man nicht gerne darüber. Schließlich ist es peinlich, erklären zu müssen, warum zum Beispiel an einem romantischen Abend freizügige Bilder entstanden sind.

Beweise sichern

„Ich rate auf jeden Fall dazu, die Beweise zu sichern. SMS sollten zum Beispiel auf dem Computer abgespeichert werden. Wichtig ist es auch, deutlich nein zu sagen und sich nicht auf Diskussionen einzulassen“, so die Frauenberaterin.

In vielen Fällen sei es leichter für die Opfer, zu einer Beratungsstelle zu gehen, als sich Verwandten oder Bekannten anzuvertrauen. Die Frauen, die diesen Schritt gehen, sprechen von Schlafstörungen und auch Schuldgefühlen. „Warum habe ich diese Fotos von mir machen lassen?“ „Weshalb habe ich diesem Kerl überhaupt geantwortet?“ Sie haben das Gefühl, niemand mehr vertrauen zu können.

Juristische Schritte wollen die meisten Opfer nicht unternehmen. Sie hätten Angst davor, vor Gericht alle Demütigungen noch einmal erleben zu müssen. „Das muss die Frau erst einmal durchhalten können“, sieht Andrea Stolte die Schwierigkeiten.

An Vorbeugung denken

Und doch hören die Beraterinnen nicht nur zu, sondern können helfen. Wenn sie zum Beispiel Wege suchen, kompromittierende Fotos aus dem Netz nehmen zu lassen, oder E-Mail-Kontakte zu unterbinden. Zur Vorbeugung rät Stolte, sich genau zu überlegen, was man von seiner Persönlichkeit preisgeben will. „Wenn es in einer Beziehung gut läuft, dann denkt man meist nicht daran“, aber die Hälfte aller Frauen werden nicht von Fremden, sondern von Bekannten oder Ex-Freunden verfolgt.