Die Wirtschaftskrise erreicht das Rathaus. Der Kämmerer zeichnet ein bedrohliches Bild.

Eine Stadt ist überschuldet, wenn der Haushalt bilanziell mehr Schulden als Vermögen verzeichnet. Ein Szenario, das Frank Burbulla für Hattingen noch vor wenigen Monaten undenkbar schien. Jetzt denkt der Kämmerer darüber nach – um es zu vermeiden. Denn: „Wenn wir nichts unternehmen, tritt die Überschuldung 2013 ein”, sagt Burbulla.

Erste Vorboten der finanziellen Talfahrt werden das Rathaus an der Roonstraße schon im nächsten Jahr erreichen, hat der Kämmerer ausgerechnet: „Ohne ein Haushaltssicherungkonzept wird es bereits 2010 nicht mehr gehen. Wir haben damit begonnen, uns darauf einzustellen.”

Die Ursache der düsteren Prognose lässt sich mit Worten und mit Zahlen beschreiben. „Die echten Effekte der Wirtschaftskrise treten jetzt ein”, umreißt Burbulla den globalen Zusammenhang. Macht für Hattingen in Euro: fünf Millionen Miese mehr schon im laufenden Haushaltsjahr.

Was dem Hüter des Stadtsäckels mit Blick auf Vorgänge wie in Dortmund wichtig ist: „Ich habe die einsetzende Entwicklung wie auch die Höhe der zusätzlichen Schulden bereits vor der Kommunalwahl beschrieben und benannt.” Neu sei jetzt allein ein Zahlenwerk, das den aktuellen Kassensturz auf die nächsten Jahre hochrechnet. Und alle Alarmglocken schrillen lässt.

Die Ausgangslage: Hattingen ist mit einem Finanzloch von 14,5 Millionen Euro ins Haushaltsjahr 2009 gestartet. Dass der Etat als ausgeglichen gilt, verdankt er dem Griff in die Ausgleichsrücklage. Missliche Folge: Auch dieser Deckungstopf ist jetzt leer.

Die fünf Millionen Euro Schulden, die nun dazukommen, verteilen sich so: 2,5 Mio weniger Gewerbesteuer als geplant, eine Mio weniger Einkommensteuer, 1,5 Mio mehr Ausgaben für Jugendhilfe.

Das Schreckensszenario: Rechnet man die Entwicklung weiter hoch und bezieht sinkende Schlüsselzuweisungen des Landes ein, fehlen schon 2012 insgesamt 30 Millionen Euro in der Stadtkasse. „Ich mache mir Sorgen wie noch nie”, sagt Frank Burbulla.

Um sinnvoll auf die Ausgabenbremse treten zu können, werde die Stadt um eine Aufgabenkritik nicht herumkommen, meint der Kämmerer. Und wünscht sich eine rasche politische Diskussion, an deren Eckpfeilern der Stadtvorstand schon bastelt.

Erste Priorität: „Auf keinen Fall darf Familienfreundlichkeit kaputtgespart werden.” Zweite Priorität: „Die Bürgerstadt muss greifen. Das Ehrenamt und freie Träger spielen dabei eine große Rolle.” Dritte Priorität: „Wir brauchen eine expansive Gewerbeflächenentwicklung.” Vierte Priorität: „Die Personalplanung der Stadt muss auf den Prüfstand.”

Diese Eckpfeiler, sagt Frank Burbulla, seien nur als Einstieg in die Spardebatte zu sehen. „Wir werden alle kommunalen Aufgaben in Frage stellen, jeden Bereich völlig neu denken müssen.”

Kommentar: Geld fehlt, Druck wächst

Frank Burbulla, der Mann der Zahlen, hat ein Gespür für Zeitpunkte. Jetzt, eine Woche vor der konstituierenden Sitzung des Stadtrates, auf die finanzielle Talfahrt hinzuweisen, erhöht den Druck der Ansage. Die heißt: Es gibt nichts mehr zu verteilen. Und hinter dem Ruf nach „politischen Beschlüssen für ein solides Fundament” verbirgt sich nichts anderes als die Einstimmung auf den Abbau von Leistungen. Ist die Lage wirklich so schlimm? Es scheint so. Mancher mag verdrängt haben, dass 160 Millionen Euro an Investitions- und Kassenkrediten die Stadt dauerhaft knebeln. Dazu droht nun ein zusätzliches Loch von 30 Millionen. Will man handlungsfähig bleiben, besteht Handlungsbedarf. Der neue Rat ist gut beraten, wenn er die Aufgabenkritik ernst nimmt und sich darauf konzentriert, der Stadt ihren Lebenswert zu erhalten. Dann bleibt sie auch liebenswert.