Ortsvereins-Sprecher gibt Hitler-Aussage zu, meint aber: „Satire”. Kreis-Vorsitzende zurückgetreten.
Die Linke steckt im Chaos: Der Kreis-Vorstand hat den Hattinger Ortsvereins-Vorsitzenden Michael Artelt aus dem Amt genommen und strebt jetzt ein Partei-Ausschlussverfahren an. Zudem ist Christina Zett – eine der beiden Kreisvorsitzenden – am Wochenende von ihrem Amt zurückgetreten.
„Herr Artelt war bereits intern verwarnt und hat danach eine Aussage gemacht, die von zwei Genossen belegt wird, die für uns nicht tragbar ist”, erklärt Linke-Vorstandsmitglied Jürgen Senge. „Er sagte: Ein-Euro-Jobbern bleiben ja nur 88 Cent – da kann ich gleich sagen: Heil Hitler!”
Michael Artelt gibt diese Aussage, die in einer internen Wahlkampf-Runde gefallen sei, gegenüber der Hattinger Zeitung zu – „allerdings hatte ich dabei vergessen, das Satire-Schild hochzuhalten”. Aus der Runde habe es keine Reaktionen gegeben, erst drei Tage später sei ihm im Kreisbüro in Gevelsberg mitgeteilt worden, dass ihm der Kreisvorstand das Vertrauen entzogen habe. Auf der Internet-Seite (www.die-linke-en.de) wurde der 18-jährige Schüler Laurin Bongartz als neuer Sprecher (so werden die Ortsvereins-Vorsitzenden der Linken bezeichnet) eingetragen.
„Wir haben Artelt und die Zeugen zu einem Gespräch gebeten, um die Sache zu regeln – doch keiner ist gekommen”, sagt Jürgen Senge. „Also haben wir das Thema nach Faktenlage auf der Kreis-Mitgliederversammlung besprochen – und die war einhellig der Meinung, dass so etwas nicht geht.” Die Partei legte Michael Artelt nahe, bis zum kommenden Samstag auszutreten, „ansonsten starten wir ein Partei-Ausschlussverfahren” (Senge).
„Stalinistischer kann ich Mitglieder nicht in Rufmord bringen”, sagt Dieter Widera, der gemeinsam mit Michael Artelt im Mai 2008 den Ortsverein Hattingen der Partei gründete. Er ist inzwischen schon wieder ausgetreten („Die Arbeit hatte mit meinem demokratischen Verständnis nichts mehr zu tun”), steht Artelt jetzt aber wieder zur Seite. „Die Mitglieder des Ortsvereins haben Michael Artelt gewählt, nur sie können ihn auch aus dem Amt herausnehmen.”
Artelt und Widera erheben schwere Vorwürfe: „Es geht nicht um die Menschen in Hattingen, es geht um Ideologien”, sagen sie. Und weiter: „Wer hier Die Linke wählt, wählt die DKP.” Wenn Artelt von der Wahlliste für die Kommunalwahl gestrichen werde, stünde nur noch ein Mitglied der Partei auf einem aussichtsreichen Listenplatz – „die anderen sind DKP-Mitglieder”. Wideras Fazit: „Die Linke zerfleddert sich selbst, weil sie die Menschen nicht im Blick hat. Michael Artelt hatte das. Er hat jedes Plakat geklebt, hat Mitglieder geworben – ohne ihn funktioniert der Ortsverein in dieser Form nicht.”
Unterdessen hat die Kreis-Vorsitzende Christina Zett am vergangenen Wochenende ihre Ämter niedergelegt. Sie begründet ihren Schritt in einer E-Mail an Parteimitglieder, die der Hattinger Zeitung vorliegt: „Ich beobachte ein zunehmendes unsolidarisches Miteinander oder besser Gegeneinander und eine Orientierung in die politische Mitte unseres Kreisverbandes”, schreibt sie. „Bei Funktionsträgern werden die ,Fehler' in den Vordergrund gestellt, aber nicht Dinge, die gut laufen.”
Schatzmeister Jürgen Senge bestätigt den Rücktritt. Er sagt: „Wir überlegen jetzt, ob Stefan Krug die Aufgabe vorerst alleine weiterführt, denn am 22. August haben wir sowieso Neuwahlen.”
Sprechstunde entfällt
Mehr als 100 Mitglieder zählt die Partei Die Linke im Ennepe-Ruhr-Kreis, davon kommen etwa 15 aus Hattingen. Am Dienstag machten einige von ihnen einen Info-Stand auf der Großen Weilstraße.
Gestern teilte Die Linke mit, dass die Sprechstunde, die es donnerstags im Westfälischen Hof gab, künftig entfällt – damit gibt es für Interessierte keine feste Anlaufstelle mehr in Hattingen.
Leidenschaftlicher Linker
Interview mit dem Bürgermeisterkandidaten Bernd Zielmann (Die Linke)
Herr Zielmann, vorweg die Frage nach Michael Artelt: Wie bewerten Sie die jüngste Entwicklung um den Hattinger Sprecher?
Zielmann: Wenn die Vorwürfe zutreffen, ist er als Kandidat indiskutabel. Aber grundsätzlich möchte ich sowieso Politik machen und mich nicht mit Querelen auseinander setzen.
Sie möchten Politik machen, gehören aber keiner Partei an – warum?
Ich bin seit mehr als 30 Jahren leidenschaftlicher Linker, aber es gibt weltweit keine Partei, deren Programm ich unterschreiben würde.
Also haben Sie auch kein Problem damit, dass viele DKP-Mitglieder auf der Liste der Linken stehen?
Überhaupt nicht. Wichtig ist, dass die Leute linke Politik für den Bürger machen wollen.
Wie sieht das konkret aus? Was ist Ihr Programm?
Wir wollen mehr Räume für Jugendliche. Das Haus der Jugend ist zwar nicht das schönste, aber es ist ein Anfang. Auch wollen wir mehr Räume für ältere Menschen. Kulturelle Angebote sind wichtig, hier wollen wir die Versorgung verbessern. Leerstände in der Stadt, das Sozialticket für den ÖPNV, alles Themen, die bei uns ganz oben stehen.
Wie funktioniert die Arbeit mit der Partei?
Der Mix ist wichtig, verschiedene Kompetenzgebiete. Ich habe gerne Leute in meinem Umfeld, die Ahnung haben. Wir gehen raus und hören uns an, was den Leuten unter den Nägeln brennt.
Wie lautet denn ihr Ziel – als Bürgermeisterkandidat und als Nummer eins auf der Liste der Linken?
Wichtig ist, dass wir mit ordentlicher Fraktionsstärke ins Rathaus einziehen, weil wir die Arbeit besser verteilen könnten. Eine Zwei-Mann-Show wäre nicht gut.
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