Die Gartenstadt Hüttenau besteht seit 100 Jahren. Begonnen hat es mit Eigentum für Arbeiter – und 75 Häusern.
Was in den USA die Wirtschaftskrise auslöste, war in der Gartenstadt Hüttenau erfolgreich: Kredite für den kleinen Mann. Für den Haus-Kauf. Der Unterschied zwischen den Vereinigten Staaten und Welper: „In Hattingen galten strenge Kriterien für den Kredit, damit niemand uninformiert in die Schuldenfalle tappt”, erläutert Roland Himmel, Geschäftsführer und Vorstandsmitglied der Gartenstadt Hüttenau – die jetzt ihren 100. Geburtstag feiert.
Zurück ins Jahr 1909: Damals gründet Karl Thiel, Amtmann des Amtes Blankenstein, die Gartenstadt. Damit auch die Arbeiterschaft sich Eigentum leisten kann: Wohnraum mit Natur. Einen Kredit bekommt nur derjenige, der ihn langfristig tragen kann, erklärt Himmel. Es gibt feste Zinsen. Eine 100-Prozent-Finanzierung nicht.
Die Gartenstadt kauft Grund für rund 600 000 Mark. Den Bebauungsplan übernimmt Professor Georg Metzendorf, der zuvor die Kruppstiftung Margarethenhöhe entworfen hatte. Der Spatenstich folgt im Juni 1910 – nur ein halbes Jahr nach Gründung. 75 Einfamilienhäuser entstehen für je 6000 Mark.
Als Thiel 1934 als Vorstand ausscheidet, hinterlässt er 560 Einfamilienhäuser mit Gärten. Was er erreicht hat: Arbeiter sind nach Welper gezogen, Vorarbeiter und auch Meister. In 100 Jahren hat die Genossenschaft rund 800 Häuser verkauft.
Heute bietet die Gartenstadt Hüttenau fast ausschließlich Mietwohnungen an. „Die Bauträgerschaft ist schwierig geworden”, sagt Himmel. 1200 Wohnungen gehören zum Bestand – und 2400 Genossen. „Weil einige Eigentümer dabei geblieben sind”, sagt Himmel. Das neueste Haus steht an der Marxstraße 66: das Betreute Wohnen. Hausnummer 84 bis 94 werden abgerissen: „Auch mit dem Grundstück stellen wir etwas an.” Mehr stehe nicht fest.
Rund 54 Prozent der Häuser stehen in Welper, andere in Blankenstein oder Holthausen. Viele sind aus den 50er und 60er Jahren: Nach dem Krieg gab es einen Bauboom. Zwischen 1950 bis 1953 wuchs die Gartenstadt um 212 Wohnungen, bis 1959 kamen 468 hinzu. Die müssen jetzt saniert oder modernisiert werden. „Wohnungen kann man nicht mehr so schnell vermieten”, sagt Himmel. Auch wenn die Gartenstadt nicht über Mieter-Mangel klagt: bei 100 Kündigungen im Jahr und drei Prozent Leerstand. Aber: Ohne Balkon geht's nicht. Wärmedämmung gehört wegen der hohen Heizkosten dazu.
Elitärer Charakter
Der Mietpreis liege zehn Prozent unter dem Mietspiegel. Das sei das Genossenschaftsprinzip. Ein anderes Prinzip: Wohnraum für jeden anzubieten: von der Luxus-Wohnung bis zum öffentlich geförderten Wohnraum. Dennoch werde der Gartenstadt vorgeworfen, sie habe elitären Charakter. Himmel: „Das war schon vor 100 Jahren so.”
Dabei kämen ihre Mieter aus allen Schichten. Alleinstehende oder Paare, auch Familien. 48 Prozent sind älter als 60. Daher sei Barrierearmut ein wichtiges Thema. Wohnraumanpassung erfolge auf Zuruf. Sozialberater kümmern sich um die Anliegen der Bewohner, besuchen sie an Geburtstagen. „Denn Genossen setzen auf Nachbarschaft”, sagt Roland Himmel. Auch wenn der Zusammenhalt im Vergleich zu früher schwächer sei. „Einige leben wie in Einfamilienhäusern”, sagt Himmel. Was die Mieter aber in den letzten Jahren zu schätzen gelernt haben: die Geborgenheit und soziale Sicherheit einer Genossenschaft – in Zeiten von Heuschrecken.
Festakt und Vorträge
Die Gartenstadt Hüttenau eröffnet ihre Ausstellung „100 Jahre Gartenstadt” in der Geschäftsstelle an der Thingstraße 15: am Dienstag, 24. April, um 18 Uhr. Auf den Besucher warten Texttafeln mit Informationen zur Entstehungsgeschichte, zur Bewegung der Gartenstadt sowie Exponate wie Mitgliederausweise.
Prof. Dr. Franziska Bollerey referiert über: die Gartenstadtbewegung; Prof. Dr. Ing. Rainer Metzendorf zum Thema: die Gartenstadt Hüttenau – gebaute Lebensreform.
Am Dienstag, 19. Mai, hält Prof. Dr. Roland Günter einen Vortrag im Amtshaus Welper: Der Erhalt von Siedlungsstrukturen und Fragen bzw. Probleme des Um-, Aus- und Anbaus vorhandener Siedlungshäuser. Beginn: 18 Uhr.
Prof. Dr. Christa Reicher spricht am Donnerstag, 18. Juni, 18 Uhr, in der Henrichshütte über: Zeitgenössisches Bauen in traditioneller Siedlungsstruktur – ergänzender Neubau zwischen Tradition und Moderne.
Den Festakt zum Geburtstag gibt es am Donnerstag, 27. August, in der Gebläsehalle: mit Frank Goosen – nur für geladene Gäste.