Hattingen. Susanne Maria di Campo Santo war in der Klinik in Niederwenigern. Ihre Bilder in der Telefonkabine zeigen ihre Erlebnisse. Und machen Mut.
Zweieinhalb Jahre hat Susanne Maria di Campo Santo aus Hattingen sprachlos und abgeschottet in ihrer Wohnung gesessen. Mit einer schweren Depression und einer bipolaren Störung kam sie in die Psychiatrie in Hattingen. Mit bearbeiteten Fotos aus der Zeit gibt sie jetzt „ein Statement ab“.
Erschreckend ist das Foto, auf dem sie bei ihrer Einweisung zu sehen ist. „Das zeige ich ganz bewusst.“ Die Vorgeschichte: „Ich bin damals von Bochum nach Hattingen gezogen, war ganz euphorisch über die neue Wohnung. Nach zwei Wochen habe ich gemerkt, dass sie eine Bruchbude war“, sagt die 68-Jährige. Sie fiel in eine Depression, „so schlimm, wie ich sie noch nie hatte“.
Bipolare Störung und Depression: Frau verarbeitet Klinikaufenthalt in Hattingen in Bildern
Denn Depressionen kennt sie, ihr Leben lang kämpft sie schon mit ihnen. „Das habe ich von meiner Mutter geerbt.“ Sie machte Abitur, begann ein Germanistik- und Kunstgeschichte-Studium in Bochum, musste ein Volontariat wegen ihrer Krankheit abbrechen, absolvierte eine Buchhändler-Ausbildung. Doch immer wieder machte ihr die Krankheit zu schaffen.
Sprechstunde in der gläsernen Zelle
Die Vernissage der Ausstellung „Entschuldigung, zur Zeit gestört“ mit Musikbegleitung ist am Mittwoch, 31. Januar, 14.15 Uhr, im Foyer des St.-Elisabeth-Krankenhauses an der Essener Straße 31. Interessierte sind willkommen. Die Ausstellung ist dann für mehrere Wochen zu sehen, soll danach wandern.
Zusätzlich hat Susanne Maria di Campo Santo einen Büchertisch aufgebaut mit Büchern zum Thema Depression, in denen Interessierte lesen können. „Ich bin eben gelernte Buchhändlerin“, scherzt sie. Auch eine Mappe mit Texten bekannter Autoren hat sie zusammengestellt. „Darunter sind traurige und Mut machende.“ Persönlichkeiten wie Audrey Hepburn kommen darin vor.
Zur „Sprechstunde in der gläsernen Zelle“ mit Diashow und „Susanne live“ lädt Susanne Mari di Campo Santo immer montags, 17 bis 20 Uhr, donnerstags, 16 bis 18.30 Uhr, sonntags, 10 bis 14 Uhr und nach Voranmeldung. Hier möchte sie mit Menschen ins Gespräch kommen.
In der Klinik jedenfalls, mitten in der schrecklichsten Depression, an der Seite nur ihr schwarzer Kater Kalle, fiel ihr Blick auf die Container an der Straße. „Ich dachte, ich bin auch so ein Abfall.“ Vom Fenster aus konnte sie auch die Grabsteine auf dem Friedhof sehen. „Ich dachte, dass das der Weg für mich ist.“ Ein Bekannter, der auch beim Umzug geholfen hatte, kam regelmäßig vorbei, zog irgendwann die Reißleine. So kam Maria di Campo Santo nach Niederwenigern, verbrachte mehrere Monate auf Stationen der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik.
Fünf Wochen spricht Susanne Maria di Campo Santo in der Klinik nicht
„Fünf Wochen habe ich dort nicht gesprochen. Dann sprach mich ein Mitpatient an und ich sagte etwas, wunderte mich selbst, dass ich das noch kann.“ Im Jahr 2022 war das. Während dieser Zeit machte Susanne Maria di Campo Santo Fotos. „Das war meine eigene Therapie.“ Die Fotos bearbeitete sie. Die schwarz-weißen zeigen die Phase, in der es ihr sehr schlecht ging. Farbbilder zeugen von der guten Phase. Aufgezogen sind die Bilder auf zwei Dachlatten.
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„Help me“ (Hilf mir) - diesen verschnörkelten Schriftzug zeigt ein Foto, umgedreht wird daraus „I‘m fine“ (Mir geht‘s gut). „Das steht für die Zeit, wo ich nicht nach Hilfe fragen konnte.“ Und für die bipolare Störung. Als Tattoo trägt sie diesen Schriftzug auf der Haut. Den Spruch auf dem T-Shirt eines Mannes an der Haltestelle in Niederwenigern hat sie festgehalten: „Carpe that fuck diem“ (Genieße den Scheiß-Tag). Ein Farbbild zeigt sie vergnügt mit Kater Kalle.
Ausstellung soll Mut machen und über die Krankheit informieren
Wer Susanne Maria di Campo Santo heute sieht, kann sie kaum mit der Frau auf dem ersten Foto in Verbindung bringen. Sie fand zur Kontakt- und Informationsstelle für Selbsthilfe Hattingen und Sprockhövel (KISS). Bei der Veranstaltungsreihe Trialog, bei der sich Betroffene austauschen, entstand die Ausstellungsidee.
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Als sie dann zur Vorbesprechung in der Klinik war, fiel die Wahl für den Ausstellungsort - auf die geräumige gläserne Telefonkabine. „Das Telefon funktioniert nicht mehr. Aber auf der Anzeige steht ,Entschuldigung, zur Zeit gestört‘. Das passt genau.“ Und so heißt die Ausstellung „Entschuldigung, zur Zeit gestört“. Mit der sie zwei Ziele verfolgt: Sie möchte bipolare Störungen und Depressionen entstigmatisieren - und Betroffenen mit ihrer eigenen Geschichte Mut machen. Denn: „Jeder Tag ist ein neuer Anfang.“