Hattingen/Witten. Amélie Funda ließ sie sich gegen Corona impfen. Danach begann ihr Leidensweg. Wie die Post-Vac-Patientin (29) heute lacht, lebt, wofür sie kämpft.

Amélie Funda (29) hebt sich mit Hilfe ihres Mannes Paul vom Rollstuhl auf die Bank. Ohne ihn, sagt sie, geht nichts mehr. Sie strahlt Fröhlichkeit aus, lacht, steckt voller Lebensfreude. Und erzählt dabei – als wäre es nichts –, dass die Schmerzen ohne Medikamente „nicht zu ertragen sind“. Amélie Funda ist eine Post-Vac-Patientin. Nach Corona-Impfungen ging es bergab. „Dabei bin ich eine Impfbefürworterin“, stellt die einst sehr sportliche junge Frau klar.

Darum ist es so unerträglich, wenn manche sie in die Ecke der Impfgegner stellen. Sie ließ sich im Frühjahr 2021 impfen. Schnell trat eine Gürtelrose im Gesicht auf, von Ärzten fälschlich als bakterieller Infekt diagnostiziert. Die junge Referendarin an einer Grundschule entwickelte Schmerzen. „Obwohl es mir nicht gut ging, haben mir mehrere Ärzte geraten, mich auch zum zweiten Mal gegen Corona impfen zu lassen.“ Was sie tat.

Post-Vac: Nach der Corona-Impfung ging es mit Amélie Fundas Gesundheit bergab

„Zwei Tage nach der zweiten Impfung ging es richtig los. Ich hatte einen Schub, einen Zusammenbruch.“ Das heißt: Der Kreislauf sackt weg, ihr ist übel, schwindelig. Schmerzen, die sie „24/7“ hat, schießen noch unerträglicher ein. Dann kommen die Lähmungserscheinungen, erst in den Beinen, dann in den Armen. Zuletzt verliert sie ihre Sprachfähigkeit.

Post-Vac-Aktionstag

Der „CoVeRSE“-Bundesverband lädt ein zum Post-Vac-Aktionstag am Samstag, 16. September, 13 bis 16 Uhr hinter dem Landtag am Parlamentsufer in Düsseldorf.

59 Selbsthilfegruppen und alle Betroffenen sind eingeladen, Interessierte, Politiker, Ärzte, Journalisten und andere Betroffene zu informieren. Aufklärung, Information ist das Ziel.

Die Forderungen: Anerkennung, Forschung, Anlaufstellen, Aufklärung, medizinische Hilfe, finanzielle Unterstützung.

Seitdem kommen die Schübe unregelmäßig immer wieder. Seit dem letzten großen Zusammenbruch im März kann sie gar keine Stufen mehr überwinden. Halt gibt ihr bei den Schüben ihr Assistenzhund Yula, der sich dann neben sie legt.

Amélie Funda (29) ist Post-Vac-Patientin. Ihr Assistenzhund Yula (2) hilft ihr durch Schübe – auch ihr Hund Mabou (5). Außerdem gehört eine Katze zum Haushalt.
Amélie Funda (29) ist Post-Vac-Patientin. Ihr Assistenzhund Yula (2) hilft ihr durch Schübe – auch ihr Hund Mabou (5). Außerdem gehört eine Katze zum Haushalt. © FUNKE Foto Services | Walter Fischer

Amélie Fundas Immunsystem ist außer Rand und Band, wendet sich gegen sie

Die Impfungen, sagt sie, hätten verursacht, dass ihr Immunsystem „außer Rand und Band“ ist. Es wendet sich gegen ihren Körper. Immer wieder treten im ganzen Körper Entzündungen auf. Um sie einzudämmen, ernährt sie sich histaminfrei.

Amélie Funda (29) war früher ausgesprochen sportlich. Heute sitzt die Post-Vac-Patientin im Rollstuhl. Ihr Leidensweg begann mit den Corona-Impfungen.
Amélie Funda (29) war früher ausgesprochen sportlich. Heute sitzt die Post-Vac-Patientin im Rollstuhl. Ihr Leidensweg begann mit den Corona-Impfungen. © FUNKE Foto Services | alter Fischer

Myalgische Enzephalomyelitis ME/CFS, auch als Chronisches Fatigue-Syndrom bekannt, hat die Uniklinik Marburg, die sich intensiv mit Post-Vac befasst, bei ihr diagnostiziert.

Auslöser für die Schübe der Post-Vac-Patientin sind Überlastungen aller Art

Auslöser der Schübe sind körperliche, kognitive, emotionale Überlastung. „Ich muss immer jonglieren, gucken was geht, auch tagsüber einige Stunden schlafen.“ Zu warmes Wetter, direkte Sonneneinstrahlung, aber auch Kälte können Schübe auslösen. Amélie Fundas Durchblutung ist gestört. Malaria- und Schlaganfallmedikamente hat die Klinik in Marburg ihr verordnet. „Das sind alles Versuche. Man weiß zu wenig darüber.“ Dazu braucht sie jede Menge Schmerzmittel. In sechs Ordnern hat sie Diagnosen, Analysen, Anträge gesammelt. Fünf Blutwäschen hat sie hinter sich. Gebracht haben sie nichts.

Amélie (29) und Paul (32) Funda: Er muss seine Frau die Treppen hochtragen. Ihre Beine gehorchen ihr nicht. Sie ist Post-Vac-Patientin und setzt sich für die Anerkennung der Krankheit und für Hilfe für die Betroffenen ein.
Amélie (29) und Paul (32) Funda: Er muss seine Frau die Treppen hochtragen. Ihre Beine gehorchen ihr nicht. Sie ist Post-Vac-Patientin und setzt sich für die Anerkennung der Krankheit und für Hilfe für die Betroffenen ein. © FUNKE Foto Services | Walter Fischer

Seit zweieinhalb Jahren lebt Amélie Funda im Ausnahmezustand, hat Pflegestufe 3. Ihre Krankheit „ist ja nicht nur schlimm für mich, sondern auch für meinen Mann, meine Eltern und Schwiegereltern. Sie alle unterstützen mich unglaublich.“ Wie ihr geht es „schätzungsweise 100.000 anderen Post-Vac-Betroffenen“.

Amélie Funda kämpft mit anderen Betroffenen für die Anerkennung der Krankheit

Sie ärgert, dass die Anerkennung der Impffolgen fehle. „Man muss sich immer wieder verteidigen.“ Öfter musste sie sich anhören, dass sie sich nicht so anstellen solle, man könne nichts finden. „Man schlug mir eine psychologische Reha vor.“ In der Uniklinik in Marburg endlich fühlt sie sich ernst genommen.

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Die Medikamentenbox von Amélie Funda (29). Sie ist Post-Vac-Patientin. Nach Corona-Impfungen begann ihr Leidensweg. Den Tag übersteht sie nur mit starken Medikamenten. Sie setzt sich ein für eine Anerkennung der Krankheit und für Hilfen für alle Betroffenen.
Die Medikamentenbox von Amélie Funda (29). Sie ist Post-Vac-Patientin. Nach Corona-Impfungen begann ihr Leidensweg. Den Tag übersteht sie nur mit starken Medikamenten. Sie setzt sich ein für eine Anerkennung der Krankheit und für Hilfen für alle Betroffenen. © FUNKE Foto Services | Walter Fischer

Aber: Es fehle an Geld, um ihr Leiden zu erforschen. Außerdem „gibt es keine Studien, keine Medikamente“. Viele Untersuchungen muss sie sogar als Privatversicherte selbst bezahlen. 13.000 Euro bekam sie im Jahr 2022 nicht erstattet.

Alle Lebensträume und Hoffnungen hat Amélie Funda aufgegeben

„Wir haben uns mit dem Impfen solidarisch gezeigt, aber wir erfahren keine Solidarität in der Gesellschaft“, bedauert Amélie Funda., die sich in einem deutschlandweiten Selbsthilfe-Netzwerk engagiert.

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Alle Träume, alle Hoffnungen, die sie vor der Erkrankung hatte, hat Amélie Funda aufgegeben. Sie möchte „einfach glücklich“ sein. Natürlich wünscht sie sich Heilung. „Aber werde ich nicht gesund, dann möchte ich einfach ein zufriedenes Leben führen, meinen Frieden finden.“

Post-Vac-Aktionstag in Düsseldorf: Forderung nach Anerkennung und Hilfe

Ihr Mann sagt: „Amélie ist zum Glück ein positiver Mensch. Sie lässt sich nicht kaputtmachen, hat Lebensfreude.“ Und doch kann sie verstehen, wenn andere Betroffene in ihrer Situation depressiv werden. „Darum legt die Selbsthilfe großen Wert auf Suizid-Prävention“, sagt Amélie Funda.

Wenn es ihr am Samstag gut geht, dann will sie zum Post-Vac-Aktionstag nach Düsseldorf fahren. Um zu informieren. Und um sich einzusetzen für Aufmerksamkeit für die Krankheit, für Anerkennung und für Hilfe für alle Betroffenen.