Hattingen. Jede zehnte Straftat wird in Hattingen von einem Jugendlichen begangen. Welche Delikte das sind – und wie die Jugendgerichtshilfe dies einordnet.

Einen leichten Anstieg der Jugendkriminalität im Vergleich zum Vorjahr verzeichnet die Polizei im Jahr 2022. Dass die Pandemie auf die Folgen für straffällig gewordene Jugendliche Einfluss hat, erklärte Thomas Behr von der Jugendgerichtshilfe der Politik bereits im Ausschuss.

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10,66 Prozent der Straftaten, die in Hattingen begangen wurden, gingen im Jahr 2021 auf des Konto Jugendlicher, teilt Polizeisprecherin Sonja Wever mit. Dabei gilt das Jugendstrafrecht, wenn Taten von Jugendlichen zwischen 14 und 18 Jahren und auch noch von Heranwachsenden von 18 bis unter 21 Jahren begangen werden. Zwar sind Kinder zwischen acht bis unter 14 Jahren nicht strafmündig, in der polizeilichen Kriminalstatistik werden ihre Taten dennoch erfasst.

Darum sind hohe Tatzahlen auch trügerisch

Genaue Zahlen, welche Taten es in welche Häufigkeit gab, liefert die Polizei nicht. Jugendgerichtshelfer Thomas Behr hatte einen Einblick gegeben: Er zählte 2021 vor Gericht beispielsweise 27 Ladendiebstahlsfälle, 14 Straftaten im Bereich Verkehr, elf Betrugsfälle. Wie trügerisch diese Zahlen sind, betonte er aber auch. So seien bei den Betrügereien allein acht Fälle auf das Konto des selben Täters gegangen. Auch gab es zeitweise gehäuft Fälle von Hausfriedensbruch in Hattingen. Der Blick auf die Statistik könnte den Eindruck erwecken, junge Frauen seien hier besonders aktiv. Dabei waren nahezu alle Taten einer einzigen jungen Hattingerin zuzuschreiben.

Über Intensivtäter und Kinder

Der Begriff des Intensivtäters ist in NRW nicht landeseinheitlich definiert. Die Kreispolizeibehörden legen deshalb nach einer eigenen kriminalfachlichen Bewertung fest, welche Personen als Intensivtäter identifiziert werden. Um Stigmatisierung zu verhindern, müssen sie das objektiv begründen. Danach erfolgen Maßnahmen der Prävention und der Repression.

„Der polizeiliche Ansatz zielt gerade bei jugendlichen Intensivtäterinnen und Intensivtäter darauf ab, einerseits den Verfolgungsdruck zu erhöhen und ihnen andererseits Hilfestellungen anzubieten, um zukünftig Straftaten zu vermeiden“, erklärt die Sprecherin der Kreispolizei, Sonja Wever. Dabei hilf das Programm „Kurve kriegen“.

Im Fall, dass nicht strafmündige Kinder Taten begehen, prüft die Polizei, „ob eine Anhörung erfolgversprechend ist. Bei als gering zu bewertenden Straftaten wird nach Kenntnisnahme der Eltern keine Anhörung durchgeführt“, so Wever. Fälle von Jugendkriminalität werden durch speziell geschulte Beamte bearbeitet. „Derzeit ist hier kein Fall bekannt, in dem die Eltern oder Erziehungsberechtigte strafrechtlich oder polizeirechtlich für ein Fehlverhalten ihrer Kinder über 14 Jahre belangt wurden.“

Als Tatschwerpunkte Jugendlicher in Hattingen gibt die Polizei Delikte im Bereich Ladendiebstahl und Sachbeschädigung an. Nach Erfahrung von Thomas Behr sind beim Ladendiebstahl nicht selten Mädchen die Täterinnen. „Aber in der Regel sehen wir die nicht wieder vor Gericht“, betont er. Nur ein geringer Teil der Jugendlichen seien Wiederholungstäter, so seine Wahrnehmung. Laut Polizei sind dabei Erst- ebenso wie Mehrfachtäter vertreten.

In der Polizeistatistik stellen männliche Tatverdächtige die Mehrzahl im Bereich der Jugendkriminalität. Außerdem seien die meisten Tatverdächtigen Jugendliche zwischen 14 und 17 Jahren.

Im Sommer gibt es mehr Körperverletzungen

„Saisonal bedingt sind in den Sommermonaten Körperverletzungsdelikte mit und ohne Alkohol von in Konflikt geratenden Jugendgruppen zu erkennen und zum Ende des Jahres Delikte mit pyrotechnischen Mitteln“, beschreibt Sonja Wever die Auffälligkeiten im Jahresverlauf. Veränderungen im Vergleich zu den Vorjahren habe die Polizei nicht feststellen können.

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Landen die Fälle vor Gericht, ist im Jugendstrafrecht nicht selten, dass verurteilte Täter Arbeitsstunden ableisten müssen. Hier hat die Pandemie einiges verändert. Viele Einrichtungen, die Problemfälle für Sozialstunden aufgenommen haben, sind in der Corona-Zeit weggebrochen. Deshalb wurde vor Gericht häufiger das Verfassen eines Aufsatzes angeordnet.

Neue Konzepte fürs Antigewalttraining entwickelt

Auch für Antigewalttrainings – sehr körperliche Kurse – mussten völlig neue Konzepte entwickelt werden. Und die bis dahin üblichen Kurse gegen Ladendiebstahl waren in der bisherigen Art und Weise mit unter anderem Besuchen im Jugendarrest und bei Geschäftsleuten nicht mehr möglich.

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Um Straftäter-Karrieren früh zu verhindern und beenden, bietet die Polizei im EN-Kreis das Programm „Kurve kriegen“. Der Ansatz: Gemeinsam mit pädagogischen Fachkräften begleitet die Polizei Kinder und Jugendliche dabei, die Kurve in ein Leben ohne Kriminalität zu kriegen. Dazu gehören individuelle Angebote, die an den Ursachen für Kriminalität ansetzen und der Austausch mit Sorgeberechtigten, Angehörigen, Jugendämtern und Schulen.