Sprockhövel/Hattingen. Henrik Dörge aus Sprockhövel hat Asperger-Autismus und ADS: Er erzählt, wie er es als einstiger Schulversager in Hattingen zum Abitur brachte.
Vom Schulversager zum Abiturienten – das ist die Geschichte von Henrik Dörge (25) aus Sprockhövel. Die er auch erzählt, um anderen Mut zu machen, für die eigenen Ziele zu kämpfen. Nicht aufzugeben.
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Seit Juni hat Henrik Dörge das Abiturzeugnis in der Hand. Bis dahin war es ein weiter Weg. Mit vielen Schulwechseln. Der Weg führte über „neun Schulen in sieben Städten“. Diagnostiziert sind bei Dörge Asperger-Autismus und ADS (Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom).
Sein Weg: Realschule in Hattingen, Mathilde-Anneke-Schule in Sprockhövel
Nach der Grundschulzeit geht es für Dörge zunächst auf die Realschule in Hattingen, dann zur Mathilde-Anneke-Hauptschule in Niedersprockhövel. „Da waren meine Leistungen erst gut, aber dann kam die Pubertät, es gab Konflikte.“
Er kommt in eine so genannte BUS-Klasse des Bildungsprojekts „Betrieb und Schule“ für Lernende im letzten verpflichtenden Schuljahr, denen es an beruflicher Perspektive mangelt. „Zwei Tage geht man dabei arbeiten, drei Tage zur Schule, das ist quasi ein Förderzweig für Schulversager“, sagt Dörge.
Für den Abschluss zum Kolping-Bildungswerk in Essen gewechselt
Doch einen Abschluss erwirbt er hier nicht, wechselt zum Kolping-Berufsbildungswerk in Essen. „Ich war dort ein Jahr in einer berufsvorbereitenden Maßnahme, konnte in die Berufszweige Textil, Koch, Hauswirtschaft schauen.“ Von Essen geht’s ins Berufsbildungswerk Volmarstein. „Da habe ich eine Ausbildung zum Zierpflanzengärtner gemacht und mit der Note gut abgeschlossen.“ Endlich hat er damit auch den Hauptschulabschluss in der Tasche.
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Zunächst arbeitet er bei einem Obst- und Gemüsehändler, ist im Berufsleben angekommen. Als er arbeitslos wird, beschließt er aber, schulisch weiterkommen zu wollen. An der VHS Hagen holt er seinen Realschulabschluss nach, will mehr, startet mit dem Abitur am Rahel-Varnhagen-Kolleg in Hagen. „Meine Leistungen waren erst gut, aber dann geriet ich 2019 an die falschen Freunde, für die ich Handyverträge abgeschlossen habe. Durch den Stress sind meine Leistungen schlechter geworden, ich hatte viele Fehlzeiten“, beschreibt er eine schwierige Phase in seinem Leben.
Er wiederholt ein Semester, muss in eine Nachprüfung
Aber er lässt sich nicht unterkriegen, wiederholt ein Semester, muss in eine Nachprüfung, die er zunächst nicht schafft. Todesfälle in der Familie setzen ihm zu. „Mit einer Sondergenehmigung durfte ich weitermachen. Der Schulleiter hat sich für mich eingesetzt, damit ich aufs Weiterbildungskolleg in Bochum gehen kann.“
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Inzwischen ist es Februar 2020. Corona-Zeit. Die aber, sagt er, hat er schulisch gut überstanden. Und im Juni seine Abiturprüfungen bestanden mit den Abi-Fächern Englisch, Deutsch, Pädagogik und Biologie. Über sich sagt er: „Ich gebe nie auf, wenn ich ein Ziel vor Augen habe.“
Er treibt Sport, sammelt Briefmarken, liest, zeichnet und reist gern
Nun hat er etwas Zeit für seine Hobbys: Er treibt Sport, sammelt Briefmarken, liest, zeichnet und reist gern. Seine Geschichte zeige, dass man sich immer selbst verbessern könne. Seine Eltern, Lehrende und Psychologen hätten ihn auf seinem Weg unterstützt. Inzwischen merkt er, wann er sich Hilfe holen muss. „Ich bin oft scheu, nicht bei Freunden, aber in der Schule beispielsweise. Daran arbeite ich.“
Denn nicht jeder Lehrer wusste seine Scheu als Symptom zu deuten, sah sie manchmal als mangelnde Beteiligung. Damit Schulen auf Lernende wie ihn eingehen können, brauche es mehr psychologisches Wissen an den Schulen – und mehr Personal.
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Dörge möchte nun ein Jahr arbeiten und bis Weihnachten entscheiden, welches Studium er im Sommer 2023 aufnimmt. Vorstellen kann er sich vieles. Und wenn er sein Ziel erst mal im Visier hat, dann erreicht er es auch, ist er sich sicher.