Hattingen. Die Abwassergebühren in Hattingen sinken im Jahr 2023 um maximal 1,9 Millionen Euro. Rückzahlungen für 2022 gibt es nicht. Das sind die Gründe.
Die Stadt Hattingen muss ihre Abwassergebühren senken. Das Oberverwaltungsgericht in Münster hat das in einem Musterprozess für die Städte und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen jetzt so entschieden. Was das für den einzelnen Gebührenzahler in Euro und Cent bedeutet, kann die Stadtverwaltung noch nicht sagen. Nur das: Kämmerer Frank Mielke rechnet mit einem Verlust für die Stadtkasse „in Höhe von maximal 1,9 Millionen Euro“.
Ein Einwohner aus Oer-Erkenschwick hatte den Musterprozess ins Rollen gebracht. Seine Klage hat das OVG in Münster zugunsten der Gebührenzahler in NRW entschieden. Das Urteil liegt der Stadt Hattingen jetzt auch schriftlich vor.
Die Verzinsung in den Gebührensätzen muss von 6,52 auf 2,42 Prozent gesenkt werden
Im Kern geht es darum, dass die Städte und Gemeinden bei der Berechnung der Abwassergebühren zu hohe Abschreibungssätze angesetzt haben. „Auch Hattingen hat dabei mit einem Zinsdurchschnitt der vergangenen 50 Jahre gearbeitet, wie es das Oberverwaltungsgericht seinerzeit selbst noch für richtig gehalten hat“, erklärt Frank Mielke. „Jetzt sind zehn Jahre festgeschrieben worden.“ Für den Musterfall Oer-Erkenschwick bedeutet das: Die Verzinsung in den Gebührensätzen muss von 6,52 auf 2,42 Prozent gesenkt werden.
Selbst kümmern müssen sich die Bürgerinnen und Bürger in Hattingen in diesem Fall nicht. Die niedrigen Tarife werden automatisch in die Gebührenbescheide für das kommende Jahr eingepreist.
Niemand in der Stadt Hattingen hat eine Klage eingereicht
Allerdings kommt in Hattingen auch niemand vorher in den Genuss der niedrigeren Zahlung, wie es in anderen Städten der Fall ist. Dazu wäre eine individuelle Klage gegen die Gebührensatzung 2022 nötig gewesen. Und die hat in Hattingen nach Angaben der Stadt niemand eingereicht.
Das Kanalgeschäft
Fast vier Jahre haben die Stadt Hattingen und der Ruhrverband die Übertragung des Kanalnetzes vorbereitet. Vier der 60 Mitgliedsstädte des Verbandes hatten ihre Abwasserbeseitigungspflicht bis dahin übertragen. Hattingen ist die größte davon.
Politisch war das Kanalgeschäft umstritten. SPD, Grüne und FDP waren dafür. CDU, Linke und Linke-Piraten dagegen. 27:18 lautete im April 2019 das Ergebnis der Abstimmung für die Übertragung. Zum ersten Mal seit 28 Jahren erfolgte sie namentlich.
„Es hat wohl rund 50 Widersprüche gegen die Festsetzung der Abwassergebühren für das Jahr 2022 gegeben“, sagt der Stadtkämmerer. „Wir haben sie alle abgewiesen. Geklagt hat dagegen niemand.“
Wie die Stadt das Millionen-Loch im Etat 2023 kompensieren will, ist noch nicht bekannt. Da nur Einsparungen oder Steuererhöhungen infrage kommen, dürfte das Urteil des Oberverwaltungsgerichts auch Folgen für die politische Diskussion des kommunalen Haushalts 2023 in den parlamentarischen Gremien im Herbst 2022 haben.
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Zum Jahr 2021 waren die Abwassergebühren um 3,5 Prozent angehoben worden. Das habe aber nichts mit der Übertragung des Hattinger Kanalnetzes an den Ruhrverband zu tun, die etwas verspätet zum 1. Juli 2020 in Kraft getreten ist, versicherte seinerzeit Stadtkämmerer Mielke. „Die Kostensteigerung entspricht der allgemeinen Teuerungsrate. Ich bin mit der Entwicklung der Kosten sehr zufrieden.“ Noch zufriedener war Mielke dann ein Jahr später. Für 2022 konnten die Gebühren wieder gesenkt werden: um 1,5 Prozent beim Schmutzwasser und um 2,6 Prozent beim Niederschlagswasser.
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Auch nach der Übertragung des Kanalnetzes bleiben Kalkulation und Festsetzung der Abwassergebühren vertragsgemäß weiterhin in der Hand der Stadt Hattingen. Enorm profitiert hat die Stadtkasse von dem Geschäft. 115,5 Millionen Euro zahlte der Essener Wasserversorger der Stadt Hattingen dafür, dass er ihre Abwasserbeseitigung übernehmen darf. Damit konnte Kämmerer Frank Mielke die Liquiditätskredite auf einen Schlag von 135 auf rund 38 Millionen Euro zurückfahren.