Hattingen. Die Attacke auf das Auto von Sascha Kursawe wird in den Ratsfraktionen in Hattingen mit großer Sorge diskutiert. Was die Politiker umtreibt.
Der Farbanschlag auf das Privatauto des Stadtverordneten Sascha Kursawe von den Grünen sorgt bei den Lokalpolitikern in Hattingen für viel Gesprächsstoff. Die Ratsfraktion der Grünen will sich eventuell sogar zu einer Sondersitzung in der Osterpause treffen.
„Wir diskutieren das gerade“, sagt Fraktionschef Oliver Degner auf Anfrage der WAZ. In einer Mail an die Parteifreunde hat er seine Betroffenheit zum Ausdruck gebracht und angeregt, nicht bis zur nächsten regulären Fraktionssitzung der elf Ratsvertreter der Grünen am 2. Mai zu warten. „Ich bin ganz sicher, das viele Kolleginnen und Kollegen aktuellen Gesprächsbedarf haben“, so Degner.
Kursawe hat Anzeige erstattet und eine Belohnung für Hinweise ausgesetzt
Bisher unbekannte Täter haben in der Nacht zum Ostermontag Farbe und Abbeizer auf den Privatwagen des Stadtverordneten Sascha Kursawe geschüttet. Der 42-jährige Lokalpolitiker vermutet die Täter im Umfeld der Querdenker-Bewegung. Kursawe hat Anzeige bei der Polizei erstattet und privat 1000 Euro Belohnung für Hinweise ausgesetzt, die zur Ergreifung der Täter führen.
Dass hinter der Attacke wirklich Anhänger der Querdenker und Kritiker der Corona-Schutzmaßnahmen stecken, konnte die Polizei auch am Mittwoch nicht bestätigen. „Es gibt bisher keine Hinweise darauf“, sagt Isabell Kircher, Sprecherin der Kreispolizei, zu Kursawes Verdacht.
Es liegt kein Strafantrag und keine Strafanzeige vor
Der 42-jährige Stadtverordnete begründet seine Vermutung, zur Zielscheibe von Querdenkern geworden zu sein, mit dem Hinweis auf seine Kommentare auf Facebook und Telegram. „Ich bin in den Sozialen Medien schon lange mit der festen Haltung unterwegs, dass Querdenker in unserer Gesellschaft nichts zu suchen haben“, sagt Kursawe.
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Bei der Abschlussveranstaltung eines ,Montagsspaziergangs’ sei er namentlich erwähnt worden“, sagt der Lokalpolitiker. Das zeige doch, dass er zum Ziel geworden sei.
Von den Piraten zu den Grünen
Sascha Kursawe war bei der Kommunalwahl 2014 als einziger Pirat in den Rat der Stadt eingezogen. Zunächst schloss er sich den Linken an. Nach deren Spaltung bildete er zusammen mit Gunnar Hartmann die Fraktion Linke-Piraten. 2020 wechselte der Lokalpolitiker die Farbe. Er sprang bei den Piraten von Bord und heuerte bei den Grünen an. Der Wechsel zahlte sich politisch aus. Die Grünen setzten Kursawe auf Listenplatz vier. Und den hätte der Seitenwechsler nicht einmal gebraucht: Als einziger Kandidat der Grünen holte er das Ratsmandat direkt. Im Wahlbezirk 9 (Innenstadt) holte er 230 Stimmen (28,97 Prozent) gegen gegen Klaus Kampmann (SPD/220 Stimmen).
Polizeilich dokumentiert ist das nicht. „Natürlich kann es bei diesen Veranstaltungen zu üblen Nachreden oder Beleidigungen kommen, die wir auch verfolgen, wenn sie angezeigt werden“, erklärt Isabell Kircher. In dem konkreten Fall liege indes kein Strafantrag und keine Strafanzeige vor.
Generell, so die Polizeisprecherin, stagniere die Teilnehmerzahl bei den „Spaziergängen“ in Hattingen zurzeit bei rund 200. In der Spitze im Januar seien es bis zu 800 gewesen. Der Kreispolizei, die die Demonstrationen von Anfang an begleitet, sei bisher kein einziger Zwischenfall bekanntgeworden. „Es ist immer alles ruhig geblieben“, so Kircher.
In Hattingen ist eine Grenze überschritten
Ruhig bleiben – das wollen die Lokalpolitiker aller Ratsfraktionen in Hattingen trotz des Farbanschlags auch weiterhin. „Ich persönlich fühle mich nicht bedroht und meine Partei plant aktuell auch keine besonderen Maßnahmen", sagt SPD-Parteivorsitzender Manfred Lehmann. „Natürlich ist so eine Attacke völlig inakzeptabel und macht fassungslos. Es ist hier in Hattingen zudem das Überschreiten einer Grenze. Denn so etwas hat es bisher nicht gegeben.“
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Bei Gilbert Gratzel hat die Sorge vor Übergriffen eine Vorgeschichte. Als er noch in einem frei stehenden Einfamilienhaus wohnte, hat der Chef der FDP-Ratsfraktion auf Klingelschild und Postkasten verzichtet. „Liberale Positionen waren nicht immer populär“, meint Gratzel. Und erzählt von seinerzeit einzuholenden Zustimmungen der Oberpostdirektion für diese Maßnahme – weil die Zustellungspflicht zu gewährleisten sei.
Gerhard Nörenberg rät zur Besonnenheit. „Wir müssen erst einmal sehen, wer es wirklich war“, sagt der CDU-Partei- und Fraktionschef. „Lokalpolitiker waren ja bisher eher selten das Ziel von solchen Attacken.“