Hattingen. Was für ein Kuriosum: Als 1954 Hattingens Bürgermeister gewählt wird, gibt es auch nach dem dritten Wahlgang ein Unentschieden. Die Geschichte.

Kommunalpolitisches Kuriosum der besonderen Art: Weil es auch nach drei Wahlgängen immer noch eine Stimmengleichheit gibt, muss das Los am 2. Dezember 1954 über den neuen Bürgermeister Hattingens entscheiden.

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Zeit der Neuorientierung

Es sind die Nachkriegsjahre, die Zeit der Neuorientierung, der personellen Veränderungen. Zu Beginn des Jahres 1954 etwa wird Werner Elsemann auf der Schulenburg als neuer Stadtdirektor eingeführt. Er löst Karl Steierwald ab, der nach dem Kriegsende zunächst als Bürgermeister und dann acht Jahre lang als Stadtdirektor die Verantwortung übernommen hatte.

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Ein halbes Jahr später ist auch das Amt des ehrenamtlichen Bürgermeisters wieder frei – bereits zum fünften Mal nach 1945. Otto Meuser (CDU) und Willy Brückner (SPD) kämpfen um die Nachfolge von August Ackermann (CDU) und stellen sich zur Wahl.

Drei Wahlgänge – keine Entscheidung

Bei den Wahlen zwei Jahre zuvor hatte es folgende Ergebnisse gegeben: SPD – 37,94 Prozent; CDU – 30,54; FDP – 18,58; KPD – 8.26. Nun müssen die Stadtverordneten über den neuen ehrenamtlichen Amtsträger entscheiden – doch auch nach drei Wahlgängen ist immer noch keine Mehrheit gefunden. Stimmengleichheit!

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Kurzerhand wird beschlossen, dass der neue Bürgermeister Hattingens per Losentscheid gekürt wird – und so hat Otto Meuser das Glück auf seiner Seite und wird gezogen.

Am 10. August 1956 verstirbt Meuser und das Amt ist kurz vor den nächsten Kommunalwahlen erneut vakant.

Brückner wird zum Brückenbauer

Zweieinhalb Monate später entscheiden sich die knapp 25.000 Hattingerinnen und Hattinger wie folgt: SPD – 50,27 Prozent; CDU – 33,36; FDP – 16,37. Und am 6. November wird Willy Brückner zum neuen Bürgermeister gewählt.

Hattingens Bürgermeister der Nachkriegszeit

Elf Bürgermeisterinnen und Bürgermeister­ zählt Hattingen bisher nach dem Zweiten Weltkrieg. In den ersten Jahren gibt es dabei mit Karl Steierwald (1945-46, SPD), Willi Grobe (1946-48, SPD), Willi Herold (1948, SPD), August Ackermann (1948-54, CDU) und Otto Meuser (1954-56, CDU) recht schnelle Wechsel.

Erst mit Willy Brückner (1956-77, SPD) kommt mehr Kontinuität ins Rathaus. Dem Brückenbauer Brückner folgen mit Paul Wolf (1977-85, SPD) und Günter Wüllner (1985-96, SPD) zwei weitere ehrenamtliche Bürgermeister.

Der vormalige Stadtdirektor Dieter Liebig (SPD) wird 1997 der erste hauptamtliche Bürgermeister Hattingens. Ihm folgen Dr. Dagmar Goch (2004-15, SPD) und der parteilose Dirk Glaser (2015 bis heute).

Und der Brückner wird zum Brückenbauer. Er ist um Ausgleich bemüht, behutsam und bescheiden führt er die Farben des politischen Spektrums zusammen. Er wird zum Bürgermeister der Kommunalen Neuordnung im Jahr 1970, ihm gelingt es, Zusammenhalt in die zusammengewürfelten Ortsteile zu bringen. Willy Brückner wird zu einer prägenden Person in der Rathaus-Geschichte seiner Stadt.

Der Ennepe-Ruhr-Kreis honoriert ihn als „Mann der ersten Stunde“, seine Sozialdemokraten führt Willy Brückner zu immer neuen Höhenflügen in der Ruhrstadt.

Selbstbewusstes Auftreten

Selbstbewusst geht er vor der Kommunalwahl 1975 in die Offensive: „Liebe Mitbürger! Jetzt heißt es: Karten auf den Tisch. Sind die Sozialdemokraten ihren Aufgaben gerecht geworden? Hat diese Fraktion ihr Wahlversprechen eingehalten?“ Und Hattingen stimmt ab: Die SPD steigert ihr Ergebnis fünf Jahre nach der Gebietsreform von 51,68 auf 53,76 Prozent – es ist ihr bestes in den vergangenen 50 Jahren.

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