Hattingen. Der Missbrauchsskandal und das Verhalten von Papst Benedikt erschüttern viele Gläubige in Hattingen. Welche Konsequenzen sie ziehen.

Die Gläubigen der Stadtpfarrei St. Peter und Paul in Hattingens sind entsetzt und tief enttäuscht über Papst Benedikt. Doch Wut und Frust macht sich nicht nur wegen ihm breit.

Jetzt hadert auch die Generation der 70- und 80-Jährigen mit der Kirche

Das Verhalten vieler Kirchenoberen angesichts des Missbrauchsskandals lässt immer mehr Gläubige mit der Kirche hadern, darunter ein großer Teil, die in ihr eine Heimat gesehen haben. Die Zahl der Austritte ist schon im vergangenen Jahr deutlich gestiegen.

Die Verbitterung der Menschen bekommt die Pfarrgemeinderatsvorsitzende von St. Peter und Paul, Marlies Meier, immer wieder zu spüren. Es sind nicht nur junge Menschen, die sich abwenden, auch und gerade die Generation der „70- und 80-Jährigen will einer solchen Kirche nicht mehr angehören“. Das Ausmaß von sexuellem Missbrauch und zudem noch die Vertuschung erschüttere gerade die, die mit der Kirche, ihren Riten und Traditionen aufgewachsen seien.

Pfarrgemeinderatsvorsitzende Marlies Meier: Das Verhalten der Kirchenoberen schadet den Menschen, die sich engagíeren.
Pfarrgemeinderatsvorsitzende Marlies Meier: Das Verhalten der Kirchenoberen schadet den Menschen, die sich engagíeren. © Funke Foto Services GmbH | Fischer

Die gesamte Stimmungslage in den Gemeinden werde, so Meier, aber durch eine Reihe weiterer strittiger Fragen belastet, angefangen beim Umgang mit gleichgeschlechtlichen Paaren über die Stellung der Frau in der Kirche bis hin zur hierarchischen Struktur.

Gemeinde setzte Zeichen für Homosexuelle

Einen Protestbrief oder eine Unterschriftenliste will die Gemeinde nicht auf den Weg bringen. so Marlies Meier, „aber wir möchten Bischof Overbeck unterstützen, der in dem Missbrauchsskandal eine klare Haltung zeit“.

Die Hattinger Gemeinde setzte im vergangenen Mai ein klares Zeichen, als sie sich an der Segnung heterosexueller und gleichgeschlechtlicher Paare sowie verheirateter und geschiedener Menschen beteiligte. Vorausgegangen war eine Erklärung der römischen Glaubenskongregation, dass die Kirche keine Vollmacht habe, gleichgeschlechtliche Paare zu segnen.

Das Verhalten zahlreicher Würdenträger schade den Menschen, die sich in Gemeinden wie Hattingen engagieren, betont die Vorsitzende: „Diese überlegen in zunehmendem Maße, warum sie sich für eine solche Kirche einsetzen sollen.“ Dabei sei es dem Engagement von Ehrenamtlichen zu verdanken, dass seit Beginn der Pandemie so viele Angebote aufrecht erhalten werden konnten. Freiwillige Helfer entwickelten, erläutert Meier, Online-Formate und kümmerten sich um Leute, die unter den Folgen der Corona-Einschränkungen zu leiden hatten – wie alte und kranke Menschen. Die Vorsitzende beobachtet darüber hinaus, dass inzwischen auch Gottesdienstbesucher ausbleiben und das sei nicht nur den Coronaregeln geschuldet.

In Fragen des Glaubens bleibt die Kirche außen vor

Ebenso wie Marlies Meier nimmt auch Pfarrer Andreas Lamm kein Blatt vor den Mund. Er spricht von „schrecklichen Taten“ und einem „unerträglichen Mantel des Schweigens“. Die Kirchenoberen müssten sich „eindeutig und unmissverständlich zu ihrer Verantwortung bekennen“, fordert der Seelsorger. Es werde ohnehin schwer genug, das verloren gegangene Vertrauen wieder aufzubauen. Nach seinem Eindruck ist das Interesse an Fragen des Glaubens noch immer in starkem Maße vorhanden, bei der Suche nach Antworten bleibe die Kirche außen vor.

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Im vergangenen Jahr haben von den rund 16.000 Katholiken in Hattingen rund 300 die Kirche verlassen. In anderen Jahren habe die Zahl deutlich niedriger gelegen, so Lamm. Es werde auch immer schwieriger, Menschen zum Engagement zu bewegen, erklärt der Pfarrer. „Sie müssen sich dann auch von Freunden und Familie die Frage gefallen lassen, was sie dazu eigentlich noch veranlasst“, berichtet Marlies Meier. Sie stehe auch oft genug Rede und Antwort und erkläre ihren Einsatz damit, dass sie mit ihrer durchaus kritischen Haltung auch Mahnerin sein möchte. Zugleich wollen sie sich und Pfarrer Lamm dafür stark machen, dass eine Kirchengemeinde auch ein Zuhause bieten kann.

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Gemeinde entwickelt ein neues Schutzkonzept

Angesichts der Missbrauchsfälle haben die Gemeinden des Bistums Essen Schutzkonzepte entwickelt, betonen der Seelsorger und die Pfarrgemeinderatsvorsitzende. Alle Mitarbeiter, ob ehren- oder hauptamtlich müssen ein erweitertes Führungszeugnis vorlegen, das über sexuelle Straftaten Auskunft gibt. Das gesamte Personal werde geschult, um sensibel für die eigenen Grenzen und die anderer zu sein. Falls es zu Beschwerden kommen sollte, sind Personen benannt, an die sich Betroffene wenden können. Das Konzept werde noch einmal überarbeitet, erläutert die Präventionskraft Mariella von der Burg, um alles dafür zu tun, dass Gemeinden vor Ort einen Schutzraum für Kinder und Jugendliche darstellen.

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