Hattingen. Zum Gedankengang für Corona-Opfer und Solidarität von „Partnerschaft für Demokratie“ zeigen 400 Menschen Zusammenhalt. Warum sie mitmachen.
Etwa 400 Menschen erinnerten in Hattingen am Donnerstagabend an die Opfer von Corona und mahnten zu Solidarität beim „Hattinger Gedankengang – Wir halten zusammen!“, zu dem die „Partnerschaft für Demokratie Hattingen“ eingeladen hat.
Das alte Rathaus ist rot angestrahlt, rot leuchten Kerzen, die das Organisationsteam verteilt. 80 sind es – und sie stehen für diejenigen, die in Hattingen an oder mit Corona verstorben sind.
Gedankengang in Hattingen für die Corona-Opfer und als Zeichen der Solidarität
Für sie – und für alle Leidtragenden der Pandemie – soll an diesem Abend ein Zeichen gesetzt werden. Olaf Jacksteit, der das Gedenken angemeldet hat, mahnt zu Abstand. Mancher überprüft den zum Nebenmenschen, tritt ein Stück beiseite. Masken tragen alle, weiß leuchten sie im Halbdunkel.
Partnerschaft für Demokratie mit Gedankengang
„Verantwortlich handeln – Impfen ist eine gute Lösung“ hat Barbara Holzapfel auf ein Schild geschrieben, an dessen Rand sie Leselampen geklemmt hat, damit der Schriftzug auch in der Dunkelheit gut zu sehen ist. Holzapfel will nicht spalten: „Jeder, der sich nicht impfen lässt, hat dafür sicherlich Gründe.“ Aber sich zu impfen, das sieht sie als Zeichen der Solidarität.
In Ruhe und Stille gedenken
„Für mich ist das ein bewegender Moment, wenn ich sehe, wie viele dem Aufruf gefolgt sind“, sagt Martina Przygodda, Sprecherin des Begleitausschusses der „Partnerschaft für Demokratie Hattingen“. „Wir wollen hier keine Demonstration machen, sondern in Ruhe und Stille mit Ihnen gedenken.“
Sie betont, dass die Einschränkungen ihrer Meinung nach gerechtfertigt sind, angemessen. Der Verzicht sei nichts im Vergleich zu dem, was andere an Verlust erlitten hätten. „Ich respektiere die Erkenntnisse der Wissenschaft.“ Applaus brandet daraufhin auf.
Plakate mit Pro-Impfung-Aufschriften
„Impfgegner sind Egoisten“ trägt eine Frau ein Schild vor dem Bauch. Ein anderes Schild verkündet in grüner Schrift: „Nur Impfen schafft Freiheit für alle.“ Auf einer Warnweste findet sich die Bitte: „Gib mir Abstand – 1,5 Meter.“
„Ohne große Diskussionen und ohne Austausch von Argumenten“ solle dieser Hattinger Gedankengang ablaufen, der hinführt zum Rathaus, wo die Teilnehmer die 80 Kerzen auf die Stufen stellen.
Familie möchte Querdenkern nicht die Straße überlassen
Ilona und Marcus Stursberg sind mit Tochter Philine (9) und Valentin (12) gekommen, haben Gläser mit Kerzen von daheim mitgebracht. „Es ist wichtig, dass wir auch mal zeigen können, dass wir da sind. Wir nehmen gerne noch eine Weile Einschränkungen in Kauf“, sagt Ilona Stursberg
Partnerschaft für Demokratie Hattingen
Hattingen gehört seit Mai 2017 zu den derzeit gut 260 Kommunen, die über das Bundesprogramm „Demokratie leben!“ des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gefördert werden. Anliegen des Bundesprogramms „Demokratie leben!“ ist es, durch vielfältige Programmbereiche die demokratische Kultur in der Gesellschaft nachhaltig zu fördern.Im Programmbereich „Partnerschaften für Demokratie“ werden Kommunen bezuschusst, Handlungskonzepte für Vielfalt und Demokratie lokal anzulegen. Auf Grundlage der vorhandenen Strukturen und der Lebenswirklichkeit in den Quartieren werden Projekte gefördert, die sich mit den zivilgesellschaftlichen Herausforderungen wie Rechtsextremismus, Rassismus, Populismus und Antisemitismus sowie Islam- und Muslimfeindlichkeit, Ultranationalismus und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit beschäftigen.
Sie würde es nicht aushalten, dass die Querdenker die Straße übernehmen würden. Ilona und Marcus Stursberg sind Lehrer, haben auch mit Eltern zu tun, die eine ganz andere Meinung vertreten. „Da dürfen wir uns nicht frei äußern.“ Bei dem Gedenkgang aber könnten sie nun ihre Meinung zeigen.
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„Corona nervt uns alle“, so Bürgermeister Dirk Glaser in seiner Ansprache. Aber er vertraue auf die Wissenschaft, die Politik, „auch wenn ich nicht weiß, ob jede Entscheidung zu jedem Zeitpunkt die richtige ist“.
Bürgermeister Dirk Glaser: „Wachsam sein, mit wem man sich auf den Weg macht“
Die Abspaltung eines Teils der Gesellschaft besorge ihn: „Lassen Sie uns versuchen, die Auffassung jedes Einzelnen zu respektieren, auch wenn wir sie nicht teilen. Die Meinungs- und Versammlungsfreiheit ist eine Grundlage der Demokratie, aber man sollte auch wachsam sein, mit wem man sich auf den Weg – oder ,Spaziergang’ – für diese Freiheitsrechte macht“, sagte er in Richtung der Montagsdemonstranten gegen die Corona-Maßnahmen.