Hattingen. Mit der Bratwurst hat es nicht geklappt, nun versucht es der EN-Kreis anders: Für eine Impfung im Bus gab’s jetzt in Hattingen eine Autowäsche.
Gut gelaunt zieht Rainer Müller eine Fußmatte durch das Reinigungsgerät, daneben glänzt sein silberner VW-Golf. Gerade ist der 79-Jährige aus der „Cleanline“-Waschanlage an der Kreisstraße gefahren, doch bezahlen muss er dafür dieses Mal nichts. Einen Gutschein für die Gratis-Autowäsche gibt es, weil Müller sich im – ebenfalls an der Waschanlage postierten – Impfbus des EN-Kreises einen Piks hat geben lassen.
Impflinge wären auch ohne Autowäsche gekommen
„Ich wäre auch so gekommen“, beteuert der Rentner, für den es mittlerweile schon die dritte Impfung ist. Die ersten beiden Impfungen hat er sich im Impfzentrum des Kreises abgeholt. „Das war vor einem halben Jahr, da haben die Hausärzte noch nicht geimpft“, erinnert er sich. Damals gab’s Biontech, heute hat er sich für Moderna entschieden. An Bord hat der Impfbus Dosen aller vier Hersteller.
Müller hat – wie viele andere Hattinger – in der WAZ von der Aktion gelesen. „Ich dachte, einfacher und günstiger kannst du nicht drankommen“, sagt er lachend – und meint damit ausdrücklich die Impfung, nicht die Autowäsche. Wenngleich die heute besonders luxuriös ausfällt. „Ich wasche sonst immer nur für 8,50 Euro“, verrät der Golf-Fahrer. Heute aber kann er sein Gefährt mit der 14-Euro-Wäsche verwöhnen. Trotzdem sagt er: „Ich finde es im Grunde genommen traurig, dass es nötig ist.“
Andere Impfaktionen hatten wenig Erfolg
Allerdings ist es das vielleicht gar nicht. Denn ähnliche „Bestechungsversuche“ hatten im EN-Kreis keinen Effekt. So war die Zahl der Impfungen im Impfzentrum auch nicht höher als sonst, als es zu jeder Erstimpfung eine Bratwurst im Brötchen gab. Und das Autokino, mit dem der Kreis noch einmal besonders viele Impfwillige in den Ende Juli geschlossenen Impf-Drive-In locken wollte, wurde mangels Nachfrage abgesagt.
Zudem waren unter den Impfwilligen, die sich am Dienstag den schützenden Piks an der Waschanlage abgeholt haben, auch solche, die den Waschgutschein gar nicht wollten: Ursula Neuhaus (61) und ihre Mutter Waltraud Wischnewski (86) zum Beispiel, die zu Fuß vom Reschop herübergekommen sind. „Ich hab’ zwar ein Auto, aber ich war erst vor einer Woche in der Waschstraße“, sagt Ursula Neuhaus schmunzelnd – und will den Gutschein vor Ort sogar verschenken.
Für ihre Mutter war es die erste Impfung, lange war die Seniorin unsicher gewesen, ob sie sich impfen lassen soll. Nun, nach dem Piks im Bus, geht es ihr gut und auch mit dem Drumherum sind die beiden Frauen zufrieden. Für den Termin in fünf bis sechs Wochen wollen sie wieder den Impfbus aufsuchen – sofern er dann noch durch Hattingen fährt. „Falls das nicht der Fall sein sollte, machen wir einen Termin beim Hausarzt“, hält Ursula Neuhaus fest.
Über 6500 Impfungen im Bus
Noch zwei Tage bleibt das Impfzentrum geöffnet
Nur noch am 29. und 30. September gibt es die Möglichkeit, sich im Impfzentrum des EN-Kreises in Ennepetal impfen zu lassen. Geöffnet ist es an beiden Tagen, jeweils von 8 bis 20 Uhr. Ein Termin ist nicht notwendig.Danach wird das Impfen größtenteils von den Ärzten übernommen. Aber auch der Impfbus fährt vorerst noch durch den EN-Kreis. Wie lange und in welchem Ausmaß ist noch nicht bekannt.Die Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe meldet in ihrem Impfbericht für den Ennepe-Ruhr-Kreis 223.499 erstgeimpfte Bürgerinnen und Bürger, 210.948 sind vollständig geimpft. 2.564 Personen haben bereits eine Auffrischungsimpfung erhalten. Daraus lässt sich allerdings keine Impfquote für den Kreis errechnen. Zum einen sind die Daten unvollständig (sie umfassen beispielsweise Impfungen bei Betriebsärzten nicht), zum anderen wohnt nicht jeder Bürger, der im EN-Kreis geimpft wurde auch hier.
Ob der Bus bis dahin noch fährt, ist bislang auch beim Kreis noch nicht bekannt. Nur so viel: Auch wenn das Impfzentrum in Ennepetal am Abend des 30. September die Pforten dauerhaft schließt, soll der Impfbus im Oktober noch fahren: „Der Bus fährt weiter zu sozial benachteiligten Stadtteilen, zu hoch frequentierten Orten und zu besonderen Veranstaltungen. Wir setzen ihn bis auf weiteres ein und beobachten, wie sich die Nachfrage entwickelt“, heißt es von Jana Ramme, der Leiterin des Pandemie-Teams beim EN-Kreis.
Der Impfbus war seit Mitte Juli fast jeden Tag unterwegs und hat in sämtlichen Städten des Kreises Halt gemacht. Dabei wurden bislang 6506 Spritzen gesetzt, darunter Erst-, Zweit- und Drittimpfungen. Besonders großen Andrang gab es am Samstag, als der Bus vor dem Hattinger Rathaus stand. Hier haben sich 137 Personen den Schutz abgeholt, für 34 von ihnen war es die Erstimpfung.
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